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VI

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Es war besser, dass sie gegessen hatte, bevor sie auf Menschen traf. Rachel besaß zwar ein Mindestmaß an Selbstkontrolle, denn sie hätte nicht fast hundert Jahre lang überleben können, ohne in der Lage zu sein, von Zeit zu Zeit ihre Instinkte zu zügeln, aber gegessen zu haben würde ihr die nächsten paar Stunden definitiv erleichtern. So konnte sie sich entspannen und würde einfacher als Mensch durchgehen, ohne den ganzen Abend auf die Halsschlagadern anderer zu starren wie ein Alkoholiker auf eine offene Schnapsflasche.

»Mir fehlt der Geschmack von Menschenblut«, verkündete sie, als wir vor dem Hotel anhielten. »Möwen sind einfach zu fischig und Hühnerblut schmeckt nach …«

»Hühnchen?«, fragte ich vorsichtig.

Rachel nickte. »Ich weiß nicht, wie du das schaffst«, meinte sie. »Wie unterdrückt man seine Triebe so wie du?«

»Es überkommt mich zwischendurch immer noch«, gab ich daraufhin zu. »Selbst in Menschen-Form kann ich es fühlen, wie ein ständiges schwaches Verlangen, aber am nächsten Morgen habe ich mich immer dafür gehasst, also versuche ich mich darauf zu konzentrieren. Das gibt mir die Kraft, zu widerstehen.«

Rachel dachte über meine Worte nach und es schien sie an etwas zu erinnern. Sie versprach mir auf jeden Fall, sich mehr Mühe zu geben, allerdings unter einem Vorbehalt.

»Eines Tages werde ich aber mal wieder richtig essen müssen. Ich kann nicht ewig von Vögeln und Ratten leben. Ich muss wissen, dass ich mir irgendwann in der Zukunft noch mal Menschenblut erlauben kann.«

»Sieh es doch als Belohnung«, ermunterte ich sie. »Der Trick besteht darin, einen angemessenen Spender zu finden. Jemand, der es nicht verdient, zu leben, und den keiner vermissen wird.«

»Könntest du mir helfen, so jemanden zu finden?«, fragte sie. Ich warf einen Blick auf die Zeitung, die ich vorhin gelesen hatte, deren Seiten voller aufgeblasener Politiker, braver Prinzessinnen, selbstherrlicher Schauspieler und großmäuliger Geschäftsleute waren, und dachte über Rachels Bitte nach.

»Ich stelle dir eine Liste zusammen«, erwiderte ich. »Aber ich schaff es vielleicht nicht, sie unter Hundert zu halten.«

Ich parkte so weit wie möglich vom Vordereingang des Hotels entfernt. Rachel würde nicht bei mir im Zimmer bleiben können, ganz einfach, weil ich keine Idee hatte, wie ich ihren Sarg durch die Rezeption und an der Hausherrin vorbeischaffen konnte, ohne mich einigen peinlichen Fragen auszusetzen. Stattdessen würde sie tagsüber im Auto schlafen, im mit Decken und Tüten bedeckten Sarg, bis wir ein permanentes Lager als Zuhause gefunden hatten.

Die Hausherrin klatschte begeistert in die Hände, als wir das Hotel betraten.

»Ist das Ihre Tochter?«, flötete sie und musterte Rachel von Kopf bis Fuß.

Seltsame Frage. Ich überlegte, was sie tun würde, wenn ich antworten würde: »Nein, das ist nur irgendeine Zwölfjährige, die ich auf der Straße aufgelesen habe.«

»Ja, Diane, das ist Rachel. Rachel, das ist Diane«, sagte ich, teilweise auch, um zu demonstrieren, dass ich mir Dianes Namen gemerkt hatte.

»Ich freue mich, dich kennenzulernen, Liebes. Ich heiße eigentlich Dana, aber das macht nichts«, antwortete sie großzügig lächelnd. »Ich hoffe, dass du einen schönen Aufenthalt hier in unserem kleinen Hotel hast.«

Rachel antwortete nicht. Entweder wusste sie nicht, was sie sagen sollte, oder sie betrachtete Dana, genau wie ich, und dachte ebenfalls, dass sie eher wie eine Diane aussah. Doch in Wirklichkeit war Rachel von keinem von beidem abgelenkt worden. Stattdessen sah sie sich das Ölgemälde an, das an der Wand hinter der Rezeption hing. Es war ein heiteres Abbild des Hotels, in dem wir standen, und sah dem Ölgemälde, das im Flur unseres verfluchten Cottages hing, auffallend ähnlich.

Ich konnte kaum glauben, dass mir das nicht schon früher aufgefallen war.

»Wo haben Sie das denn her?«, fragte Rachel jetzt und zeigte auf das belastende Kunstwerk.

Dana sah über die Schulter, würdigte das Gemälde aber kaum eines Blickes. Es war offenbar einfach ein Teil der Einrichtung und sie hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass es ihr seit Jahren nicht mehr aufgefallen war.

»Ach dieses alte Ding. Das war schon im Hotel, als ich hier anfing«, erklärte sie, ohne groß nachzudenken.

»Wer hat es gemalt?«, hakte Rachel nach, doch Dana wusste nichts über die Geschichte des Bilds. Es war einfach nur ein weiterer abzustaubender Gegenstand in einem Haus voller abzustaubender Gegenstände.

Doch dann kam Dana eine Idee. »Der alte Angus ist schon länger hier als ich. Frag ihn mal, wenn es dich interessiert. Er sitzt gerade in der Bar. Du kannst ihn nicht übersehen.«

Ich sah Rachel fragend an und sie signalisierte mir mit den Augen, das Bild ebenfalls zu betrachten.

»Entschuldigung«, sagte ich und lehnte mich über die Rezeption, um besser sehen zu können. Die Pinselführung war dieselbe wie bei dem Bild, das wir daheim hatten, und der Einsatz von Licht und Farben stimmte ebenfalls überein. Dieses Bild war allerdings vom Künstler signiert, oder zumindest mit seinen Initialen versehen: HS. Bei einer letzten Überprüfung entdeckte ich auch noch etwas anderes. Hinten im Bild, hinter dem Hotel, stand eine winzige, gebeugte, schwarze Gestalt, weit oben am Hang in der Ferne, und starrte uns mit einem Spieß in der Hand an.

»War die schon immer da?«, fragte ich, aber Dana sah mich nur wieder ausdruckslos an.

»Muss wohl«, schätzte sie.

Wenn es so war, dann war das eigentlich sogar ein bisschen beruhigend. Vielleicht war es einfach eine Eigenart im Gestaltungsstil des Künstlers, immer einen gruseligen kleinen Mann irgendwo in all seinen Gemälden zu verstecken … so wie eine teuflische Version von Wo ist Walter? Doch Rachel wollte trotzdem unbedingt mit dem alten Angus sprechen, um mehr über den Künstler zu erfahren.

Tatsächlich fanden wir Angus an der Bar sitzend, genau wie Dana es uns beschrieben hatte. Er war ein mürrischer alter Seebär mit grünen Augen und einem grauen Backenbart, und genau wie das Bild sah auch er so aus, als würde er schon immer zum Hotel gehören. Rachel näherte sich ihm und sprang dann auf den Barhocker neben ihm.

»Hallo«, sagte sie ohne ein Lächeln.

Angus zog fest an seiner E-Zigarette und stieß dann eine Dampfwolke mit Kaffeegeruch aus.

»Hallo«, lautete seine wohlüberlegte Antwort.

Der alte Angus war tatsächlich alt. Er hieß vielleicht sogar wirklich Angus. Das mussten wir einfach mal glauben. Der alte Angus sah aus, als sei er um die achtzig Jahre alt und hatte die raue Erscheinung eines Mannes, der seine Tage stets auf See und seine Nächte genau an diesem Platz sitzend verbracht hatte. Er trug eine mitgenommene alte Matrosenmütze und eine Jacke, die offenbar den einen oder anderen Sturm miterlebt hatte, aber er war sauber und seine Kleider sorgfältig gebügelt, was vermuten ließ, dass es irgendwo in seinem Leben eine Ehefrau mit beeindruckenden Talenten und unendlicher Geduld gab.

»Guten Abend«, sagte ich und gesellte mich genau wie Rachel neben ihn.

»Auf der Durchreise, was?«, erkundigte er sich und musterte uns beide mit vorsichtiger Gastfreundschaft.

»So in der Art«, antwortete Rachel ausdruckslos. »Dana hat gesagt, Sie wissen was über das Bild, das hinter der Rezeption an der Wand hängt.«

»Du meinst das Ölgemälde über dem Empfang?«

»Wer hat es gemalt?«, fragte sie.

Der alte Angus versuchte offenbar krampfhaft, sich zu erinnern. Unglücklicherweise war sein Bierglas leer und das lenkte seine Gedanken scheinbar ab, also spendierte ich ihm Nachschub und legte noch einen dreifachen Whisky obendrauf, um seine Erinnerung ein bisschen zu schmieren.

»Ach, das Bild«, erinnerte er sich dann tatsächlich und schmatzte mit den Lippen, als er plötzlich in Fahrt kam. »Das hat schon eine seltsame und geheimnisvolle Geschichte.«

Das hatte ich mir schon gedacht. Rachel beugte sich mit großen Augen näher zu ihm.

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