Читать книгу Shinobi - Dem Untergang geweiht - Danny Seel - Страница 11

Оглавление

5. Genpuku

Kiyoshi senkte den Kopf und zog seine Kopfbedeckung aus, die er kurzzeitig für einen rituellen Zweck aufgesetzt hatte, als er den Heiligenschrein betrat. Eine kleine Menschenmenge stand bereits drinnen versammelt und wartete auf ihn. Viele seiner Verwandten sowie seine gesamte Familie waren dort anwesend. Izuya, sein Vater, ein muskulöser, breitschultriger Mann mit einem gestutzten Vollbart und einem Haarknoten, stand ganz vorne und strahlte über das ganze Gesicht, mit vor Stolz erhobenem Haupt.

Die Menge spaltete sich in zwei, um einen Mönch durchzulassen, dessen Kopf vollkommen kahl geschoren war und welcher orangefarbene Roben trug. Er stand da und wartete, bis sich Kiyoshi vor ihm hinkniete.

„Heute ist der Tag, an dem ein Junge zu einem Mann wird. Deshalb erhält er von nun an alle Rechte, die ein Mann hat, wozu die Beteiligung an religiösen Zeremonien sowie die Heirat gehören. Zusätzlich wird er alle Pflichten eines Erwachsenen übernehmen müssen. Dieser Tag, der Zwölfte Tag des Vierten Monats des Zehnten Jahres des Tenshō, wird in Erinnerung als Genpuku dieses jungen Mannes bleiben, der heute fünfzehn und somit volljährig geworden ist.“

Er verpasste Kiyoshi einen Haarschnitt, den nur Erwachsene trugen. Sobald er damit fertig war, kamen drei Männer, die sich neben Kiyoshi hinknieten und ihm Kleidung für Erwachsene überzogen, die für ihn als Geschenk gedacht war.

Der Mönch fuhr mit dem Ritual fort: „Dein Kindername war Kiyoshi gewesen. Von diesem Tag an wird sich dein Vorname ändern und du wirst das Recht erhalten einen Familiennamen zu tragen. Du sollst Kiyonori Ryuzaki heißen.“

Der Mönch stand auf und entfernte sich, wobei ein anderer, in weiß gekleideter Mann einen Saké-Behälter auf einen kleinen Altar stellte. Zwei weitere Mönche erschienen und begannen den Reiswein vorzubereiten. Währenddessen beteten sie.

Als der Saké vorbereitet war, kam einer dieser Mönche und hielt Kiyoshi, oder besser gesagt Ryuzaki, einen Becher hin. Der junge Mann nahm ihn und wartete, bis der andere Mönch ihn mit dem Reiswein füllte. Er trank alles aus und gab den Becher wieder zurück. Anschließend erhob sich Ryuzaki und folgte einem Mönch, der ihn ins innere Heiligtum führte, um dort für zukünftigen Segen zu beten.

* * *

„Du scherzt wohl!“, stieß Ryuzaki hervor, als er verwundert seinen besten Freund anblickte. Direkt nach seinem Genpuku hatten seine Eltern zwei oder drei Dutzend Freunde und Verwandte in das zweitgrößte Wirtshaus Nabaris eingeladen, wo jetzt ein kleines Fest abgehalten wurde. Mehrere Gruppen hatten sich an verschiedenen Tischen gebildet, wobei sie hauptsächlich nach Alter oder Geschlecht geordnet waren. Ryuzaki und sein Gefährte saßen sich auf zwei Bänken gegenüber, neben den meisten der anderen Männer, die engagiert ein Gespräch führten.

Ryuzakis gleichaltriger Freund Akiya, der seine Zeremonie des Mündigwerdens schon vor einem halben Jahr gehabt hatte und in Ayato umgetauft wurde, schüttelte den Kopf als Antwort. In seinen Augen brannte der Glanz der Herausforderung.

„Komm schon, Ryu, ich wette, dass du dich davor drückst, Hatasan zu einem Duell zu fordern!“, meinte er verschmitzt und deutete mit dem Kopf auf einen stämmigen Mann, der an einem anderen Tisch saß und Tee trank.

„Damit ich vor allen besiegt und gedemütigt werde? Du weißt doch, dass Hatasan kein schlechter Schwertkämpfer ist. Was für ein Freund bist du denn?“ Ungläubig schüttelte Ryuzaki den Kopf und beugte sich leicht zu seinem Kameraden vor. „Außerdem haben uns deine Wetten immer in Schwierigkeiten gebracht.“

Ayato zuckte mit den Achseln. „Ja, was kann ich dafür?“

„Du könntest damit aufhören!“, schmunzelte Ryuzaki.

„Na gut, wie du willst …“

Einen Moment lang hielt er inne, bevor er ihm scherzend eine neue Herausforderung präsentierte: „Und wie wäre es mit einem Wettkampf, wer mehr Saké vertragen kann?“

Schockiert weiteten sich Ryuzakis Augen. „Das ist doch nicht dein Ernst?“

„Doch …“, antwortete Ayato, aber sein Blick verriet, dass es nicht der Fall war. „Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur deine Reaktion sehen. Aber ein Becher geht doch? Auf dein Glück?“

Ryuzaki lächelte. „Na gut. Eins geht noch, obwohl ich mir sicher bin, dass ich mich an diesen Geschmack nie gewöhnen werde.“

„Kanpai!“

„Kanpai!“, erwiderte der neulich gewordene Erwachsene und beide tranken ihre Becher aus.

Eine der Mägde wollte diese gerade wieder auffüllen, als Ryuzaki sie davon abhielt.

„Nein, nein, das reicht, vielen Dank!“

Das Dienstmädchen stoppte in ihrer Handlung. „Seid Ihr Euch sicher?“

„Ziemlich sicher.“

Die Magd verbeugte sich höflich und entfernte sich. Ayato fing an, über die übertriebene Reaktion seines Freundes zu lachen. Er war selbst kein Weinliebhaber, hatte jedoch den unwiderstehlichen Drang Ryuzaki zu necken.

„Guter Entschluss, mein Sohn. Wie fühlst du dich?“

Die beiden wandten ihre Köpfe Izuya zu, der sich Mühe gab, seinen Stolz darüber, dass sein Sohn erwachsen geworden war, zu verbergen.

„Guter Laune! Obwohl es manche gibt, die nicht aufhören können mich zu necken“, erwiderte Ryuzaki und warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu.

„Übertreibt es nicht, Imaikun“, meinte Izuya, Ayato warnend anschauend.

Der Letztere nickte bloß. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Kiyonorisan. Ich spaße sowieso nur mit Ryu.“

Ryuzaki hob beide Augenbrauen. „Der vorige Wettstreit, den du vorgeschlagen hast, hat sich aber ernst angehört!“

Ayato lächelte nur wieder.

„Ich glaube, ich werde euch dann euren Späßen überlassen“, schüttelte Izuya, der am gleichen Tisch saß, leicht schmunzelnd den Kopf, bevor er sich den anderen Männern zudrehte.

„Was macht ihr so?“ Taikis neugieriges Gesicht erschien auf der anderen Seite des Tisches.

„Nichts Besonderes, eigentlich“, antwortete Ayato.

„Ich habe gerade mit Ichiro gewettet, dass ich mehr scharfe Paprika essen kann als er“, sprudelte es aus Taiki wie aus einem Wasserfall, bevor Ayato etwas Weiteres sagen konnte. „Ratet mal wer gewonnen hat? Ich!“

„Aber das ist doch nur, weil du zwischendurch etwas gegessen hast!“, protestierte Ichiro, Taikis bester Freund. Dieser verließ gerade den kleinen Tisch in der Ecke des Zimmers, an dem die anderen Kinder saßen, und kam nun zu ihnen herbeigeeilt.

„All diese Wettkämpfe machen mich noch verrückt“, murmelte Ryuzaki schmunzelnd.

Taiki spitzte sofort die Ohren. „Was für ein Wettkampf? Was immer es auch ist – ich mache mit!“

Ayato und Ryuzaki wechselten einen Blick aus und brachen dann in Gelächter aus.

Währenddessen saß Akemi am Ende einer Bank, etwas abseits von den anderen Frauen, die eifrig etwas besprachen und ihr deshalb keine Beachtung schenkten. Sie beobachtete, was um sie herum vorging, und schien sehr nachdenklich zu sein. Ihr Blick glitt jedoch immer wieder wie von selbst zu der gleichen Person: Ayato.

Sie war so gedankenversunken, dass sie nicht bemerkte, wie ihre Freundin, Mineyo, die neben ihr saß und vorhin etwas mit ihrer Mutter besprochen hatte, sich nun an sie wandte.

„Ein fröhliches Fest, nicht?“, fragte sie. Als sie keine Antwort erhielt, schaute sie Akemi an und nahm deren verträumtes Gesicht wahr. Dann folgte sie ihrem Blick und musste lächeln.

„Akemi?“, versuchte sie ihre Freundin in die Gegenwart zurückzubringen.

„Was?“ Akemi reagierte überrascht, als sie die Stimme ihrer Freundin hörte. Wie aus einer Trance aufgewacht, sah sie Mineyo an. Die Letztere schmunzelte wissend.

„Scheint, als hättest du ein Geheimnis.“

Akemi errötete sofort und begann dies zu leugnen. „Nein, ich–“

„Versuch es nicht einmal. Ich habe alles gesehen“, kicherte Mineyo.

Ihre Freundin senkte etwas verlegen den Kopf. Ihre Wangen verfärbten sich noch mehr rot. „Aber … ich meine … es ist doch …“, stammelte sie.

„Keine Sorge. Ich werde es niemandem verraten.“

Dankbar nickte ihr Akemi zu.

Auf einmal schaute Mineyo etwas verschmitzt drein. „Unter der Bedingung, dass du jetzt mit ihm redest.“

Akemi schüttelte widerstrebend den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, dass es eine gute Idee ist …“

„Aber ich schon. Außerdem habe ich deinem Cousin noch nicht gratuliert.“

Sie nahm Akemi am Ärmel und begleitete sie zu dem Tisch, an dem Ryuzaki und seine Freunde saßen. Taiki schien bereits eine lebhafte Diskussion mit Ichiro zu führen.

„… und dann verschlang ich meinen vierten! Außerdem hat niemand gesagt, dass man all die scharfen Paprikas nacheinander essen muss!“

Ichiro öffnete schon den Mund, um etwas einzuwenden, doch Mineyo kam ihm zuvor. „Herzlichen Glückwünsch, Kiyo – ich meine Ryuzaki!“

Ryuzaki, der erleichtert schien dem kindischen Streit nicht mehr zuhören zu müssen, blickte auf und schmunzelte zum Dank, als er die beiden sah, die neben ihm und Ayato Platz nahmen. „Ich bin mir sicher, ihr werdet jetzt dauernd meinen neuen Namen vergessen und mich Kiyoshi nennen.“

Mineyo nickte ein wenig missfallend. „Ich finde, dass man während des Genpuku seinen Namen nicht ändern sollte. Es ist einfach so verwirrend.“

„Ich glaube, du bist bloß etwas neidisch, dass euch Mädchen dieses Privileg bei eurer Zeremonie des Mündigwerdens nicht zusteht“, neckte Ayato.

Akemi seufzte und murmelte sarkastisch: „Ja, selbstverständlich.“

Sie selbst hatte ihre Mogi, die Zeremonie des Mündigwerdens für Mädchen, vor einem Monat gehabt, als sie vierzehn Jahre alt geworden war, und galt seitdem als Erwachsene. Taiki und Ichiro stimmten unverzüglich Ayato zu und eine kleine Debatte entfaltete sich über dieses Thema.

Shinobi - Dem Untergang geweiht

Подняться наверх