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Lauffeuer

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Die Polizei kam nicht. Rick hatte recht gehabt. Sie hatten offensichtlich schon genug mit einer anderen Krise zu tun. Wir sahen uns die Nachrichten im Fernsehen an. Videoaufnahmen aus der ganzen Welt zeigten, wie Menschen ausrasteten und andere Menschen angriffen. Die gewaltsamen Stellen wurden anfangs noch unkenntlich gemacht, wichen aber bald brutalen und unzensierten Bildern. Wir schauten dabei zu, wie sich kranke und wahnsinnige Leute auf unglückselige Opfer stürzten, sie zerrissen und nagend und kauend die Zähne in ihrem Fleisch vergruben. Wir sahen, wie Polizisten und Soldaten Seite an Seite auf die herannahenden Meuten feuerten und wie sie schließlich von den Massen überwältigt wurden. Schusswunden, abgesehen von Kopfschüssen, schienen sie nicht zu beeinträchtigen.

Wir verfolgten Blogs, Facebook, Twitter, Jabber, Steambox und ein paar andere soziale Netzwerke, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Rick hatte sogar sein Amateurfunkgerät in Gang gesetzt und sprach mit seinen Prepper-Kollegen. Er war in einer Art Verein, bestehend aus Funkamateuren aus der ganzen Welt und sie sprachen stets in diesem eigentümlichen Amateurfunkfachjargon miteinander.

Unter den Sachen, die ich eingekauft hatte, waren unter anderem auch große Karten und eine Schachtel Markierungsnadeln in verschiedenen Farben gewesen. Wir hängten die Weltkarte an die Wand und schoben Nadeln in die Städte, in denen von Ausbrüchen berichtet wurde. Die Farbcodierung spiegelte dabei die Anzahl der Meldungen wider. Rot stellte die höchste Zahl an Berichten dar. Nach zwei Tagen war der gesamte Mittlere Osten mit Rot übersät. Südeuropa und der Großteil von Afrika in Gelb. Die gute, alte USA fing langsam an, blaue Nadeln zu sammeln. Ich wollte eigentlich Grün benutzen, wie die Ampelfarben, aber Rick überstimmte mich schließlich. Er fand, dass Grün irreführend wäre. Ich erinnerte ihn daran, dass nur wir zwei diese Karte lesen würden, und ich bezweifelte, dass es zu Verwirrung bei uns führen würde, aber ich erhielt nur einen vernichtenden Blick als Antwort. Also wurde es letzten Endes Blau. Blau stellte die geringfügigen Meldungen dar.

Am dritten Tag des Unterfangens war ganz Afrika Rot. Asien war größtenteils Gelb, aber das Rot kam mehr und mehr herangekrochen. Europa war komplett Gelb, mit Rot auf dem Vormarsch in Richtung Norden. Die meisten Städte in Nord- und Südamerika trugen blaue Nadeln, mit Ausnahme von Großstädten wie Rio, New York City und Los Angeles, die bereits gelb waren. Ich wies Rick auf eine einzelne, blaue Nadel hin. »Was ist denn damit?«, fragte ich. Sie steckte in der Antarktika.

Rick drehte sich vom Computerbildschirm weg und blickte auf die besagte Stelle. »Es gibt eine Forschungsstation da unten. Die Fox-Nachrichten haben von einem sehr kranken Forscher berichtet. Es gab offenbar Probleme mit schlechtem Wetter und das Rettungsflugzeug konnte deshalb nicht hin. Seitdem haben sie den Funkkontakt komplett verloren. Sollte also wahrscheinlich sogar eine rote Nadel hin.« Sein Handy klingelte plötzlich. Er schaute es überrascht an, als ob er wirklich dachte, dass die Welt bereits untergegangen sei und wir die letzten Menschen auf dem Planeten wären. Nach einigem Klingeln nahm er das Gespräch schließlich an, sprach kurz mit wem auch immer am anderen Ende der Leitung und legte dann wieder auf. »Vor vier Tagen habe ich eine neue Lieferung Propangas bestellt. Sie haben sich heute entschieden, endlich rauszufahren. Der Fahrer zickt allerdings jetzt rum, weil die Straße versperrt ist.«

Da wir kein Tor mehr hatten, hatten wir die Brücke kurzerhand mit einem John-Deere-Traktor, komplett mit Baggeraufsatz, blockiert. »Ich fahre den Traktor kurz weg und lasse ihn rein. Du hältst inzwischen ein Auge auf die Nachrichten, okay?« Ich war einverstanden. Die Brücke war der einzige Zugang zur Farm. Wenn man die Farm jetzt betreten wollte, musste man entweder reinfliegen, durch den reißenden Bach schwimmen oder mehrere Meilen mit einem Quad um die Farm herumfahren und dann mit einem Drahtschneider den Rinderzaun, der die gesamte Farm umgab, durchschneiden. Wir hatten uns gedacht, dass uns die Straßensperre wenigstens etwas Zeit verschaffen würde, um uns vorzubereiten, sollte die Polizei tatsächlich hier auftauchen.

Das alte Gehöft, auf dem wir derzeit lebten, wurde mit Propangas und einem Kamin beheizt. Es gab einen Tank hinter dem Haus, der jeden Herbst neu befüllt werden musste. Ich fragte mich, was wir nächsten Herbst machen würden. Das war definitiv etwas für unsere To-do-Liste. Wir hatten zwar einen Brunnen für Wasser, aber die Pumpe wurde elektrisch betrieben. Wir hatten einen Generator, aber der war von Treibstoff abhängig. Wir hatten einen großen Benzintank für die Farmgerätschaften in der Nähe der Scheune, aber der würde bestimmt nicht ewig reichen. Doch alles in allem hatte Rick die Farm ziemlich gut ausgestattet. Er hatte sogar einen Rübenkeller gefüllt mit Konservendosen, Geräte zum Wiederbefüllen von Munition und alle möglichen sonstigen Gerätschaften. Wir hatten eine Räucherkammer, einen tiefen Bach, in dem es Fische gab, einen Hühnerstall mit Bruthennen und Rick hatte erst letzten Monat den Gemüsegarten abgeerntet.

Ich stand an der Hintertür und schaute dabei zu, wie der Mann das Propangas aus seinem Wagen in den großen, zylindrischen Tank füllte. Auf dem Namensschild auf seinem Arbeitshemd stand ›Junior‹. Ich hoffte für ihn, dass es nur ein Spitzname und nicht sein richtiger Vorname war. Er war stark übergewichtig, was jede kleine Bewegung offenbar zu einer großen Strapaze machte, begleitet von lautem Schnaufen und Grunzen. Er musste Hosenträger tragen, da es anscheinend keinen Gürtel gab, der ihm gepasst hätte. Ich merkte, dass Rick ziemlich Abstand zu ihm hielt. Er trug außerdem eine Pistole in einem Holster an seinem Gürtel. Junior merkte es entweder nicht oder es war ihm egal. Wir alle unterbrachen unsere Gedanken und Tätigkeiten, um zum Himmel hinaufzuschauen, als plötzlich eine Art Militärflugzeug über uns hinwegflog.

Junior zeigte darauf. »Mein Schwager ist in einem von diesen Flugzeugen. Er ist Feldwebel in der Nationalgarde. Die wurden heute Morgen einberufen. Er sollte es ja eigentlich nicht verraten, aber er hat heimlich meine Schwester angerufen und Bescheid gesagt.« Er sah zu mir hinüber. »Wir sind nämlich nicht blutsverwandt. Er ist mit meiner Schwester verheiratet. Das macht ihn zu meinem Schwager.«

Ach, sag bloß, Junior. Danke für die Auskunft. Voller Genugtuung, dass er mir, einem Kind, ein wenig Weisheit zukommen lassen konnte, spuckte er einen Klumpen Tabaksaft aus, von dem allerdings nicht alles an seiner ausladenden Wampe vorbeikam. Er wischte mit seiner fleischigen Hand beiläufig darüber und sah dann wieder zu Rick. »Er hat ihr gesagt, dass gerade etwas echt Ernstes im Gange ist. Nach Feierabend fahren wir deshalb zum Supermarkt und decken uns mit Vorräten ein.« Er sah Rick unheilvoll an und senkte seine Stimme: »Das solltet ihr auch machen.«

Rick nickte ihm ernst zu. »Das ist ein sehr guter Rat, Junior. Was hatte dein Schwager denn sonst noch zu sagen? Hat er erzählt, wo sie hinwollen?«

Junior schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das hat er nicht gesagt.«

Dieses Mal hatte er die schlaue Idee, sich nach vorn zu beugen. Er erhöhte außerdem den Druck zwischen seinen Lippen, was seiner Spucke eine höhere Flugbahn verschaffte. Er wurde mit einem sauberen Schuss belohnt und nickte zufrieden. Ich bin mir sicher, Mrs. Junior wäre stolz auf ihn.

»Aber er hat erzählt, dass sie die Flugzeuge schneller beladen haben als je zuvor und scharfe Munition bekommen haben. Er hat gemeint, das haben sie nicht mehr gemacht, seit seine Einheit in den Irak geschickt worden ist.«

Er wischte sich den Mund trocken. »Er ist ein echter Kriegsheld. Wahrscheinlich der Einzige in diesem ganzen verflixten Land.«

Rick fand das überhaupt nicht lustig. Er dankte Junior deshalb und sagte ihm unverblümt, dass er jetzt gehen solle. Junior zuckte daraufhin mit den Schultern und watschelte zurück zu seinem Tankwagen. Rick folgte ihm zur Straße.

Ich hatte schon über eine Stunde vor dem Fernseher gesessen und war gerade im Begriff, ihn auszuschalten, als plötzlich eine Eilmeldung kam. Ich griff nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke auf. Rick kam kurze Zeit später dazu. »Der Gastank ist jetzt voll. Junior ist weg. Ich habe den Bagger wieder vor die Brücke gestellt und wir sind damit wieder offiziell abgeriegelt. Ich habe auch Stacheldrahtspulen vor die Brücke gespannt. Es ist jetzt unmöglich, einfach durchzulaufen. Was siehst du dir denn da an?«

Ich drehte mich kurz zu ihm um und zeigte dann auf den Fernseher. »Es heißt, der O'Hare Flughafen in Chicago hat alle ein- und ausgehenden Flüge gestrichen. Es gibt zwar noch keinen offiziellen Grund, aber die Nachrichtensprecherin spekuliert, dass die Grippe-Welle einen Personalmangel ausgelöst hat.«

Rick schnaubte verächtlich. »Ja, genau. Sie haben auch nichts über Zombies gesagt, aber was willst du wetten, dass es dort ein paar Angriffe gab? So, Einstein … was ist so wichtig an diesem speziellen Flughafen?«

»Na ja, es ist ein internationaler Flughafen. Dort gehen Flüge aus der ganzen Welt ein. Das Verkehrsaufkommen beträgt etwa siebzig bis fünfundsiebzig Millionen Passagiere, dazu kommt über eine Million Tonnen Fracht. Wenn alle Flüge gestrichen wurden, muss es etwas Ernstes sein«, stellte ich fest. Rick nickte nachdenklich. Er ging hinüber zur Karte und ersetzte die blaue Markiernadel durch eine rote.

»Ich habe keine Ahnung, woher du all diese kleinen Fakten über alles kennst, aber es ist echt verdammt hilfreich.« Er kratzte seinen Bart. »Wenn so etwas Großes wie das hier passiert, kann das nur eines bedeuten, Zach: Es kann nicht mehr eingedämmt werden.«

Meine Skepsis gegenüber Ricks Theorie hatte ich schon lange überwunden. Ich konnte deshalb nichts weiter tun, als zustimmend zu nicken. Er setzte sich vor sein Amateurfunkgerät und schnappte sich das Mikrofon. »WA4OEQ, QRA Mittel-Tennessee, an alle aktiven Stationen. Chicago hat Code Rot. Chicago hat Code Rot, over.«

Nach einem Moment erhielten wir eine Antwort. »WD5KZZ an WA4OEQ, mein QRA ist Tulsa, Oklahoma. QSM, bitte, over.«

Rick sah mir herüber. »QRA ist dein Standort und QSM heißt den letzten Durchgang wiederholen. Das solltest du alles lernen.« Er blickte mich mit ernster Miene an.

Rick widmete seine Aufmerksamkeit nun wieder dem Funkgerät, und wiederholte die Nachricht, dieses Mal etwas genauer. Nach ein paar Minuten der Unterhaltung wünschte er dem Mann sieben-drei, das war Funksprache und bedeutete ›viel Glück‹, dann meldete er sich ab. »Okay, du hast gehört, was Tulsa gesagt hat. Mach 'ne gelbe Nadel in Tulsa, Norman, Oklahoma City und Kansas City.«

Ich tat, was er gesagt hatte und mehrere Sekunden lang schauten wir schweigend auf die Karte. Rick begann nun, auf die verschiedenen Nadeln zu zeigen. Alle größeren Städte auf der Karte waren nun mit Nadeln bedeckt.

»In nur zwei Tagen werden wir ein paar rote und einen Riesenhaufen gelbe allein in den USA haben«, sagte er leise, als könnte er es nicht glauben. Dabei war er derjenige gewesen, der sich so sicher gewesen war, dass es genau so geschehen würde. »Es verbreitet sich wie ein Lauffeuer.«

Ich sah zu Ricks Hunden hinüber. Auch sie schauten sich die Karte an.

In den darauffolgenden Stunden schlossen nach und nach alle Flug- und Seehäfen. Das Autobahnnetz wurde zu einem kolossalen Stau, in dem Leute verzweifelt versuchten, irgendwo hinzukommen, wo es sicherer war als dort, wo sie herkamen. Lebensmittelgeschäfte wurden leer geräumt. Mini-Märkte, beliebt wegen der Möglichkeit zu tanken und einzukaufen, wurden von ungeduldigen Kunden überrannt. Es führte unausweichlich zu erhitzten Gemütern und Streitereien. Spontane Krawalle brachen aus, weil die Menschen einfach nicht zu begreifen schienen, was vor sich ging. Es sei die Regierung, riefen sie. Irgendwie war immer die Regierung schuld.

Der Präsident hielt pünktlich um sechs Uhr eine Rede. Ich drehte die Lautstärke am Fernseher hoch.

»Meine amerikanischen Mitbürger«, begann er.

»Oh Scheiße, jetzt kommt's. Bitte bücken, meine amerikanischen Mitbürger, es geht wieder los!«, rief Rick.

»Ich spreche heute Abend zu Ihnen aus der Enge der Air Force One. Wie sie vielleicht wissen, wird die Welt gerade von einer tödlichen Krankheit von erheblichem Ausmaß heimgesucht …«

»Was du nicht sagst!«

»… Ich habe alle Militäreinheiten mobilisiert, die Behörde für Katastrophenschutz und die Seuchenschutzbehörde …«

»Das hätte schon vor Wochen passieren sollen, ihr Schwachköpfe.«

»… heute Morgen habe ich gemeinsam mit dem Kongress beschlossen, den Ausnahmezustand auszurufen …« Rick sah mich an, ich verstand und nickte.

»… Wir müssen den Glauben bewahren, ausharren und zusammenarbeiten, wenn wir überleben wollen …«

»Oh, ich glaube dir, Freundchen. Du hast uns schon sooo viel geholfen.« Ricks fortlaufender Kommentar übertönte einen Großteil der Ansprache. Es war zwar ärgerlich, aber ich schätze, es war mittlerweile sowieso egal.

»Möge Gott Sie schützen und möge er gnädig mit uns sein.«

Bis zum Ende der Woche war die komplette Karte in Rot getaucht.

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