Читать книгу ZOMBIE RULES - David Achord - Страница 8
Der schlimmste Tag meines Lebens
ОглавлениеDie Sonne ging gerade erst auf, als ich erwachte. Ich checkte sofort mein Handy. Keine Anrufe, weder vom Krankenhaus noch von Macie. Beim Krankenhaus rief ich zuerst an. Man drückte sich dort sehr vage aus, aber es hieß zumindest, dass sich ihr Zustand nicht verändert hätte. Dann versuchte ich erneut, Macie zu erreichen. Ihr Handy war immer noch aus. Also rief ich Felix an. Der antwortete beim ersten Klingeln, aber er hörte sich noch reichlich verschlafen an.
»Wie geht es deiner Großmutter?«, fragte er sofort.
»Nicht gut. Ich gehe heute nicht zur Schule. Ich will lieber bei ihr im Krankenhaus sein.«
»Kein Problem, Kumpel. Ich werde den Direktor sagen, wo du bist. Gibt es sonst noch etwas, das ich für dich tun kann?«
»Ja, falls du Macie siehst, sagt ihr, sie soll mich so bald wie möglich anrufen. Ich habe schon die ganze Nacht und heute Morgen versucht, sie zu erreichen, aber ihr Akku muss leer sein oder so was.«
Felix stimmte mir zu und wir legten auf. Rick wachte auf, als ich telefonierte. Er grunzte und furzte wie, na ja, wie ein alter, verkaterter Mann. »Hey, würdest du mich wohl heimfahren? Ich muss kurz duschen und will dann zum Krankenhaus fahren.« Er reagierte nicht, sondern ging ins Badezimmer. Einen Moment später hörte ich ihn Wasser lassen, gefolgt vom Klang der Klospülung und dem laufenden Wasserhahn.
Einen Moment später kam er wieder heraus und nahm halbherzig die Schlüssel vom Küchentresen. Sein Gehirn war offenbar noch nicht bereit für verbale Kommunikation. Er zeigte zur Tür und lief dann hinaus.
Ich verbrachte den ganzen Tag bei meiner Großmutter. Sie sah heute sogar noch schlechter aus. Alt, müde und schwach. Ich hielt ihre Hand und redete mit ihr, aber sie regte sich nicht. Nicht ein einziges Mal.
Ich wünschte, sie würde mich hören. Dann hätte ich ihr gesagt, was für ein guter Mensch sie ist. Ich war erst zwei Jahre alt, als meine Eltern starben. Sie war da bereits alt. Sie hätte es zulassen können, dass mich der Staat in ein Pflegeheim steckte, aber sie hat mich sofort aufgenommen und von da an, für mich gesorgt. Sie hat mich niemals angeschrien, immer dafür gesorgt, dass etwas zu essen auf den Tisch kam, und hat es nie versäumt, mir zu sagen, wie sehr sie mich liebte. An meinem fünfzehnten Geburtstag hatte sie mir eine Sonderfahrerlaubnis besorgt und mich mit einem blauen Ford Ranger Pick-up überrascht. Er war gebraucht gewesen und hatte schon so einige Kilometer drauf, aber alles in allem war er in einem ganz ordentlichen Zustand. Sie hatte sich geweigert, mir zu sagen, was er gekostet hatte. Es war auf jeden Fall das beste Geschenk gewesen, das ich je bekommen hatte.
Die Stationsschwester, eine matronenhaft aussehende, dunkelhäutige Frau mit Brüsten wie Wassermelonen, tolerierte mich zwar für ein paar Stunden, scheuchte mich dann aber schließlich doch hinaus. Ich musste wohl schlimm ausgesehen haben, denn sie ordnete an, ich solle mich ausruhen und sie versprach mir im Gegenzug, mich sofort anzurufen, falls sich etwas ändern sollte. Ich war gerade dabei, aus der Tür zu gehen, als plötzlich die Alarmsignale an den Maschinen einsetzten. Die Schwester schob mich unsanft hinaus, als weiteres Personal in das Zimmer eilte.
Code Blue. Herzstillstand. Ich sah still und hilflos zu. Sie gaben sich wirklich Mühe, aber für Oma war es offenbar an der Zeit.
Ich verbrachte die nächste Stunde mit der Krankenhausverwaltung und einem Kaplan, der nebenbei in eine fortwährende SMS-Unterhaltung vertieft war. Sie waren zwar höflich, aber Arbeit blieb nun einmal Arbeit. Sie wollten von mir wissen, was mit Omas Leichnam geschehen sollte. Ich war größtenteils wie benebelt. Ich fühlte mich müde, gestresst und einfach nur elend. Ich wollte nichts weiter tun, als mein Mädchen zu sehen und sie in meinen Armen zu halten. Ich versuchte wieder, sie zu erreichen, doch sie ging nicht dran. Wenigstens war ihr Handy wieder an, also schickte ich ihr eine SMS. Dann rief ich Felix an und informierte ihn über die Lage.
»Oh, das tut mir so leid, Kumpel. Kann ich irgendetwas für dich tun?«, fragte er betroffen.
»Ja, du kannst Macie finden und ihr sagen, sie soll bitte an ihr verdammtes Handy gehen. Ich habe sie nämlich immer noch nicht erreicht. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Hast du denn überhaupt schon mit ihr gesprochen?« Felix blieb still. »Bist du noch da?«
Felix antwortete, doch seine Stimme klang plötzlich ganz anders. »Ja, ich habe mit ihr gesprochen. Hör mal, mache dir erst einmal keine Gedanken um sie. Gehe nach Hause und wir treffen uns dann dort, okay?«
»Was ist los, Felix?«
Nach ein wenig Diskussion rückte er schließlich mit der Sprache heraus. Er ließ nichts aus. Es schien so, als wüsste bereits die ganze Schule davon, aber ich hatte nichts davon geahnt. Macie war nun Jasons Freundin. Jason Argos, das wahnsinnig beliebte Sportass. Anscheinend hatten sie vor Kurzem miteinander auf einer Party rumgemacht, zu der ich zufälligerweise nicht eingeladen worden bin, und nun gingen sie offiziell miteinander. Ich legte auf und raste in Richtung Macies Haus.
Das war mein erster Fehler. Ich wurde angehalten, und versuchte es mit der Sympathie-Masche, indem ich dem Polizisten von dem Tod meiner Großmutter erzählte. Doch es funktionierte nicht. Er tadelte mich dafür, wie ein Irrer gefahren zu sein, und grinste, als er mir den Strafzettel für zu schnelles Fahren überreichte. Ich hielt mein Tempo von da an unten und nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich an ihrem Haus an. Sie war sogar da … genauso wie Jason und einige andere Leute. Alle von ihnen waren Oberstufler, keiner von ihnen war mit mir befreundet. Sie alle lungerten im Vorgarten herum, lachten und hatten offenbar ihren Spaß. Ein paar von ihnen hielten sogar Flaschen mit Bier in den Händen, sorgsam eingewickelt in braune Papiertüten.
Macie sah mich und lief schnell die Stufen zu ihrem Haus hinauf. Ich steuerte dennoch schnurstracks auf sie zu. Jason stellte sich zwischen uns, bevor ich ihr zu nahekommen konnte. »Aus dem Weg, du Arschloch. Ich muss mit Macie reden.«
Ich versuchte, ihn zu umgehen, aber wie ich schon sagte, Jason ist groß und äußerst muskulös. Größer als ich und mit definitiv mehr Muskeln bestückt. Er trat nun wieder vor mich und hielt eine Hand in die Höhe.
»Bleib bitte mal stehen und höre mir zu, Alter. Macie und ich sind jetzt zusammen. Es geht nicht gegen dich, es ist einfach so passiert. Solche Sachen passieren eben. Du solltest jetzt gehen.«
Ich starrte ihn an. Er wirkte aufrichtig, vielleicht sogar mitfühlend. Ich atmete tief ein und versuchte meine Gefühle in den Griff zu bekommen.
»Und? Wie lange geht das schon so zwischen euch beiden?«, fragte ich leise. Meine Stimme brach und ich zitterte. Ich konnte zwei von seinen Kumpeln sehen, die grinsend hinter ihm standen und auf mich zeigten, als wäre ich so eine Art Zirkusnummer. Irgendein Mädchen, das ich noch nie zuvor gesehen hatte, richtete sogar ihr Handy auf mich.
Jason seufzte. »Das läuft schon seit ein paar Wochen. Hör mal, Zach, das ist nicht Macies Schuld. Sie war einfach nur durcheinander. Sie mag dich ja, aber nur als Freund, okay? Das Beste, was du tun kannst, ist jetzt zu gehen. Macie wird dich anrufen und dir später alles erklären.«
Mein Körper war vollkommen taub. Ich konnte nichts mehr spüren als ein Engegefühl in meiner Brust. Macie weigerte sich sogar, mich anzusehen. Jason hob teilnahmslos die Hände. Ich war gerade im Begriff, mich umzudrehen und davonzugehen, als er schmunzelte.
Abgesehen von dem Polizisten hatte ich dieses Schmunzeln schon einmal gesehen. Felix, Macie und ich waren vor ein paar Monaten bei einem Baseballspiel der Schule gewesen. Jason hatte großartig geworfen. Nur einer der gegnerischen Spieler hatte einen Treffer unterbringen können, was noch dazu ein Homerun gewesen war. Ein paar Innings später hatte Jason ihn mit einem Wild Pitch am Kopf getroffen. Nach dem Spiel war ein Grüppchen von uns zusammengekommen und wir hatten dabei zugesehen, wie ein Lokalreporter ihn interviewte. Er hatte ihn nach dem Fehlwurf gefragt. Jason entschuldigte sich überschwänglich dafür. Er sagte, er hatte nur versucht, einen Slider zu werfen, der ihm dann aber misslungen war. Er fuhr damit fort, dass es ihm sehr leidtäte, den anderen Spieler verletzt zu haben und dass er für ihn beten würde. Der Reporter dankte Jason und drehte sich weg. Doch als der Reporter nicht mehr hinsah, schmunzelte Jason. Und zwar genauso, wie er jetzt schmunzelte.
Ich holte zum Schlag aus, ein Haken, von dem ich sicher war, dass er ihn umhauen würde. Doch er blockte ihn mit Leichtigkeit ab und reagierte mit einer Eins-Zwei-Kombination. Ich schlug auf dem Boden auf und fühlte mich benommen und gedemütigt. Das hätte schon ausgereicht. Ich war erledigt. Sobald die Sternchen vor meinen Augen verflogen waren, wollte ich nur noch aufstehen und zu meinem Pick-up zurückgehen, mit so viel Würde, wie ich noch aufbringen konnte.
Doch es sollte offenbar nicht sein. Während ich unten lag, beschlossen seine beiden Kumpel plötzlich, mitzumischen. Sie kamen angelaufen und begannen plötzlich, mich brutal zu treten. Das Letzte, was ich sah, bevor ich das Bewusstsein verlor, war Macie, die mich anblickte.
Es war der Tag vor Thanksgiving und damit mein sechzehnter Geburtstag, und ja, es war definitiv der schlimmste Tag meines Lebens.