Читать книгу Ich bin ein japanischer Schriftsteller - Dany Laferriere - Страница 8

Ein Lachs in Panik

Оглавление

Ich bereite den Lachs auf eine spezielle Art zu. Das hat mit dem Lachs nichts zu tun, das Problem bin ich. Ich gebe sehr wenig Wasser in einen Topf, mit etwas Zitronensaft, dünnen Zwiebelscheiben, frischem Knoblauch, Salz, Pfeffer, Chili und einer dicken roten Tomate, die ich später zerdrücke, damit nur der Saft bleibt. Das alles lasse ich nicht länger als drei Minuten kochen. Dann drehe ich die Flamme fast ganz runter und lege den Lachs vorsichtig in seiner ganzen Länge in die Sauce. Normalerweise würde ich die Küche verlassen und etwa zwanzig Minuten später zurückkommen, um den Reis und das Gemüse zuzubereiten. Aber jetzt bleibe ich wie angewachsen stehen und schaue zu, wie der Lachs bibbert. Und ohne jeden Grund mache ich mir Sorgen. Worüber? Über alles. Warum? Ich kann es nicht sagen. Man darf meine Fragen nicht zu ernst nehmen. Ich stelle andauernd Fragen und gebe die Antworten selbst, um zu vergessen, dass ich alleine bin. Sonst schweige ich. Fürchterlich, was man alles machen muss, nur um sich am Leben zu halten. Im Moment überrollt mich die Unruhe in solchen Wellen, dass ich darin ertrinken könnte. Schwitzend vor Angst. Ich beginne mir Sorgen um meine Mutter dort drüben zu machen. Ihre Stimme hat mir gar nicht gefallen, als wir das letzte Mal miteinander telefoniert haben. Eine kleine, brüchige Stimme. Ich weiß, meine Mutter hat nie eine kräftige Stimme besessen, aber diesmal hat sie besorgniserregend geklungen. Das ist schon gut einen Monat her, aber erst jetzt kommt die Wirkung. Ich hatte viel zu tun, das stimmt. Womit? Ich weiß es nicht mehr. Im Moment habe ich nichts anderes vor, als zuzusehen, wie mein Lachs köchelt. Eines betrübt mich besonders: Sie hätte es so gerne gehabt, wenn ich einen anderen, sicheren Beruf gewählt hätte. Und jetzt, mit über fünfzig, weiß ich noch nicht einmal, welche Sorte Schriftsteller ich bin. Daran hatte ich auch noch nicht gedacht: Wie werden sie es dort drüben aufnehmen, dass ich ein japanischer Schriftsteller geworden bin? Ich sehe zu, wie der Lachs langsam fest wird. Am Ende übertrage ich ihm immer meine Panik. Und dann muss ich wieder einen panickenden Lachs essen. Ich weiß nicht einmal, was mir Angst bereitet, ob es der Plan ist, ein neues Buch zu schreiben oder ein japanischer Schriftsteller zu werden. Daher die Grundsatzfrage: Was ist ein japanischer Schriftsteller? Ist es einer, der in Japan lebt und schreibt? Oder einer, der in Japan geboren ist und trotzdem schreibt (es gibt Völker, die sind glücklich, ohne die Schrift zu kennen)? Oder jemand, der nicht in Japan geboren ist, die Sprache nicht kennt, und plötzlich ein japanischer Schriftsteller werden will? Wie in meinem Fall? Ich muss es mir einfach einbläuen: Ich bin ein japanischer Schriftsteller. Sonst bin ich dieser nackte Schriftsteller, der sich, nur mit einem Küchenmesser bewaffnet, in den Dschungel der Sätze wagt.

Ich bin ein japanischer Schriftsteller

Подняться наверх