Читать книгу ZOMBIE RULES - David Achord - Страница 7
Meine Großmutter
ОглавлениеIch entdeckte Rick in seinem Truck und er winkte mir zu. Er hatte seine drei Hunde bei sich, die Moe, Larry und Curly hießen. Sie waren Streuner, die er gefunden und adoptiert hatte. Es war schwer, zu sagen, welche Rassenkreuzungen für ihre genetische Aufmachung verantwortlich waren. Wir nahmen zwar an, dass sie dieselbe Mutter hatten, konnten uns aber nicht sicher sein.
»Hey, Rick, was ist denn los?«, fragte ich, als ich angelaufen kam. Rick war ein angegrauter alter Vietnam-Veteran, der mit mir zusammen auf der Farm arbeitete. Technisch gesehen war er mein Chef. Er war bereits über sechzig. Ein hartes Leben, mit freizügigen Mengen Alkohol und Zigaretten, hatten tiefe Furchen in seinem sonnengeschädigten Gesicht hinterlassen. Es wirkte so, als hätte er sich, schon seit einer Woche nicht mehr rasiert. Felix kam kurze Zeit später nach und sagte ebenfalls Hallo. Doch Rick ignorierte ihn.
»Ich soll dich zum Krankenhaus bringen, deine Großmutter hatte einen Schlaganfall.« Er sah zu Felix herüber. »Dein warmer Bruder kann von mir aus auch mitkommen.« Felix begann zu protestieren, aber ich sprach zuerst.
»Was ist passiert?«, fragte ich entsetzt.
Rick sah mich an, als wäre ich bescheuert. »Das habe ich doch gerade gesagt. Sie hatte einen Schlaganfall.« Er starrte mich noch für ein paar Sekunden an, bevor er das Gefühl bekam, weiter ausholen zu müssen. »Die Briefträgerin hat sie im Garten gefunden und den Notarzt angerufen. Ich weiß nicht, warum sie dich nicht in der Schule angerufen haben, aber der Nachbar dachte wohl, du wärst auf der Arbeit und hat sich deshalb dort gemeldet. Ich habe den Anruf entgegengenommen.« Er sah sich um und nahm einen Schluck aus einem Halbliterfläschchen billigen Whiskeys. »Du steigst jetzt am besten ein und ich fahre dich zum Krankenhaus. Wenn wir dort mit den Ärzten gesprochen haben, sehen wir weiter.«
Felix verzichtete darauf mitzukommen und war einverstanden, meinen kleinen Ford Ranger Pick-up nach Hause zu fahren, ließ mich ihm aber versprechen, ihn sofort anzurufen, sobald ich mehr wüsste. Er klopfte mir aufmunternd auf den Rücken und trabte dann davon. Ich ging hinüber zur Fahrerseite. »Rutsch rüber, ich sollte fahren«, befahl ich ihm. Es war immer schwer, Ricks Grad der Nüchternheit oder die Abwesenheit davon einzuschätzen.
Rick grunzte. »Ich bin nich' betrunken, du Klugscheißer.«
»Komm schon, Rick, du hast gerade erst deinen Führerschein zurückbekommen. Du musst dich nicht schon wieder festnehmen lassen.« Rick grunzte erneut, gab aber nach dem obligatorischen Aufstand das Steuer in meine klugscheißerischen und nüchternen Hände ab.
Wir fuhren den ganzen Weg, ohne etwas zu sagen. Rick lauschte einem Radiosender. Der Moderator faselte gerade etwas von Regierungsverschwörungen. Ich hörte ihm gar nicht zu.
Oma war bewusstlos, als wir ankamen, und ich wurde direkt von einem Arzt abgefangen, bevor ich in ihr Zimmer gehen konnte.
»Wie geht es ihr, Doktor?«, fragte ich zögerlich. Er gab mir keine Antwort, zumindest nicht sofort.
»Sind Sie ihr einziger lebender Verwandter?«, fragte er mich dann plötzlich unverblümt. Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sind unter achtzehn, vermute ich, oder?«
Ich nickte. Er sah hinüber zu Rick, roch wahrscheinlich den Alkohol und richtete seine Aufmerksamkeit dann doch wieder auf mich. »Sie hatte einen heftigen Schlaganfall und hat vermutlich noch dazu eine Weile draußen gelegen, bevor sie gefunden wurde. Ihre Körpertemperatur war sehr niedrig, als sie eingeliefert wurde. In ihrem Alter und bei der schlechten Verfassung sieht die Prognose …«
Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich schaute an ihm vorbei in das Zimmer. Sie war an einige Monitore angeschlossen, hatte mindestens zwei Infusionen in den Armen und ein Schlauch befand sich in ihrem Mund. Sie sah schrecklich, schwach und sterblich aus.
Auf der Fahrt hierher war ich stark gewesen und hatte alles unter Kontrolle gehabt, doch jetzt nicht mehr. Ich fühlte Tränen in mir aufsteigen. Der Arzt legte tröstend seine Hand auf meine Schulter. »Sicher, dass es keine weiteren Familienangehörigen gibt, Sohn?«
Ich wischte über meine Augen. »Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ich noch klein war. Sie hat mich daraufhin aufgenommen. Mein Vater hat noch Verwandte irgendwo in Schweden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich diese erreichen soll. Es könnte auch noch ein paar Cousins geben, aber ich bin ihnen niemals begegnet.« Ich erzählte ihm nicht, dass die Familie meines Vaters ihn schon vor vielen Jahren enteignet hatte, noch bevor ich geboren wurde. Ich sah den Arzt an. »Unser einziges Einkommen kommt von meinem Job auf einer Farm und von Grandmas Sozialhilfe. Wir werden die Krankenhausrechnungen nie im Leben bezahlen können.«
Er hielt seine Hand in die Höhe. »Mache dir darum mal keine Sorgen. Wir haben Verfahrensweisen für mittellose Patienten.« Mein Mund zog sich bei dieser Bemerkung missbilligend zusammen. Meine Großmutter mittellos zu nennen, störte mich unglaublich, aber es war nun mal leider die Wahrheit. Teufel, sie und ich verfügten wahrscheinlich zusammen über nicht mehr als hundert Dollar. Sie besaß nicht einmal das Haus, in dem wir lebten. Ich hatte sogar schon darüber nachgedacht, die Schule zu schmeißen, um Vollzeit arbeiten zu können, aber sie hatte davon nichts hören wollen. Sie bestand darauf, dass ich die Schule beendete und aufs College ging.
Ich durfte die Nacht leider nicht in Omas Zimmer verbringen. Das Personal teilte mir auf höfliche, aber bestimmte Weise mit, dass ich nur in der Lobby sitzen durfte, zusammen mit den Familien der anderen Patienten. Rick hörte das und sagte: »Junge, willst du wirklich die ganze Nacht in einem Raum voller Fremder hocken?« Ich ließ den Kopf hängen. »Falls etwas passiert, passiert's sowieso. Da gibt es nichts, was du tun kannst. Komm mit mir zur Farm und bleib bei mir«, schlug er vor.
Ich gab irgendwann widerwillig nach. Wir teilten dem Arzt aber vorher noch unsere Telefonnummern mit. Ricks Gehirn zündete kurz durch, als er begriff, dass er jetzt trinken konnte, ohne sich darum sorgen zu müssen, von einem hart gesottenen Bullen angehalten zu werden, indem er einfach mich fahren ließ. Als wir den Parkplatz erreichten, warf er mir die Schlüssel zu und nahm einen unbekümmerten Schluck.
Schweigend fuhren wir nun zur Farm. Es hatte mal ein Tor am Eingang gegeben, aber jemand, eine gewisse Person namens Rick, hatte es nach einer durchzechten Nacht beim Veteranenverein aus Versehen umgefahren. Er hatte entweder vergessen, dass es da war, oder es war ihm einfach egal gewesen. Am Tag darauf hatten wir über eine Stunde gebraucht, um die ramponierten Überreste des Tors aus dem Fahrgestell seines Pick-ups zu befreien. Rick war Hausmeister, Vorarbeiter und Mann für Alles auf der Farm. Die Grundstückseigentümer waren ein älteres Ehepaar namens Parson. Ihnen gehörten zweihundert Hektar Land und sie hatten weitere zweihundert Hektar von den Nachbarn gepachtet. Rick leitete die Farm und ich arbeitete für ihn. Er bekam ein Gehalt und lebte außerdem mietfrei in dem alten Gehöft.
Rick ging hinein und schaltete ein paar Lampen an. Nachdem er das Feuer in Gang gebracht hatte, machte er es sich in seinem ramponierten Sessel bequem; während ich mich auf die Couch setzte. Wir hörten dem knisternden Holz in der bedrückenden Stille zu. »Willst du einen Drink?«, fragte er irgendwann. Ich hob daraufhin nur meine Augenbraue. Er kicherte und nahm einen kräftigen Schluck. »Willst du darüber reden, Junge?« Ich schüttelte den Kopf. »Schau mal, das Ganze nimmt dich ziemlich mit, das kann man sehen. Ich frage, ob du darüber reden willst, und du sagst selbstverständlich nein. Das ist die Stelle, an der ich dir gut zureden sollte, aber das werde ich lieber lassen. Wenn du alles in dich hineinfressen willst, dann ist das deine Entscheidung. Wenn du reden willst … ich gehe nirgendwo hin. Wir können die ganze Nacht reden.«
Er hatte ja recht. Ich schätze, ich wollte tatsächlich darüber reden. Zumindest ein bisschen. »Was soll ich jetzt nur machen, Rick?«
»Nun, Kleiner, man plant in solchen Fällen immer für den schlimmsten Fall, und man gesteht sich das Unvermeidliche ein. Unvermeidlich ist, dass deine Oma bald sterben wird«, sagte Rick in einem sachlichen Tonfall.
Daraufhin war ich erst einmal verdattert. »Woher willst du das wissen?«
»Teufel, Zach, wie alt ist sie? Vierundachtzig? Fünfundachtzig?«, fragte er. Ich bestätigte Letzteres. »Okay, sie ist fünfundachtzig Jahre alt und nicht gerade bei bester Gesundheit. Sie hatte einen Schlaganfall und fiel an einem kalten Tag in ihrem Garten um. Keine Ahnung, wie lange sie da draußen gelegen hat. Ich bin zwar kein Arzt, aber ich denke, dass ihre Chancen nicht allzu gut stehen, Junge.«
Ich nickte schweigend. Rick war ein alter Alkoholiker und er hatte seine Ecken und Kanten, aber er verfügte auch über eine Weisheit, die einem Leben auf der Straße und rauen Zeiten in Vietnam entsprang. Ich mochte ihn, denn er war locker drauf und auf seine eigene Art und Weise hatte er eine Menge Ratschläge für einen Jungen in meinem Alter. Meine Gedanken wurden auf einmal durch ein lautes Schnarchen unterbrochen. Der Alkohol hatte ihn für heute offenbar außer Gefecht gesetzt. Ich stand auf, nahm die Flasche aus seiner Hand und breitete eine Decke über ihn aus.
Mehrere Male versuchte ich, Macie anzurufen, aber ihr Handy war anscheinend ausgeschaltet. Ich hinterließ ihr mehr als eine Nachricht, dann rief ich irgendwann beim Krankenhaus an. Sie teilten mir mit, dass sich an Omas Zustand nichts verändert hatte. Ich versuchte es noch einmal bei Macie und versank dann schließlich in einen unruhigen Schlaf, während ich das Telefon fest mit meiner Hand umklammert hielt.