Читать книгу ZOMBIE RULES - David Achord - Страница 13
Unser erster Zombie
ОглавлениеRick verschränkte die Arme vor der Brust, seufzte laut und erreichte den Höhepunkt mit einem lauten Rülps. Wir hatten gerade unser Frühstück bestehend aus Eiern, Wurst und Schmalzgebäck beendet. Wir waren in unsere Gedanken vertieft, als wir den letzten frischen Orangensaft austranken. »Ich habe einen schweren taktischen Fehler begangen«, meinte Rick nun. Ich schaute ihn an, er schaute mich an, und die Hunde schauten uns beide an. »Wenn jetzt tatsächlich alle wegsterben sollten, hätten wir uns ein paar Frauen hierher einladen sollen.« Er kratzte sich an seinem Schnurrbart. »Ohne eine Muschi dann und wann wird das Ganze die Hölle.«
»Aber du kannst Frauen doch gar nicht ausstehen. Das hast du selbst gesagt«, erinnerte ich ihn.
Er starrte mich empört an. »Das stimmt doch gar nicht! Ich mag Frauen. Ich mag es, wie sie aussehen, wie sie sich bewegen, wie sie sich anfühlen und ich mag es, wie sie riechen. Himmel, ich mag sogar, wie sie schmecken, wenn du weißt, was ich meine. Aber ich halte es irgendwie keine Sekunde aus, mich in ihrer Nähe aufzuhalten. Doch das ist jetzt auch egal, schätze ich mal. Sie sind wahrscheinlich alle tot.« Er sah resignierend auf die Karte, als er das sagte.
Das Fernsehen, die Radiosender und das Internet waren schon vor einer ganzen Weile ausgefallen. Bei den Telefonen, sowohl Handys als auch Festnetz, war es das Gleiche. Sie alle waren tot. Ich versuchte es zwar noch öfter, aber das Ergebnis war immer das Gleiche.
Ich hatte auch versucht, Felix zu erreichen, bevor die Telefone ausfielen, war aber nie durchgekommen. Ich hoffte, dass er okay war. Ich war mehrmals in Versuchung geraten, Macie anzurufen, und war schon kurz davor gewesen, als Rick mir sagte, ich solle aufhören, so unfassbar bescheuert zu sein.
Ich hatte es bisher geschafft, jegliche Gedanken an Macie zu unterdrücken, na ja, meistens jedenfalls, aber als Rick anfing, von Frauen zu reden, fiel sie mir augenblicklich ein. War sie noch am Leben? War sie noch immer mit Jason zusammen? Es war einfach frustrierend. Ich wollte sie gern sehen und Felix wollte ich definitiv unbedingt sehen. Er fehlte mir sehr.
»Es sind nicht alle tot«, verkündete ich laut, als ich meine Schuhe anzog. Meine Rippen waren inzwischen so weit verheilt, dass sie mich nur noch gelegentlich ärgerten, ich konnte mich nun wieder bücken und meine Schuhe ohne allzu viele Beschwerden anziehen. »Soll ich die Hühner heute füttern?«, fragte ich. Es war inzwischen kalt draußen, das Gras war in Winterruhe und das Vieh brauchte zusätzliches Futter, um den Winter überstehen zu können.
Ich war gerade auf dem Weg zur Tür, als Rick mehrmals mit den Fingern schnippte, um auf sich aufmerksam zu machen. »Was meinst du damit, dass nicht alle tot sind? Woher zum Teufel willst du das denn wissen? Wir beide haben seit knapp einem Monat die Farm nicht mehr verlassen und dieses verdammte Funkgerät ist ebenfalls ganz schön schweigsam in letzter Zeit.«
Ich band mir die Schuhe zu. Ich wollte noch Laufen gehen, nachdem die morgendlichen Pflichten erledigt waren. »Einfache Mathematik«, erklärte ich. Rick machte eine kreisförmige Bewegung mit der Hand. Ich nahm an, er meinte damit, dass ich fortfahren sollte. »Okay, sehen wir die Sache doch mal so. Im Grunde haben wir uns hier draußen, wegen deines Bauchgefühls, selbst unter Quarantäne gestellt. Wir wissen nichts über diese Krankheit, abgesehen von dem, was wir aus dem Internet und dem Fernsehen erfahren haben. Die Seuche infiziert den Wirt und tötet ihn dann oder macht aus ihm ein gewalttätiges, wahnsinniges, mörderisches Tier.«
»Zombies«, meinte Rick.
»Wenn du sie so nennen willst. Aber wie wird eine Person infiziert? Das wissen wir nicht. Wir haben eine Menge verschiedener Theorien gehört, aber dahingehend tappen wir immer noch im Dunkeln. Wir haben uns aber nichts eingefangen, was gut ist. Also, schon mal zwei Menschenseelen. Diese Zahl können wir als Grundlage verwenden. Es leben ungefähr zwei Millionen Menschen in der Mitte von Tennessee. Nimmt man an, dass wir die zwei einzigen Überlebenden in der unmittelbaren Umgebung sind, muss man anschließend nur noch rechnen.« Ich schnappte mir den Notizblock mit meiner stets wachsenden To-do-Liste, blätterte zu einer neuen Seite und schrieb alles auf.
»Die vermutete Überlebensrate beläuft sich also auf 0.000001 Prozent. Wenn man bedenkt, dass es auf dem Planeten grob geschätzt etwa sechs Milliarden Menschen gibt, ist das eine Sechs mit neun Nullen.« Ich schrieb die Zahl aus. »Laut unserer Überlebensrate sind also weltweit mindestens sechstausend Leute übrig. Es wäre allerdings unlogisch, von einem Grundwert von nur zwei Personen anzunehmen. Ich glaube nämlich, dass es noch viele weitere Überlebensinseln allein in dieser Gegend gibt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sich noch mehr Leute so wie wir abgeriegelt haben. Außerdem gibt es wahrscheinlich Menschen, die immun sind, genauso wie damals, als die Pest in Europa und die Spanische Grippe in der ganzen Welt gewütet hat.«
Rick schaute zu, als ich die Gleichungen aufschrieb. »Wie viele, glaubst du, sind immun?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe wirklich keine Ahnung, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, vielleicht zwanzig Prozent der Bevölkerung, aber das ist eine eher großzügige Schätzung.« Ich sah zu Rick hinüber. Er starrte an die Decke und versuchte, im Kopf alles zusammenzurechnen. Davon würde er irgendwann noch Migräne bekommen. So langsam stiegen kleine Rauchfähnchen aus seinen Ohren. Ich half ihm deshalb.
»Ungefähr 1,2 Milliarden, über die gesamte Welt verteilt, aber da ist noch etwas. Wenn diese Seuche erst einmal vorüber ist, wird es noch enorm viele weitere Tote geben durch Hunger, Krankheiten, Mangel an medizinischer Versorgung, Gewalt, na ja, du kennst den Rest ja. Dann wären da außerdem auch noch andere Variablen.«
»Was denn für Variablen?«, fragte Rick verwirrt.
»Variablen wie Cheyenne Mountain und Raven Rock, die Regierungsbunker. Es gibt Krisenpläne für gewaltige Katastrophen wie diese hier. Man hat an solche Vorkommnisse gedacht und einen Plan namens ›Fortbestand der Regierung‹ kreiert. Ich würde darauf wetten, dass alle NATO-Länder etwas Ähnliches haben, genauso wie Russland und auch China.«
Ich fing an, genauer darüber nachzudenken. Hatten die Regierungen überlebt? Wie würde man es schaffen, wieder Ordnung herzustellen? Ich fing ein neues Blatt, mit der Abkürzung FdR als Überschrift an und begann mir Notizen zu machen.
Ricks Aufmerksamkeit war abgeschweift und er konzentrierte sich nun auf die anderen Karten. An jeder Wand hingen Karten des Staates und der einzelnen Städte. Er hatte früher gerahmte Bilder an der Wand gehabt, schöne Naturszenen, aber vor ein paar Tagen hatte er sich betrunken, sie alle zertrümmert und anschließend im Kamin verbrannt. Ich hatte den Rest des Tages damit verbracht, Scherben aufzukehren. Zum Glück hatten wir uns nicht die Füße zerschnitten und uns eine Entzündung eingefangen. Jetzt hatten wir wenigstens genug Platz an der Wand für unsere Karten.
Er wedelte mit der Hand und sah mich an. »Was hältst du von einer kleinen Erkundungsmission heute Nachmittag? Wir können in Franklin anfangen.«
»Was ist mit unserem Plan, uns bis zum Frühling zu verstecken?«, fragte ich.
Rick sah mich an, als hätte ich irgendetwas von Hundekot und Sodomie erwähnt. »Willst du wirklich den Rest deines Lebens ohne eine Frau verbringen?«, fragte er mich.
Nun war ich an der Reihe, einen bösen Blick auszuteilen. »Ich werde zuerst das Vieh füttern und dann gehe ich laufen. Fällt dir noch etwas ein, was erledigt werden muss?«
»Ja, stell den Generator an. Ich nehme gleich eine heiße Dusche. Danach werde ich mich an das Funkgerät setzen und mal sehen, ob ich ein paar dieser 1,2 Milliarden Menschen erreichen kann, und du kannst beim Laufen mal über einen Plan für unsere Erkundungs- und Plünderungstour nachdenken. Wir haben zwar noch reichlich Essen und Wasser, aber Hundefutter und Benzin können wir immer gebrauchen, und am Allerwichtigsten natürlich … Whiskey … und Frauen, nicht zu vergessen.«
Ich schüttelte den Kopf und schmunzelte über den alten Mann, als ich mir eine Glock-Pistole und ein Messer umschnallte. Ich erwartete allerdings keine Probleme. Himmel, wir hatten niemanden mehr gesehen, seit Junior da gewesen war, aber ich wollte lieber auf alles vorbereitet sein. Die Tage von Zach Gunderson dem sanften, kleinen Lamm waren endgültig vorüber. Ich vergewisserte mich, dass eine Kugel im Lauf war, dehnte meine Beine und lief los.
Es gab einen Pfad entlang des Farmgeländes. Wir benutzten ihn regelmäßig, um die Zäune zu überprüfen. Meine erste Meile war ein wenig hart, denn ich war wegen meiner Rippen seit Ewigkeiten nicht mehr laufen gewesen. Die kalte Luft brannte in meiner Kehle und meiner Lunge, aber es fühlte sich gut an. Das brennende Gefühl hatte irgendwie eine heilende Wirkung auf meine Seele.
Als ich rannte, dachte ich darüber nach, was Rick gesagt hatte und was er nun tun wollte. Innerhalb weniger Wochen hatte sich die Seuche auf dem gesamten Planeten ausgebreitet und die komplette Bevölkerung überwältigt. Keiner von uns war sachkundig genug, um zu wissen, ob sie einfach ihren Lauf genommen hatte und irgendwann ausgebrannt war, oder ob das Risiko einer Infektion noch immer bestand. Ich dachte über den kranken Forscher in der Antarktis nach. Wie um alles in der Welt hatte er sich angesteckt? Der abgelegene Standort war für eine Quarantäne wie geschaffen und trotzdem hatte sich dort jemand infiziert. Das war mir ein absolutes Rätsel.
Ich begann meine zweite Meile mit weit ausgreifenden Schritten und fühlte mich prima. Bevor ich mich versah, war ich bei meiner dritten Meile angelangt. Es fühlte sich wunderbar an. Obwohl ich jede Nacht mit Rick eingepfercht war, tat mir das Landleben anscheinend gut. Ich kam gerade so richtig in Fahrt, als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine Frau lief über das Feld, das an unsere Farm angrenzte. Es gehörte einem Ehepaar mittleren Alters, Mr. und Mrs. Riggins. Ich schaute zu, wie sie langsam und anscheinend ohne Ziel dahinschlenderte. Ich blieb stehen und winkte ihr zu, doch sie reagierte nicht. Da stimmte offenbar etwas nicht. Ich rannte zurück zum Haus und erzählte Rick davon. Eine Minute später saßen wir auf einem Quad und fuhren zu der besagten Stelle. Sie war immer noch da und starrte geistesabwesend auf den Zaun.
»Da ist sie. Siehst du sie?«, fragte ich. Rick nickte. »Schau dir das an. Hey!«, rief ich ihr zu und winkte. Sie war nur etwa hundert Meter entfernt und komplett nackt. Als sie uns sah, fiel sie in einen seltsamen Trab, nicht ganz ein Galopp, und lief direkt auf uns zu.
Rick nahm sein Gewehr in die Hand. »Mit der stimmt eindeutig etwas nicht, Junge. Guck dir doch mal das Gesicht an. Es ist total zermatscht.«
Er hatte recht. Da waren mehrere tiefe Furchen in ihrem Gesicht und die Wunden waren mit Eiter gefüllt. Nur ihre Augen schienen noch etwas Leben zu zeigen. Sie schnellten aufgeregt hin und her, erst zu mir, dann zu Rick.
Ich sah ihn mit gespieltem Staunen an. »Du hast doch gesagt, du wolltest eine Frau!«, hob ich an. »Also, bitte schön.«
Sie war jetzt etwa fünfzig Meter von uns entfernt. Es war offensichtlich, dass sie verseucht war. Rick versuchte es mit Anschreien, aber sie stöhnte oder ächzte nur. Dann lief sie in den Zaun hinein und prallte davon ab, als wüsste sie nicht einmal, dass er da war.
Wir schauten ihr ein paar Minuten lang dabei zu, wie sie versuchte, durch das Gitter zu laufen. »Sie weiß nicht, wie man klettert, oder?« Rick schüttelte den Kopf.
»Probiere mal, mit ihr zu reden«, sagte ich.
Rick warf mir einen irritierten Blick zu. »Ist das dein Ernst?«
Ich versuchte, ernst auszusehen. »Ich muss sie genauer beobachten. Du redest und ich beobachte sie.«
Rick zuckte mit den Schultern und ging näher an den Zaun heran. Er rümpfte die Nase. »Wow, die stinkt ja gen Himmel. Ihre Haut ist schon ganz verrottet. Hey, Baby, ist dir nicht kalt? Wo sind denn deine Klamotten? Das sind aber ganz schön schlaffe Titten, die du da hast.« Er blickte kurz zu mir hinüber und grinste.
Plötzlich langte sie durch eine der quadratischen Öffnungen im Zaun und versuchte, Rick zu fassen zu kriegen, wobei sie ein grauenerregendes Stöhnen von sich gab. Rick sprang sofort zurück, legte sein Gewehr an und feuerte auf sie. Er traf sie mitten in den Bauch. Anschließend starrte er sie mit morbider Faszination an. »Hast du das gesehen? Sie stirbt nicht. Teufel, ich glaube, sie hat das noch nicht einmal gemerkt.«
Die Frau versuchte weiter, Rick in die Finger zu bekommen. Der Gewehrschuss hatte ihr Stöhnen nur kurzzeitig unterbrochen.
Auf einmal hob er den Zeigefinger. »Heilige Scheiße, ich kann es sehen! Guck mal, sie wurde gebissen!«
Dann entdeckte ich es auch. Da waren zwei deutliche, tiefe Bisswunden an ihrem rechten Arm und der Schulter. Ich machte einen Schritt nach vorn und versuchte, sie mir genauer anzuschauen. Ihre Haut hatte eine fahle, schuppige Färbung angenommen, ihre Augen waren blutunterlaufen und trüb. Strähnenweise fehlten Haare auf ihrer Kopfhaut, als würde sie langsam anfangen zu zerfallen. Sie hatte Kratzer am ganzen Körper, aber keiner davon schien zu bluten. Sie atmete sogar irgendwie, doch es war ein schmerzhaft klingendes Rasseln.
»Schieß ihr in den Kopf, Rick«, drängte ich ihn. Er blickte mich kurz an, grinste und jagte ihr eine 030-06er Kugel genau zwischen die Augen. Die Bewegungsenergie der Patrone in Verbindung mit der kurzen Distanz ließ ihren Hinterkopf in alle Richtungen explodieren. Sie ging augenblicklich zu Boden. Rick schob den Gewehrlauf durch den Zaun und stieß sie mehrmals damit an. »Ich würde sagen, die Blogs hatten recht, nur ein Kopfschuss kann diese Wesen aufhalten.«
Rick hielt plötzlich inne und starrte nur still vor sich hin. Nach einer Minute sprach er leise: »Das ist die Frau des Nachbarn.«
Ich runzelte die Stirn. »Wer?«, fragte ich.
»Das ist Susan Riggins. Henrys Frau«, meinte Rick. Ich starrte die Frau an. Da das meiste ihres Gesichts fehlte, konnte ich sie nicht wiedererkennen. Rick bemerkte meine Verwirrung. »An einem Juni-Nachmittag kam sie mal bei mir vorbei. Henry war wegen irgendetwas nach Dalton, Georgia, gefahren. Wir hatten ein paar Drinks zusammen und sind anschließend in der Kiste gelandet. Daher weiß ich, dass sie es ist. Siehst du die drei Muttermale in ihrem Schritt? Das ist sie ganz bestimmt.«
Ich schaute genauer hin. Jep, da waren drei Muttermale, jedes so groß wie ein Zehncentstück, angeordnet wie ein Kleeblatt. Sie sahen geschwollen und bösartig aus, aber das war nun auch egal, nehme ich mal an. Sie sah furchtbar aus. Der alte Ausdruck ›wie der Tod auf Latschen‹ war hier eine wirklich zutreffende Beschreibung.
Ich war ihr nur einmal begegnet. Ich weiß allerdings noch, dass sie lebendig auch nicht viel besser ausgesehen hatte. Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Ich bezweifle ernsthaft, dass es wieder so gut wird wie beim letzten Mal, aber wenn du mit ihr allein sein möchtest, verstehe ich das.« Rick lehnte sich zu mir hinüber und knuffte mich in meine empfindlichen Rippen. »Hat sie auch schon so schlimm gerochen, als du sie flachgelegt hast?« Er versuchte wieder, mich zu erwischen, aber ich war zu schnell für ihn.
Wir luden die Leiche hinten auf das Quad, fuhren sie zu einer nahegelegenen Senkgrube und steckten sie dann in Brand.