Читать книгу ZOMBIE RULES - David Achord - Страница 9
Der Anfang
ОглавлениеIch kam im Krankenwagen wieder zu Bewusstsein. Ich fühlte mich vollkommen benebelt. Ich konnte noch gar nicht vollständig erfassen, was mit mir geschehen war. Das Einzige, was ich begriff, war, dass diese Krankenwagenfahrt zur nächsten Notaufnahme eine weitere Rechnung bedeutete, die ich nicht bezahlen konnte. Die Sanitäterin, eine attraktive Blondine, die mich an Macie erinnerte, stellte mir einfache Fragen, zum Beispiel, wie mein Name lautete, welcher Tag heute war, und ob ich irgendwelche ansteckenden Krankheiten hätte. Als sie fertig war, lächelte sie und drückte aufmunternd meine Hand. Ich schätzte mal, dass ich zufriedenstellend geantwortet hatte.
Das Personal in der Notaufnahme war sehr nett, aber in Eile. Der Ort war schließlich voller Patienten. Sogar der Polizist, derselbe, der mir den Strafzettel verpasst hatte, war sehr höflich, als er den Bericht meines tätlichen Angriffs aufnahm. Er war sogar nett genug, jedes Mal seinen Kopf wegzudrehen, wenn er husten musste. Ich hatte mehrere Prellungen, ein blaues Auge, das bereits zugeschwollen war, eine leichte Gehirnerschütterung, ein oder zwei gebrochene Rippen und meine Hoden fühlten sich an, als hätte sie jemand mit einem Vorschlaghammer bearbeitet.
Der Arzt sagte, ich würde das Ganze überleben, aber noch eine ganze Weile Schmerzen haben. Wenn er nur gewusst hätte, wie sehr er damit recht hatte. Er stellte mir ein Rezept für ein paar Schmerzmittel aus und entließ mich. Ich war nicht versichert und fragte mich, ob das einen Unterschied bei meiner Behandlung ausmachte.
Felix und sein Vater warteten auf mich, als der Pfleger mich in einem Rollstuhl herausschob.
Felix … was für ein Freund. Er hatte innerhalb von Minuten gehört, was passiert war. So was verbreitete sich schnell in der Schule. Er hatte daraufhin Macie angerufen, die gnädig genug gewesen war, ihn zu informieren. Er und sein Vater fuhren daraufhin zu ihrem Haus, um meinen Pick-up zu holen, und eilten dann zur Notaufnahme.
Die beiden starrten mich mit mitleidigen Blicken an. Mr. Stewart war ein älterer Klon seines Sohnes. Tatsächlich sah er aus wie Mr. Magoo. Sie trugen beide die gleichen Brillen, hatten den gleichen Körperbau und sogar ihre Frisuren waren identisch. Sie halfen mir behutsam zu meinem kleinen Ford Ranger und Felix fuhr mich schweigend nach Hause. Ich hielt meine Augen während der Fahrt geschlossen, um die Schmerzen zu lindern und unnötige Konversation zu vermeiden.
»Okay, Kumpel, wir sind jetzt zu Hau… oh Scheiße«, stieß Felix hervor. Ich öffnete meine Augen nun doch und schaute hinaus. Jemand hatte beschlossen, mir noch einen reinzuwürgen. Sie hatten ausgewählte Graffiti auf die vordere Fassade des Hauses gesprüht. Sagen wir einfach, es waren ein paar abfällige Bemerkungen bezüglich meines Geschlechts, meiner sexuellen Orientierung und meines Penis. Sehr nett. Ich schätze mal, damit seine Großmutter zu verlieren, sammelte man heutzutage nur noch wenig Sympathiepunkte.
Mr. Stewart parkte auf der anderen Straßenseite und wartete. Er schien die Graffiti nicht gesehen zu haben. Felix starrte fassungslos auf den Vandalismus. »Mann, das ist so richtig mies. Warum haben die das nur gemacht?« Er schüttelte empört den Kopf. Das hätte ich auch gemacht, wenn mein Schädel nicht so geschmerzt hätte.
»Soll ich über Nacht bei dir bleiben? Papa hätte bestimmt nichts dagegen und ich kann dann auch versuchen, das hier sauberzumachen.« Er sah mich mit diesen großen, mitleiderregenden Augen an, als wäre er derjenige, der gerade eine Tracht Prügel bezogen hatte.
Ich schüttelte den Kopf, was die Schmerzen nur noch verschlimmerte. »Ich weiß das zu schätzen, Felix, wirklich. Aber ich möchte einfach nur ein Weilchen allein sein.« Ein Klopfen am Fenster des Pick-ups unterbrach und erschreckte mich. Ich vermutete, dass ich noch immer unter Schock stand. Ich drehte meinen Kopf schnell zur Seite, was einen stechenden Schmerz durch meinen gesamten Körper fahren ließ.
Es war Felix' Vater. Als ich unter großen Schwierigkeiten das Fenster herunterkurbelte, klopfte er mir auf die Schulter und schlug vor, ich solle ein paar Klamotten zusammensuchen und das Wochenende bei ihnen verbringen. Immerhin war morgen Thanksgiving. Doch ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, Mr. Stewart, aber ich will einfach nur noch ins Bett. Ich werde Felix morgen anrufen, wie wäre es damit?« Er setzte an, mit mir zu diskutieren, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen nickte er nur traurig und ging zurück zu seinem Auto. Ich musste Felix versprechen, ihn sofort anzurufen, falls etwas sein sollte, und dann gab er mir einen seiner üblichen Klopfer auf die Schulter, was eine weitere Schmerzwelle durch meinen Körper zucken ließ.
Ich schaffte es ohne allzu viel Schmerzen ins Haus und anschließend ins Bett. Ich lag gerade und sah fern, als mein Handy klingelte. Ich schaute auf die Rufnummer. Es war Macie! Mein Verstand sagte mir, dass ich nicht drangehen sollte, aber mein Herz gewann irgendwann die Oberhand.
»Bist du okay?«, fragte sie.
»Wow, was für 'ne blöde Frage. Was glaubst du denn, Macie? Lass mal sehen … meine Großmutter ist gerade gestorben, du reißt mir das Herz raus, ich werde verprügelt und als ich von der Notaufnahme heimkomme, sehe ich, dass irgendein unreifer Idiot mein Haus mit einer Sprühdose beschmiert hat. Was glaubst du? Glaubst du, ich bin okay?«
Sie antwortete nicht. Irgendetwas sagte mir, dass sie von den Graffiti bereits wusste. Ich ließ die Stille eine Weile andauern. »Also, wirst du mir sagen, warum das alles geschehen ist? Oder soll ich dich für den Rest meines Daseins für ein bitterböses Miststück halten?«
»Das ist nicht fair, Zach«, antwortete sie in einem tadelnden Tonfall, so als ob sie wirklich dachte, dass all das tatsächlich meine Schuld wäre.
»Dann erleuchte mich bitte.« Ich hätte gar nicht erst fragen sollen. Falls ich mich recht erinnerte, sagte sie mir, ich sei arm, unreif, ein Versager und würde nichts aus meinem Leben machen. Ich würde mich nur selbst belügen mit der Hoffnung auf ein volles Stipendium mit einem so albernen Sport wie Leichtathletik. Sie sagte außerdem noch ein paar Dinge, die mein Selbstvertrauen erfolgreich noch tiefer sinken ließen, aber ich erinnerte mich im Nachhinein nicht mehr an alle Beleidigungen. An irgendeiner Stelle dieser einseitigen Konversation schaltete mein Gehirn offenbar endlich auf Durchzug.
Ich hörte schweigend zu, und als sie fertig war, legte ich auf, ohne ein Wort zu sagen. Sie schickte mir ein paar Minuten später eine SMS.
Es ist einfach besser so. Hasse mich bitte nicht.
Ich hasste sie nicht, ich liebte sie, was es nur noch schlimmer machte. Ich weinte ein wenig und schlief dann während einer Nachrichtenmeldung über einen schlimmen Grippeausbruch im Mittleren Osten ein. Ich bekam gerade noch mit, dass der Berichterstatter die Leute an die Grippeimpfungen erinnerte.
Ich träumte schlecht. Ich träumte von Leuten, die mich jagten und schlugen. Ich träumte, wie ich Macie und Jason beim Sex erwischte. Sie wurden von ihrer fleischlichen Ekstase förmlich verzehrt. Ich schrie Macie an, woraufhin Jason mich ansah und schmunzelte. Ich wachte ruckartig auf, was mir den Schmerz umso mehr in die Glieder fahren ließ.
Ich schaffte es letzten Endes bis zum Morgen. Dann mühte ich mich aus dem Bett und sah, dass mehrere Textnachrichten auf meinem Handy warteten. Mein Herz schlug einen Moment schneller. Aus irgendeinem dummen Grund dachte ich, dass es vielleicht Macie war, die mich anflehte, ihr zu verzeihen. Wie gesagt, dumm, sehr dumm.
Die Anruferkennung zeigte, dass die Rufnummern unterdrückt worden waren. Die erste SMS war ein Link zu einem YouTube-Video. Die darauffolgenden Nachrichten waren nur eine Reihe von lol lol lol!
Ich klickte auf den Link. Darin war ich zu sehen, wie ich noch einmal verprügelt wurde. Ich sah zu, wie ich versuchte, Jason zu treffen. Ich erkannte die Wut in seinem Gesicht, als er meinen Schlag blockte und mich umhaute. Dann kamen seine Freunde heran und fingen an, mich zu treten. Zu meiner Überraschung schob Jason sie irgendwann zur Seite und wies sie an, aufzuhören. Da war irgendein Ausdruck in seinem Gesicht … Besorgnis vielleicht? Ich schätze, ich sollte dankbar dafür sein. Wenn die beiden nicht aufgehalten worden wären, wäre ich wahrscheinlich in sehr viel schlechterer Verfassung.
Macie hatte die ganze Zeit nur auf dem Treppenaufgang gesessen, eine Zigarette geraucht und mit einer Art gelassener Gleichgültigkeit dabei zugesehen.
Ich weinte daraufhin noch etwas mehr. Meine Selbstachtung war nun offiziell tiefer gesunken als Walscheiße am Boden des Ozeans.
Nach einer Weile schleppte ich mich aus dem Bett, sah von einer Dusche ab und verbrachte eine vergebliche halbe Stunde mit dem Versuch, die Hauswand von dem Graffito zu befreien. Ich hatte eine Scheuerbürste und einen Eimer mit heißem Wasser und Allzweckreiniger, aber ich konnte nicht mehr als ein paar Sekunden schrubben, bevor die Schmerzen mich dazu zwangen, eine Pause einzulegen. Letzten Endes gab ich auf. In meiner derzeitigen Verfassung hatte ich weder die Kraft noch die Energie für so etwas. Ich ging rein und legte mich wieder hin.
Schätzungsweise zehn Minuten später klingelte es an der Tür, genau zu dem Zeitpunkt, als ich gerade am Einnicken war. Natürlich pochte mein Herz, denn ich dachte, es wäre vielleicht Macie. Ich mühte mich aus dem Bett. Doch nein. Es war Felix. Er hatte einen großen Korb voller Essen, Getränke und seine Xbox dabei. Er machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf, was mir zu verstehen gab, dass ich aus dem Weg gehen sollte, und begab sich in die Küche.
»Ich habe meinen Eltern gesagt, dass du auf keinen Fall rüberkommen würdest, also hat meine Mom uns einfach etwas zu Essen gemacht, und du wirst es nicht glauben, aber mein Dad hat uns sogar etwas Bier darunter geschmuggelt! Hast du schon gesehen?«, fragte Felix. Ich schüttelte den Kopf. Er machte uns nun ein paar Erdnussbutter-Sandwiches. Normalerweise hätte ich gelächelt, aber ich brachte es einfach nicht über mich.
»Du setzt dich jetzt hin, isst dein Sandwich und lässt es ruhig angehen. Ich werde draußen die Farbe abschrubben. Mach dir keine Sorgen, dein alter Kumpel Felix ist jetzt da.«
Felix kämpfte daraufhin mehrere Stunden mit der Farbe. Er schaffte es, alles zu entfernen, aber nun waren lauter verfärbte Flecken auf der Hausverkleidung, die etwas heller als der Rest waren. Wenn man genau hinsah, waren die Worte immer noch zu erkennen. Irgendwann loggte ich mich auf meiner Facebook-Seite ein. Ich war nicht allzu überrascht, abfällige Kommentare dort vorzufinden. Oh, und Macie war nicht mehr länger in meiner Freundesliste. Keine große Überraschung. Ich las die Kommentare … manche waren unterstützend, andere ziemlich grausam. Felix kam rein, als ich mir das Ganze anschaute. Er sah über meine Schulter auf den Bildschirm und seufzte. »Tut mir echt leid, Kumpel. Die Leute können manchmal ganz schön scheiße sein.«
»Das ist doch nicht deine Schuld, Felix. Nicht deine Schuld.« Ich hielt die Tränen zurück, löschte meinen gesamten Account und schaltete den Laptop aus.
Wir verbrachten den Rest des Tages damit, zu essen und fernzusehen. Irgendwann schnappte sich Felix die Fernbedienung und drehte die Lautstärke auf. »Hey, guck dir das mal an.« Es war ein Sonderbericht. Die Nachrichtensprecherin, eine junge brünette Frau mit einer netten Oberweite, einem großen Mund und strahlend weißen Zähnen, berichtete über das Grippevirus.
»Berichte aus dem Mittleren Osten weisen auf einen tödlichen Virenstamm hin, der bereits das Ausmaß einer landesweiten Epidemie erreicht hat. Krankenhäuser und Kliniken geben an, von Patienten überrollt zu werden. Wir sind mit dem CNN-Auslandskorrespondenten, Jim Denzing nun live in Kairo. Jim?«
Das Bild wechselte zu einem attraktivem, aber mitgenommen aussehenden Mann, der in einer chaotischen Notaufnahme zu stehen schien. Sein Hemd war mit Schweiß getränkt und seine Krawatte gelockert. Er hatte sich offenbar schon seit einigen Tagen nicht mehr rasiert, aber der Look stand ihm irgendwie. Man hörte nun Sirenen und im Hintergrund konnte man Männer in Uniformen sehen. Sie trugen Sturmgewehre und rannten in alle möglichen Richtungen. Es sah absolut chaotisch aus.
Es gab eine vorübergehende Pause, während der Satellit Jim die Anweisung übertrug zu reden. »Lacy, der beste Ausdruck, um zu beschreiben, was hier gerade vor sich geht, ist ein wildes Durcheinander. Unaufhörlich strömen den ganzen Abend Patienten hierher und es ist kein Ende in Sicht. Wir haben unbestätigte Berichte, dass manche der Patienten sehr gewalttätig sind, und die Soldaten mussten wohl auch schon schießen. Es ist nur wenig über den Ausbruch bekannt oder warum alles so schnell eskaliert ist.« Jim hielt einen Moment inne und griff dann an seinen Ohrhörer.
»Okay, ich werde gerade gefragt, ob dieses Grippevirus schon Todesopfer gefordert hat. Wir haben das medizinische Personal vor Ort befragt und sie haben uns an das Militär verwiesen, was wiederum die Auskunft verweigert hat. Die Antwort bleibt deshalb unklar, aber es wird angenommen, dass die Todeszahlen bereits recht hoch sind.« Plötzlich war das Geräusch von Geschützfeuer außerhalb des Bildes zu hören und Jim duckte sich instinktiv.
»Es tut mir fürchterlich leid, Lacy. Was Sie und unsere Zuschauer gerade nicht sehen können, scheint eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Soldaten und ein paar Zivilisten zu sein. Wir werden die Kamera herumschwenken, um das Ganze ins Bild zu bekommen. Ich muss die Zuschauer allerdings warnen, dass dies eine Liveübertragung ist und es deshalb zu verstörenden Bildern kommen kann.« Die Kamera drehte sich nun um annähernd hundertachtzig Grad. Die Soldaten wurden tatsächlich angegriffen und das in absolut brillanten Farben. Sie schossen zurück, und obwohl die angreifenden Leute unbewaffnet waren, schienen die Soldaten den Kampf zu verlieren. Die Übertragung dauerte noch etwa fünf Sekunden an, bevor das Bild schließlich ausfiel. Die letzte Einstellung zeigte mehrere Barrikaden, die von einem Schwarm von Leuten überrannt zu werden schienen.
»Das ist echt kranker Scheiß, Mann«, sagte Felix erschrocken und wechselte den Sender. Wir verbrachten den Rest des Abends damit, Ironman-Filme zu sehen und mit der Xbox zu spielen.
Meine Großmutter wurde am Montag nach Thanksgiving beigesetzt. Ihr Pfarrer hielt den Gottesdienst ab. Die Gemeinde der Kirche, zu der sie nur unregelmäßig gegangen war, hatte für eine einfache Beerdigung und eine anschließende Einäscherung gesammelt. Es waren nur wenige Leute anwesend. Felix und seine Eltern waren natürlich da und manche der alten Knacker, die meine Großmutter seit einigen Jahren gekannt hatten. Ich kannte nicht alle von ihnen persönlich, dennoch begrüßte ich sie und dankte ihnen für ihr Kommen. Ich versuchte, höflich zu sein, aber ich schwöre, jeder Einzelne von ihnen hustete und keuchte. Nichts ist ekelerregender als ein alter Mensch mit schleimigem Husten. Ich hielt wohlweislich Abstand von ihnen. Ich kämpfte mich halbwegs gut durch, glaube ich. Ich hatte gehofft, Macie würde auftauchen. Dann hätte sie gesehen, wie sehr ich litt, und hätte mich trösten und mich um Vergebung anflehen können. Doch sie kam nicht.
Als ich es nicht mehr aushielt, schlich ich in ein leeres Büro, verriegelte die Tür und weinte für eine Stunde im stillen Kämmerlein.