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Einer seiner Hauptgründe für die Reise war ein Treffen der British Association for the Advancement of Science (BAAS) in Hull. Er hoffte, dort John Tyndall zu treffen, der 1853 von der Royal Institution of Great Britain zum Professor für Naturkunde ernannt worden war (was ihn bald zu einem weithin bekannten Wissenschaftler machte). Tyndall hatte in Marburg mit Bunsen und Knoblauch studiert. Nach seiner Promotion dort im Jahre 1850 arbeitete er im Frühling 1851 in Magnus’ Labor, wo er sich mit einigen aus Helmholtz’ Umkreis anfreundete. Von du Bois-Reymond erhielt Tyndall Helmholtz’ Text zur Erhaltung der Kraft mit der Bemerkung, er stamme vom größten Denker Europas seit Jacobi, Tyndall möge ihn doch bitte ins Englische übersetzen.34

Auf seiner Reise Anfang August nach England legte Helmholtz Zwischenstopps in Berlin und Potsdam ein, um Familie, Freunde und Kollegen zu treffen. Zuerst besuchte er Müller (»er war sehr freundlich gegen mich«), dann Poggendorff (»er war sehr zuvorkommend«), schließlich August Karl Krönig, einen ehemaligen Studenten Magnus’, der neuer Herausgeber der Fortschritte der Physik war und später (nach 1856) die kinetische Gastheorie mitentwickelte. Helmholtz bereitete für Krönig einen Bericht über seine neuesten Untersuchungen zur Akustik vor, und Krönig bat ihn um einen weiteren zur Theorie der Wärme. Zwischen 1847 und 1859 veröffentlichte Helmholtz insgesamt elf Artikel zu diesen Themen und war damit einer der wichtigsten Beiträger der Zeitschrift (und also auch der Physikalischen Gesellschaft). Helmholtz suchte seinen Schneider auf: »Dort bestellte ich mir einen schwarzen feinen Überrock und weiße Weste; beide sind sehr wohl gerathen.« Außerdem bestellte er, ebenfalls Teil seiner Reisevorbereitung, Visitenkarten. Um sich zu entspannen, ging er in Johann Nestroys Posse Kampl oder das Mädchen mit Millionen und die Näherin.35

Er aß in Berlin bei Magnus zu Abend. »Das Diner war sehr fein, mit Champagner«, und zu den Gästen gehörten der Berliner Chemiker Heinrich Rose und kein Geringerer als Tyndall, »ein sehr talentvoller junger Mann« und für Helmholtz natürlich der interessanteste Gast des Abends. Leider werde er nicht in England sein, wenn Helmholtz dort sei. »Ich hatte eigentlich auf seine Hülfe gerechnet; doch bekomme ich von ihm nun Anweisungen und Empfehlungen, die mir auch nützen werden.« Nach dem Abendessen gingen die beiden im Tiergarten spazieren, und wenngleich Tyndall »ziemlich gut deutsch« sprach, unterhielten sie sich auf Englisch. »Es war mir sehr angenehm, daß ich ihn verstand, wenn er nicht zu schnell sprach«, bemerkte Helmholtz, »und er lobte meine Aussprache, als sehr gut.« Im Gegenzug setzte er ihm einige physikalische Themen auseinander.36 Es war der Beginn einer Freundschaft.

Am nächsten Tag besuchte er Dove, der ihm »von den Berlinern die besten Empfehlungsschreiben geben« konnte, »wozu er auch gleich bereit war«. Er versuchte, sich an jenem Nachmittag erneut mit Tyndall zu treffen, lief aber Graefe über den Weg, der ihm seine neuesten ophthalmologischen Erkenntnisse unterbreitete und »viele Schmeucheleuen« für Helmholtz’ Augenspiegel übrig hatte. Auch Wiedemann traf er, der ihn zum Abendessen zu sich einlud. Sie tranken Bier, aßen »warmes Fricassee, kalte Mehlspeisen und Butterbrod« und unterhielten sich mit vielen interessanten Menschen (darunter »eine Menge wohlgebildeter, geschmackvoll angezogener und sich sicher fühlender Frauen«).37

Am nächsten Morgen stellte er sich bei Karl Otto von Raumer vor, der dem konservativen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten Preußens vorstand. Danach besuchte er eine Gemäldeausstellung des Kunstvereins, wo ihn Menzels König Friedrichs II. Tafelrunde in Sanssouci aufs Neue beeindruckte sowie Hans Frederik Gudes Sommerabend auf einem norwegischen Binnensee. Er ging noch Schulze im Ministerium besuchen, der »äußerst gnädig« war und ihn wissen ließ, dass er gleich eine Zulage bekommen werde, sobald das Ministerium über mehr Geld verfüge; er hoffe nur, Helmholtz werde in Königsberg bleiben. »Als ich das Klima tadelte, sagte er, es müsse mir doch vortrefflich bekommen, nach meinem Aussehen zu schließen.« Nachmittags machte Helmholtz sich zu seinem Onkel auf und sang ein Duett mit seinem Bruder Otto: »Er hat eine sehr gute Stimme, und singt manches recht hübsch; hat sich aber, wie es scheint, ganz auf die sentimentalen Lieder geworfen.«38

Bevor er aus Berlin losfuhr, gab er Krönig seinen Artikel für die Fortschritte und bekam von Dove zwei Empfehlungsschreiben, zwei weitere von Magnus und ein Diplom von Rose, das er August Wilhelm Hoffmann, dem deutschen Direktor des Royal College of Chemistry in London, überbringen sollte. Helmholtz ging vor seiner Abreise noch ins Neue Museum, wo er sich vor allem für Kaulbachs Die Blüte Griechenlands interessierte, eins von sechs großen, historischen Wandgemälden, die er für das Museum gemalt hatte. Schließlich traf er sich noch mit Tyndall zum Mittagessen, und sie spazierten durch den zoologischen Garten. »Wir sprachen die ganze Zeit englisch, über alle schwierigsten Fragen der Physik; er ist ein sehr liebenswürdiger, bescheidener und klarer Kopf.« Von Tyndall erhielt er mehrere Empfehlungsschreiben.39

Abends quälten ihn furchtbare Zahnschmerzen, die sich auf den nächsten zehn Tagen seiner Zugreise durch Deutschland und sogar noch nach seiner Ankunft in London verschlimmerten. Von Berlin aus fuhr er jedoch erst einmal nach Halle, um sich unter anderem mit dem Physiologieprofessor Volkmann zu treffen. Vor ungefähr einem Jahr hatte Helmholtz seine Schwierigkeiten mit ihm gehabt. Nun standen die Dinge anders, und Helmholtz mochte ihn, »obgleich er sich mitunter in falsche mechanische Vorstellungen hineinreitet, und mich mehrere Male in Verlegenheit setzte, wie ich mich herausreden sollte, ohne die Unwahrheit zu sagen, und ohne ihn zu kränken.« Dennoch verbrachte Helmholtz einen schönen Abend mit ihm und seiner Familie, »die Frau scheint klüger zu sein, als er, hänselt ihn z. B. mit dem Tischrücken, wodurch er sich ein wenig hatte bethören lassen.« Tischrücken war wohl gerade in Mode: Helmholtz hatte kürzlich du Bois-Reymond erzählt, dass man Arbeiten zur tierischen Elektrizität damit in Verbindung gebracht hatte. Von einer gebildeten Dame hatte er auch gehört, dass die Forschungsergebnisse über die negative Variation von elektrischen Strömen in Nerven als ein äußerst törichter Beweis für die Unsterblichkeit der Seele verwendet wurden.40

Abends fuhr er nach Frankfurt weiter. Es war so kalt, dass seine Zahnschmerzen zurückkamen. Er behalf sich damit, dass er sich »in Schawl und Mantel gewickelt auf die Sonnenseite des Wagons setzte«, bis er gehörig schwitzte, »danach hörten sie auf«.

Er aß im eleganten Hotel Landsberg. »Ich bin sonst nicht eben empfindlich gegen Gasthofluxus; wenn es aber so wohl eingerichtet ist, wie hier, ist er doch nicht unangenehm«, schrieb er an Olga. Nach »einem meist langweiligen Concerte« hörte er »ein höchst großartiges Fragment aus einer hinterlassenen Oper von Mendelssohn, Lorelei«.41

Helmholtz nahm einen frühen Zug nach Mainz und traf auf englische Touristen. Ihre Gesellschafterin erschien ihm gebildet, sie gehörten selbst aber wohl »nicht zur crème«. Von Mainz aus fuhr er mit dem Dampfschiff den Rhein entlang (»zu schön«). Es war »der Gipfel der Romantik« und übertraf seine geringen Erwartungen an die Rheinlandschaft um einiges. Später in Bonn fand er ein Hotelzimmer mit schönem Flussblick und beobachtete begeistert die Passagier-Dampfschiffe und die mit Kohle beladenen Schleppdampfer. Seine Bemühungen, sich an der Universität mit dem Physiologen Julius Budge zu treffen, verliefen im Sande, und er suchte stattdessen unangekündigt den Physiker der Universität, Julius Plücker, der auch Mathematiker war, zu Hause auf. Er war nicht anzutreffen, dafür aber seine hübsche, kluge Frau – »nur nicht so, daß Du eifersüchtig werden müßtest«, ließ Helmholtz Olga wissen. Mit Helmholtz kam gleichzeitig auch August Beer an, ein junger Physiker und Mathematiker, ehemals Student bei Plücker und, wie Helmholtz (richtig) vermutete, Jude. Helmholtz zufolge hatte Beer »recht gute optische Arbeiten gemacht«. Als Plücker nach Hause kam, war er ganz müde von der Arbeit und öffnete Helmholtz zu Ehren einen guten Weißwein. Der schien den Gastgeber wieder zu beleben, während Helmholtz einen neuen Schub Zahnschmerzen erlitt (was ihm eine schlimme Nacht bescherte). Am nächsten Morgen zeigte Plücker ihm sein Labor. Hemholtz’ Zahnschmerzen zwangen ihn, seine Weiterreise nach Köln um einen Tag zu verschieben.42

Von Köln aus ging es weiter nach Ostende, unterwegs lernte er zwei »tractable« Schwestern aus England kennen. Von Ostende aus fuhr er mit dem Dampfer weiter, sechs regnerische, windige Stunden waren es bis nach Dover, ab da reiste er mit dem Schnellzug nach London – »Die Engländer fahren wie die Teufel« –, wo er um sechs Uhr morgens ankam. Ganz begeistert war er vom englischen Rasen. Später aß er bei Christian K. J. Freiherr von Bunsen zu Abend, einem gut vernetzten Diplomaten, Gelehrten und Liberalen, der als preußischer Gesandter in London weilte. Königsberg war fern, und da er von London aus nicht im Detail über Olgas gesundheitliche Situation informiert bleiben konnte, erteilte er ihr ausnahmsweise keinen ärztlichen Rat.43

In London

London war für Helmholtz ein großes Babylon; in puncto Größe und Kultur war selbst Berlin »ein Dorf gegen London«. Helmholtz erkundete die Stadt alleine zu Fuß. Ihm gefielen die weitläufigen Grünflächen, er schaute den Lords beim Reiten zu und wie sie ihre Kutschen die abgezäunten Wege entlanglenkten. Alle Menschen, die Helmholtz in den Parks sah, erschienen ihm ausgesprochen gesund und gut angezogen. Letzteres galt selbst für die Kindermädchen, mit »einer Tournüre, wie sie sich manche preußische Comtesse wohl wünschen könnte«. Londons wundervolle Parks und all das Grün wogen in seinen Augen die Nachteile auf, die eine große Stadt mit sich brachte. Die Häuser des West End seien tagsüber zwar nicht schön anzuschauen, nachts wirkten sie jedoch elegant. Helmholtz genoss außerdem den Luxus, dass im Gegensatz zu Berlin hier ständig bequeme Busse verkehrten. Er fühlte sich wie zu Hause.44

Um Geld zu sparen, zog er aus dem Hotel aus und mietete zwei Zimmerchen. Er aß an diesem Tag gemeinsam mit zwei deutschen Orientalisten bei Freiherr von Bunsen zu Mittag, alles war vom Feinsten. Bunsen fand er etwas eitel – er versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass er gut mit Faraday bekannt war, was Helmholtz nicht glaubte –, jedoch sehr zuvorkommend ihm gegenüber. Er verfasste sogar unaufgefordert ein Empfehlungsschreiben für den Zoologen Richard Owen.45

Am Abend schaute er sich Byrons Sardanapalus an, eine beliebte Tragödie über einen assyrischen Kaiser. Die Kostüme, die Kulissen und weitere mechanische Elemente der Produktion beeindruckten Helmholtz, wenngleich er nur einen Bruchteil des Stücks verstand. Es wurde »trotz des übertriebenen, heulenden und kreischenden Pathos der Engländer nicht schlecht gespielt«. Das Publikum hielt er für völlig geschmacklos in seiner Wertschätzung von Musik, Drama und darstellenden Künsten: Geschmack schien hier nur eine Frage des Nutzens zu sein.46

Am nächsten Tag ging er ins British Museum und sah Austen Henry Layards archäologische Grabungsfunde aus Ninive und Lord Elgins Stücke aus dem Parthenon. Die riesigen assyrischen Stiere mit ihren Menschenköpfen hatten Helmholtz zufolge »die schönsten Judengesichter«. Ihren Stil fand er viel beeindruckender als die ägyptische Kunst und erachtete sie den besseren Werken der alten Griechen ebenbürtig. Die Stücke aus dem Parthenon hingegen machten wenig Eindruck auf ihn, da sie so beschädigt waren.47

Eigentlich wollte er am nächsten Tag Owen sehen, konnte ihn jedoch nicht antreffen. Stattdessen wurde er in der Royal Institution bei Faraday vorstellig, dem »gegenwärtig ersten Physiker Englands und Europas«. Helmholtz war von Faraday begeistert: »Er ist einfach, liebenswürdig und anspruchslos, wie ein Kind; ein so herzgewinnendes Wesen habe ich an einem Manne noch nie gesehen.« Zudem sei er »äußerst zuvorkommend« gewesen und habe Helmholtz alles gezeigt, was es in seinem Labor zu sehen gab. »Das war aber wenig, denn einige alte Stücke Holz, Drath und Eisen schienen ihm zu den größten Entdeckungen zu genügen.« Nach diesem Treffen besuchte Helmholtz eine Ausstellung, in der es einen riesigen, drei Stockwerke hohen Erdglobus zu sehen gab. Man konnte das Innere der Kugel betreten, um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen – Helmholtz sah darin aber weniger einen Erkenntnisgewinn als einen Versuch, möglichst viele Leute anzulocken. Abends ging er in den zoologischen Garten, wo ihn die exotischen Tiere sehr beeindruckten, aber vielleicht am allermeisten ein Haus mit Glasbottichen voller Meerestiere, »so daß man die Bestien, die man sonst nur als Leichen zu Gesicht bekommt, hier in ihrem geheimsten Treiben sieht«.48

Nachdem er acht Tage in London verbracht hatte, fuhr Helmholtz mit dem Dampfboot die Themse stromaufwärts Richtung Hampton Court, dem alten Schloss Kardinal Wolseys und Heinrichs VIII. Viele seiner Mitreisenden gehörten der Arbeiterklasse an, die Frauen an Bord seien indes hübsch und recht gut angezogen gewesen. Nach seiner Beobachtung gab die Kleidung auch in London keinen Hinweis darauf, welcher Schicht eine Frau angehörte – wo sich doch jedermann so fein anzuziehen scheine und die englischen Frauen sich allgemein durch ihren schönen Teint und volles braunes Haar auszeichneten. Er berichtete weiter von der Gemäldesammlung in Hampton Court mit ihrem holländischen Schwerpunkt, zu der aber beispielsweise auch Benjamin Wests großartiger Tod des General Wolfe bei Quebec gehörte. Alles in allem fand Helmholtz die Sammlung freilich eher »unbedeutend« und enttäuschend. Während der windigen Fahrt auf der Themse kehrten seine Zahnschmerzen zurück, und am nächsten Morgen verarztete er sich »mit Chloroform am Zahnfleisch und Zubinden des Gesichts«. Der Schmerz ließ nach, dennoch blieb Helmholtz zu Hause und arbeitete an dem Vortrag über seine optischen Experimente, den er in Hull halten wollte.49

Am nächsten Tag traf er William Francis, einen Verleger von Büchern und Zeitschriften. Francis hatte Chemie studiert und war der uneheliche Sohn Richard Taylors, seines Zeichens ebenfalls Chemiker und Verleger. 1852 übernahm Francis den väterlichen Verlag und benannte ihn auf Taylor & Francis um. Unter seiner Führung sollte er zu Großbritanniens erstem Wissenschaftsverlag werden. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehörten die Annals of Natural History, das Magazine of Natural History und das Philosophical Magazine, das früher chemische und biologische Themen behandelt hatte, sich in den 1850er-Jahren aber zunehmend der Physik und der Mathematik zuwandte. Helmholtz erfuhr, dass Francis zwischen 1839 und 1841 in Berlin Naturwissenschaften studiert und 1841/42 in Gießen bei Liebig in Chemie promoviert hatte. Dort hatte er auch andere britische Nachwuchswissenschaftler kennengelernt wie Tyndall, den Mathematiker Thomas Archer Hirst und Edmund Atkinson. Francis kannte die britische Wissenschaftsgemeinde gut und hielt auch stets Ausschau nach deutschen und französischen Beiträgen, die man ins Englische übersetzen könnte. So erschien 1853 auch einer von Helmholtz’ Beiträgen zur Zeitmessung von Nervenimpulsen auf Englisch im Philosophical Magazine. Als ein enger Freund von Francis und Mitherausgeber des Magazins wurde Tyndall eine Schlüsselfigur, die deutsche und britische Wissenschaft miteinander verband. Helmholtz »fand in ihm einen jungen anspruchslosen und gefälligen Mann, sehr gut unterrichtet in allen wissenschaftlichen Angelegenheiten, und Londoner Persönlichkeiten«.50

Nachmittags schaute er sich die Gemälde in der National Gallery an. »Sie enthält schöne Rembrandts, mäßige Rubens und Italiener«, lautete sein Urteil. Er war fasziniert von zwei sentimentalen religiösen Werken: Bartolomé Esteban Murillos Johannesknabe mit dem Lamm und seine Himmlische und irdische Trinität. Diese ständigen Besuche von Kunstmuseen und all die Erkundungstouren in diversen Städten und auf dem Land zeigen, wie gern er beobachtete und wie sehr er von Farbe fasziniert war. Egal, ob er im Museum war, Stadt oder Land durchstreifte oder im Labor arbeitete: Er hörte nie auf, zu beobachten und sich für Farbe zu begeistern. Später fuhr Helmholtz zu Charles Wheatstone, einem Experimentalphysiker, der an der Erfindung des elektrischen Telegrafen beteiligt gewesen war und wie Helmholtz stark an Optik, Akustik und Elektrizität interessiert war. Wheatstone war außer Hause, und Helmholtz hoffte, ihn später in Hull noch zu treffen. Den restlichen Tag und den Abend verbrachte er im Theater und sah sich ganze drei Stücke an: Dion Boucicaults Genevieve, or the Reign of Terror, ein historisches Drama über die Französische Revolution; eine Parodie auf Byrons Sardanapalus und eine Komödie von Richard Brinsley Sheridan.51

Mit einem Dampfschiff ging es am nächsten Tag weiter nach Woolwich, wo er sich mit einer Koryphäe der britischen Wissenschaftsgemeinde treffen wollte: Colonel Edward Sabine, ein Geophysiker, der sich in den 1830ern für den »Magnetic Crusade « eingesetzt hatte, zugleich Leiter des Kew-Observatoriums und ein hoher Amtsträger in der Londoner Royal Society. 1852 war er Präsident der BAAS, und in seiner Antrittsrede erwähnte er nicht nur neue britische Erkenntnisse in der Wärmelehre, sondern auch Helmholtz. Der hatte ein Empfehlungsschreiben von Dove im Gepäck, einem Kollegen Sabines aus der Meteorologie, mit dem er seit Langem im Briefkontakt stand. Darin wurde Helmholtz als Physiologe und Physiker vorgestellt: »Er gilt bei uns in Deutschland für einen der begabtesten und tüchtigsten jüngere[n] Naturforscher.« Allerdings war Sabine ebenfalls nicht anzutreffen. Noch am selben Tag erhielt Helmholtz einen »äußerst höflichen Brief von ihm«. Sabine lud ihn ein, wiederzukommen, und bot freundlich an, ihn dann mit seinem Wagen vom Bahnhof abholen zu lassen. Den Nachmittag über klapperte Helmholtz, der schließlich einmal Arzt bei der preußischen Armee gewesen war, Woolwichs Kasernen ab und stieß auf eine beeindruckende artilleristische Sammlung. Woolwich und die vielen großen Schiffe in den Londoner Docks führten ihm Englands Handels- und Seemacht vor Augen.52

Helmholtz sorgte sich um Olga, hatte er doch seit drei Wochen keine Nachricht von ihr erhalten. Er scherzte, dass sie doch wohl nicht entführt worden sei, aber da er sie für »vernünftig« halte, kam er zu dem Schluss, ihr Brief sei wohl verloren gegangen. Kurz erwog er, ihr ein Telegramm zu senden, was ihm dann jedoch zu teuer erschien. Also beschloss er, es erst noch einmal mit einem Brief zu versuchen. Er schrieb Olga, dass er gesund war (und sein Zahn nicht mehr schmerzte) und du Bois-Reymonds Frau Jeanette kennengelernt hatte (der hatte ihn nicht zur Hochzeit eingeladen und das seiner Braut damit erklärt, dass Helmholtz zwar ein sehr guter Wissenschaftler sei, in Gesellschaft jedoch etwas steif). Auf Helmholtz wirkte Jeanette still, »ohne classische Schönheit«. Er schrieb weiter, dass es in England viel regne und sein Englisch besser werde; »mich selbst haben die Engländer von Anfang an stets verstanden, und gebildete Leute, die zu mir sprechen, verstehe ich auch ganz gut, nur nicht die Kellner, Handwerker u.s.w.« Dann kamen endlich zwei Briefe von Olga, »zum Geburtstagsgeschenk«. (Anscheinend hatte er seiner Frau die falsche Adresse geschrieben. »Nun ist einer von uns beiden, wir wollen es nur gestehen, ein Esel gewesen. Du wirst gleich entscheiden können, wer?« Tatsächlich suchte unser 32 Jahre alter, aufsteigender Stern der Wissenschaft die Schuld erst bei seiner Frau, musste eine Woche später aber zugeben, dass er der Esel gewesen war.) Der Verleger Leopold Voss hatte ihm einen Buchvertrag zukommen lassen, und er bat Olga, ihn nach Potsdam weiterzuleiten.53

In London besuchte er das Museum of Practical Geology und traf einige Chemiker und Geologen. Er war in Begleitung von William Francis und Axel Erdmann, einem schwedischen Chemiker und Geologen, den er Olga wenig schmeichelhaft als »ledernen Gesellen, langweilig, ungeschickt und ungeschlossen« beschrieb. Ursprünglich hatte er gehofft, Hofmann zu treffen, der weilte jedoch in Deutschland. Zu dritt gingen sie ins British Museum, Francis stellte sie dort vor und verschaffte ihnen einen Sonderzugang für die Bibliothek und das Museum. Helmholtz war zwar beeindruckt von der Bibliothek, wo er die Magna Carta und andere Originalmanuskripte sah, samt der darauf befindlichen Unterschriften von mehreren englischen Königen und protestantischen Reformern, hatte aber nicht vor, die ihm eingeräumten Privilegien besonders ausgiebig zu nutzen.54

Er kehrte nach Woolwich zurück, um Sabine zu besuchen, »Dirigent der meteorologischen und magnetischen Beobachtungen in England, ein alter würdiger Mann«. Seine Frau hatte unter seiner Anleitung eine offizielle Übersetzung ins Englische von den ersten drei (von fünf) Bänden des Humboldt’schen Kosmos angefertigt. Sabine ließ Helmholtz später noch ein paar seiner Abhandlungen zukommen und außerdem mehr Empfehlungsschreiben, als dieser erbeten hatte, und bot an, zu helfen, wo er konnte. »Dabei fand ich, daß er ein bedeutenderer wissenschaftlicher Kopf war, als ich eigentlich gedacht hatte, und in jeder Beziehung sehr wohlunterrichtet.« Am nächsten Morgen traf er sich mit dem Ehepaar du Bois-Reymond und ging danach noch einmal ins British Museum, diesmal in die Aztekenausstellung, in der vermeintliche menschliche Überreste aus der Aztekenzeit gezeigt wurden. Nachmittags begab er sich (noch einmal) zusammen mit Erdmann in den zoologischen Garten, weil dort ein Konzert gegeben wurde (die Militärmusik fand Helmholtz nicht besser als die in Königsberg). Er überredete Erdmann, ihn ins Sadler Wells Theatre zu begleiten, »wo nach dem Urtheile der Engländer Shakespeares Stücke am besten in London gegeben werden«. Sie sahen Macbeth, »aber fürchterlich! Krämpfe, Schreien, Heulen, Kreischen ohne Ende, auch bei den gleichgültigsten Worten«. Der lang anhaltende Applaus und der Beifall ließen ihn einigermaßen fassungslos zurück. Das Stück im Anschluss, ein Lustspiel, das er »fast ganz verstand«, konnte er immerhin genießen.55

Francis lud Helmholtz und Erdmann zu sich nach Richmond ein. Das Hügelland und die Parks sprachen Helmholtz an. Sie aßen mit Francis, Taylors Frau und der älteren Tochter zu Abend. Taylor selbst, der psychisch krank war, beeindruckte Helmholtz, weil man sich mit ihm unterhalten könne, ohne etwas von seiner Krankheit zu bemerken. Als Taylor jedoch mit seinen fixen Ideen über die Gefahren des Protestantismus für Deutschland anfing, schickte seine Familie ihn zu Bett. »Der Verkehr in englischen Familien ist sehr wohltuend«, befand Helmholtz, »sie sind rücksichtsvoll und doch ungenirt«. Erdmann und Helmholtz spazierten auch durch die nahe gelegenen Gärten von Kew, Helmholtz war begeistert.56

Am nächsten Tag ging er noch einmal ins British Museum und schaute sich die Naturaliensammlung an, besonders interessierten ihn die fossilen Skelette. Der ethnographischen Sammlung konnte er hingegen nicht viel abgewinnen. Er traf sich dort mit du Bois-Reymond und seiner Frau. Nachmittags besichtigten sie das Parlament und den Greenwich-Park. Mit Sabines Empfehlungsschreiben ausgerüstet fuhr er am nächsten Tag erneut dorthin, um George Biddell Airy zu treffen, den Astronomer Royal und Direktor des königlichen Observatoriums von Greenwich. Airy hatte jedoch einen vollen Terminplan, sie konnten sich nur kurz sehen und vereinbarten ein weiteres Treffen in ein paar Tagen. Helmholtz wies Olga stolz an, Briefe nach Hull von nun an zu adressieren an »Prof. Helmholtz, Fellow of the British Association«.57

Nach einem Besuch der großen Brauerei von Barclay und Perkins und von Hunters anatomischem Museum, »wo namentlich die vollständigen Skelette der riesigen, urweltlichen Faulthiere, und anderer Bestien imponiren«, aß er bei Bence Jones zu Abend (das Ehepaar du Bois-Reymond war ebenfalls dort). Auch am nächsten Abend speiste er mit ihm, und Bence Jones überredete ihn, für ein paar Tage mit in seine Strandvilla in Folkestone zu kommen.58

Helmholtz hatte gehört, Airy »soll sehr unangenehm sein können«, und bei ihrer ersten Zusammenkunft (in Greenwich) hatte er ihn »etwas steif« gefunden. Diesmal jedoch wirkte er »äußerst liebenswürdig, und da ich auf seine Expositionen einging, und viel lobte, einigem widersprach, konnte er gar kein Ende finden mit Herumführen, so daß ich die Sternwarte genauer gesehen habe, als vielleicht sonst Jemand.« Die Einrichtung in Greenwich machte einiges her, es gab Gerätschaften für magnetische und meteorologische Beobachtungen sowie zur kontinuierlichen Photographie von Himmelskörpern; beeindruckende elektromagnetische Instrumente zur Zeitmessung bei der Dokumentation von Sterndurchgängen und elektrische Uhren, »die gleichzeitig in London und an der Mündung der Themse, und an allen Londoner Eisenbahnstationen die Zeit angeben müssen«. Die Airys lebten auf großem Fuße (auch sonst schienen die meisten englischen Professoren nach Helmholtz’ Beobachtung ganz gut zu leben). Airys Frau »war etwas förmlich, wohl conserviert und angenehm in der Unterhaltung«. Helmholtz befand: »Die englischen Damen sind stets sehr interessiert bei der Beschäftigung des Mannes, so wußte auch sie über alles Bescheid.« Airy war jedoch überheblich, und das hatte zu Spannungen im Kollegenkreis geführt. Seine »bevorzugte Stellung« tat er gern kund, indem er unter seine Artikel lieber seinen Titel (»Astronomer Royal«) als seinen Namen setzte, was den Graben zwischen ihm und seinen Kollegen weiter vertiefte. Laut Helmholtz war Taylor den meisten englischen Physikern »überlegen durch methodische Ausbildung«, die diesen anders als ihren französischen Kollegen oft fehle. Die meisten englischen Physiker hätten nur »durch reinen Instinct Großes leisten« können, »was freilich auch oft genug durch Unkenntniß der allergewöhnlichsten Dinge verdorben wird«. Airy mag noch so arrogant auf ihn und andere gewirkt haben: »Der Nachmittag in Greenwich gehörte zu den interessantesten und angenehmsten« von Helmholtz’ Reise.59

Das Wochenende verbrachte er (zusammen mit dem Ehepaar du Bois-Reymond) in Bence Jones’ Haus in Folkestone. »Bence Jones ist so gleich einem Deutschen, mit Ausnahme der sicheren vornehmen Förmlichkeit, die ihn nie verläßt.« Das Englisch des Gastgebers konnte er gerade so verstehen und berichtete Olga stolz, dass er gelobt worden war, dass sein eigenes Englisch sehr viel flüssiger geworden sei (wenn auch nicht akzentfrei). Mit Jeannette du Bois-Reymond wurde er nicht so richtig warm: »Ich würde sie mir, auch wenn es kein Dötchen gäbe, nicht genommen haben.« Samstagnachmittag spazierte Helmholtz mit Bence Jones an den Kreidefelsen von Dover entlang. Bei gutem Wetter konnte man von seinem Haus aus bis zur französischen Küste sehen.60

Am nächsten Tag ging er frühmorgens »au naturel« nahe beim Haus im Meer baden, »das geht hier, weil vor 9 Uhr kein anständiger Mensch sichtbar ist«. Danach musste er mit seinem Gastgeber den Gottesdienst besuchen. »Die anglicanische Liturgie ist aber wirklich tödtlich lang und langweilig, wird dabei von Geistlichen so wohl wie der Gemeinde möglichst ausdruckslos vorgetragen. Die Predigt war theilweis nach unseren Begriffen albern und ledern […]« Am Nachmittag machten Bence Jones, Helmholtz und du Bois-Reymond einen langen Strandspaziergang, »wo hübsche Thäler und Schluchten waren«. Helmholtz gefielen Bequemlichkeit, Sauberkeit, Bräuche und Atmosphäre des englischen häuslichen Lebens, »trotz aller Frömmigkeit herrscht darin große Ungenirtheit, daß jeder gerade heraus sagt, was er möchte«. Er selbst tat sich immer noch schwer mit der Frage, welches Besteck wann zum Einsatz kam. Offenbar hatte ihm weder seine Mutter noch Tante Julie angemessene Tischmanieren für die Kreise, in denen er sich jetzt bewegte, beigebracht.61

Am nächsten Morgen fuhr er nach London zurück und besichtigte den Londoner Tower, die dortige Waffensammlung, die Kronjuwelen und die Gefängniszellen, fand aber, der Besuch habe sich nicht gelohnt. Dafür liebte er die Katharinen- und Londondocks und das rege Handelstreiben, für das er sich wie immer interessierte – da konnte Königsberg bei Weitem nicht mithalten. Abends ging er mit Moritz Alberts, einem Sekretär der preußischen Gesandtschaft, in einen Debattierclub, »wo einige lustige Juristen in Richtercostümen und mit strenger Beobachtung der Gerichtsformen imaginäre Processe« verhandelten, was ihn sehr amüsierte.62

Den folgenden Tag verbrachte er mit Wittich, seinem Königsberger Kollegen, der ebenfalls auf Britannienreise war. Morgens besichtigten sie Westminster Abbey, deren Größe und Architektur Helmholtz entschieden unbeeindruckt ließen. Er schrieb jedoch an Olga:

[…] aber die Reihe von Denkmälern berühmter Todten ist in der Tat imponirend, und muß, glaube ich, den Stolz der Engländer in hohem Grade erregen; solche Männer gehabt zu haben, und sie so geehrt zu sehen, ist etwas Großes. Da liegen Professoren der Physik und Chemie zwischen den Königen, Feldherren, Künstlern und auch Schauspielern und Schauspielerinnen ersten Ranges haben hier ihre Stätte und ihre Denkmäler gefunden. Newton, James Watt, Humphry Davy, Thomas Young, Shakespeare, Milton, [David] Garrick, Mrs. [Sarah] Siddons, Heinrich V, Richard II, die Söhne Eduards, Warren Hastings, beide Pitts, Maria Stuart und Elisabeth, alle beisammen.

Im Grunde wollte er damit wohl sagen, dass es ein Anlass zu Stolz war, Wissenschaftler zu sein, ganz genauso wie Staatsmann, Militär, Künstler oder Schauspieler zu sein. An diesem Abend ging er mit Wittich ins Drury Lane und schaute sich den Kaufmann von Venedig an.63

Die BAAS in Hull und die Energieerhaltung

Nach fast drei Wochen in London fuhr Helmholtz mit dem Zug zum BAAS-Treffen nach Hull. Er kam bei dem Arzt Henry Cooper unter, »wo ich sehr fashionable wohne und verpflegt werde«. Plücker, Helmholtz und ein russischer Kollege waren die einzigen Wissenschaftler, die zu dem Treffen aus dem Ausland angereist waren, und wurden »mit der ausgesuchtesten Courtoise behandelt«. Ungefähr 600 Teilnehmende, 175 davon Frauen, waren bei der Eröffnung der Tagung zugegen. Bei der ersten Zusammenkunft an jenem Abend gab William Hopkins, geachteter Privatlehrer für Mathematik in Cambridge, Geologe und aktueller Präsident der BAAS, einen Überblick der wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritte im letzten Jahr. Der Sekretär (Sabine) las laut die Namen aller ausländischen Gäste vor, darunter auch den von Helmholtz, der »einige der wichtigsten Fortschritte of continental science gemacht« habe, wie er Olga berichtete. Er war recht überrascht, dass seine Abhandlung zur Erhaltung der Kraft hier weitaus bekannter als in Deutschland war, und auch bekannter als seine anderen Arbeiten.64

Wie war es dazu gekommen? Fast fünf Jahre lang (1847 – 1852) war seine Arbeit in der Schublade verstaubt. Die deutsche Wissenschaftsgemeinde hatte ihn, wir erinnern uns, gewissermaßen ignoriert. Nur eine Handvoll Wissenschaftler (hauptsächlich Freunde von Helmholtz) hatten seine Ergebnisse positiv aufgenommen, ein paar andere negativ. Aber ab 1852 änderten sich die Dinge. Das war zum Teil den physiologischen Studien geschuldet, mit denen er sich einen Namen gemacht hatte, und seiner Erfindung des Augenspiegels.

Es gab aber noch einen anderen Grund, warum der Aufsatz so plötzlich anfing, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und in diesem Zusammenhang stand möglicherweise auch Helmholtz’ Entscheidung, nach Großbritannien zu reisen und sich mit englischen Kollegen zu treffen: Ende Januar 1852 hatte der junge William Thomson, der gerade begonnen hatte, in Begriffen von »Energie« zu denken, Helmholtz’ Text gelesen. Im März äußerte er öffentlich seine Bewunderung dafür. In den nächsten zwei Jahrzehnten sollte er zusammen mit einer Gruppe nordbritischer Physiker und Ingenieure, zu denen sein Bruder James Thomson, James Prescott Joule, W. J. M. Rankine, James Clerk Maxwell, Peter Guthrie Tait und Fleeming Jenkin zählten, Helmholtz’ Satz von der Erhaltung der Kraft zum Energieerhaltungssatz weiterentwickeln. Im Frühling 1853 erschien dann eine englischsprachige Version von Helmholtz’ Abhandlung. Übersetzer und Mitherausgeber war kein anderer als Tyndall, zweiter Herausgeber und Verleger war William Francis. Damit hatte Helmholtz’ Aufsatz in Britannien gleichsam eine Wiedergeburt erlebt. Darüber hinaus bedeutete die positive Würdigung durch Thomson und andere britische Physiker eine erste wirkliche Anerkennung Helmholtz’ als Physiker. Allerdings gab es erhebliche Unterschiede auf philosophischer Ebene zwischen Helmholtz und den nordbritischen Physikern und Ingenieuren, von denen einige bald zu seinen Freunden wurden. Die Nordbriten und Helmholtz verfolgten beide deterministische, aber doch verschiedenartige Ansätze zur Rolle der Kraft in einem mechanischen Universum. Helmholtz’ wissenschaftliche Wurzeln lagen in der Laplace’schen Physik aus dem 18. Jahrhundert, bei ihm standen die Kräfte von Anziehung und Abstoßung im Zentrum. Die Briten dagegen hielten dafür, dass ein Schöpfer ein Kontinuum aus Materie und Energie geschaffen hatte – und dem Menschen Raum zum Eingreifen gelassen hatte. Keine Seite betonte diese Differenzen, standen sie doch alle hinter dem, was sich als Energieerhaltungssatz entpuppen sollte. Und doch war es mehr als nur Semantik (»Kraft« gegen »Energie«), was ihn von ihnen trennte, mochten sie auch gemeinsame Sache machen, um ihre Idee aus den Grabenkämpfen innerhalb der Physiologie und auch aus den industriell-gewerblichen Kontexten Britanniens zu lösen.65

An seinem ersten Morgen in Hull war Helmholtz von Charles Frost, einem wohlhabenden ortsansässigen Privatmann, Geologen, Antiquar, Ahnenforscher und Vizepräsident bei der BAAS-Konferenz, zum Frühstück eingeladen. Zu den anderen Frühstücksgästen zählte auch George Gabriel Stokes, »ein junger Mann, aber von höchst ausgezeichneten Fähigkeiten«. Dieses Treffen mit einem führenden mathematischen Physiker seiner Zeit – Stokes hatte in Cambridge den Lucasischen Lehrstuhl für Naturphilosophie inne – war nur ein Teil von Helmholtz’ Konferenzausbeute. Am Frühstückstisch fanden sich noch weitere gut betuchte Engländer mit ihren Frauen ein, darunter »ein sehr reicher Lord Landsborough [ein weiterer Vizepräsident der Konferenz] mit einer stattlichen, jungen und ziemlich schönen Frau«. Leider musste Helmholtz vor dem Schinken Platz nehmen und für die ganze Gesellschaft Stücke abschneiden. Landsborough lud ihn jedoch auf seine Jacht ein, und er ward damit versöhnt.66

Seinen Wirt Dr. Cooper hielt Helmholtz für einen gebildeten Mann und »von wissenschaftlichem Eifer« erfüllten Arzt. Helmholtz hatte bei ihm sein eigenes Zimmer und wurde »wie ein alter Freund des Hauses« behandelt. Die Einrichtung des Hauses war nicht so elegant wie bei wohlhabenden Deutschen, befand er, wenngleich »all diese Teppiche, Vorhänge, Wasserröhren, Klingel- und andre Züge usw. die dazu dienen die anstudirteste Bequemlichkeit hervorzubringen – wenn man sie nämlich erst alle zu gebrauchen weiß« seiner Vermutung nach »vielleicht doppelt so viel« gekostet haben mochten wie in Deutschland. Hier und andernorts in England lernte Helmholtz das Leben der oberen Mittelschicht oder sogar Oberschicht kennen. Zweimal musste er – auf eigene Kosten – mit vielen Kollegen an einer großen Tafel zu Mittag essen. Dort sei umständlich serviert worden, und es habe allzu viele Toasts gegeben, die lang, schlecht und abschweifend gewesen seien. Selbst die meisten englischen Kollegen hätten zugegeben, dass ein kontinentales Mittagessen im Vergleich zum britischen sehr viel angenehmer sei.67

Die Treffen der BAAS dienten hauptsächlich dazu, Aufmerksamkeit für die Wissenschaft zu generieren und die britische Öffentlichkeit, vor allem natürlich die Teilnehmer, über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren. Selbstdarstellung war an der Tagesordnung. Die Zahl der Teilnehmer stieg im Laufe der Konferenz auf 850, darunter 236 Frauen. »Die letzteren scheinen hier in England häufig in der That ziemlich unterrichtet zu sein in den Naturwissenschaften«, schrieb Helmholtz an Olga. Ob sie nun kamen, um gesehen zu werden, etwas zu lernen, oder »sich daran zu amüsiren« – generell wirkten die Teilnehmerinnen auf Helmholtz aufmerksam, und sie schliefen nicht einmal ein, »wenn die Versuchung dazu da war«. Die sechs (oder sieben) Sektionen trafen sich jeden Tag von 11 bis 15 Uhr (um 10 Uhr gab es einstündige Komiteesitzungen, Helmholtz war der physikalischen Sektion zugeordnet). Das Publikum wanderte von Sektion zu Sektion, »um die berühmtesten und beliebtesten Redner zu hören«. Es war der Inbegriff von Wissenschaft als Markt für Ideen und Persönlichkeiten. Alles war dabei, von wissenschaftlich ernst zu nehmenden Präsentationen bis hin zu Vorträgen von Einfaltspinseln, die glaubten, wichtige neue Entdeckungen gemacht zu haben (die Vorsitzenden entledigten sich dieser meist schnell). Wissenschaften wie die Physik und die Chemie, bei denen die Forscher viel für sich alleine arbeiteten, blieben eher im Hintergrund. Für andere Wissenschaften hingegen, wie Meteorologie, Ethnologie und Geologie, wo viele Beobachtungen zusammengeführt werden müssten, seien die Sektionstreffen überaus wichtig, urteilte Helmholtz. Persönlich fand er solche Vorträge am gewinnbringendsten, die die bisherige Forschungsarbeit zusammenfassten und zukünftige Forschungsfelder ausloteten, derer sich dann Teams von Wissenschaftlern annahmen – eine Arbeitsweise, für die die Engländer ein besonderes Talent hätten. Er schrieb Olga auch über eine Gruppe Astronomen (darunter Amateure), welche die Mondoberfläche erforschte und sie geologisch mit der Erdoberfläche verglich. Eine andere Gruppe plante, in der südlichen Hemisphäre ein sehr großes Teleskop zur Himmelsbeobachtung aufzustellen.68

Geologie, Geographie und Ethnologie waren »die Lieblingssectionen des Publicums«, aus diesen Disziplinen »waren auch die berühmtesten Gelehrten versammelt«. Schließlich sei es in jenen Fächern unabdingbar, eine große Zahl an Menschen zum gemeinsamen Arbeiten anzuleiten, »und dazu ist die Association ein sehr geeignetes Werkzeug«. Helmholtz bemerkte, dass einige der bedeutendsten Chemiker, Physiker und Astronomen nicht an der Konferenz teilnahmen – beispielsweise gingen ihm Airy, Faraday und Wheatstone ab. Er traf jedoch einige Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft ihm »sehr erwünscht war«. Da war etwa William Robert Grove, ein Jurist »und bedeutender Physiker aus London«, der vor allem für die Publikation einer frühen Variante zur Kraftumwandlung und seine elektrochemischen Arbeiten bekannt war. Weiter Thomas Andrews, Professor für Chemie in Belfast, spezialisiert auf Thermochemie, und zu guter Letzt Stokes. Kein einziger Physiologe war anwesend, was wohl Rückschlüsse darauf zulässt, wie es um die englische Physiologie zur Mitte des Jahrhunderts stand.69

Einige Vorträge »waren ausgezeichnet in Bezug auf Klarheit und Popularität, und doch wissenschaftlich unbedeutend«, wie jener der Geologen John Phillips und William Hopkins oder die Präsentation des Ethnographen Robert Latham. Zudem, so Helmholtz weiter, »waren auch viele schwerfällig, und viele, was mich bei Engländern überraschte, wurden gemurmelt, und so schlecht vorgetragen, daß sie nicht zu verstehen waren«. Für seine sensiblen deutschen Ohren klang die englische Sprache »in diesen öffentlichen Vorträgen würdelos, wegen zu großer Ähnlichkeit mit dem Plattdeutschen, und stockerig, weil sie die accentuirten Sylben sehr scharf herausstoßen und alles andere ganz schwach und schnell nebenher laufen lassen«. Mittlerweile verstand er die besseren Redner problemlos. Er bat Dr. Cooper, ihm verschiedene sprachliche Provinzialismen zu erklären, und es stellte sich heraus, dass sie im Grunde Nachlässigkeiten im Gebrauch der englischen Sprache waren. Wie auch bei Musik und experimenteller Akustik bewies Helmholtz hier ein feines Ohr. In einer Sektion nahm er spontan an einer Diskussion zur Optik des Auges teil. Er glaubte, dass er klar und vollkommen verständlich gesprochen hatte, räumte Olga gegenüber trotz des Lobs seiner Kollegen jedoch einige sprachliche Fehler ein. Seinen eigenen Vortrag zur Farbmischung bereitete er sorgsam vor und hielt ihn zur Probe vor Francis, der seine Fehler im Englischen korrigierte und ihn lobte. Die Zuhörerschaft später sei dann auch »sehr zufrieden« mit seiner Aussprache gewesen; Helmholtz »bekam viele Complimente auf Kosten von Prof. Plücker, der für seine häufigen und langen Besuche in England allerdings sehr schlecht ausspricht«. Stolz berichtete er nach Hause, er sei »beide Male mit Beifall beehrt« worden, wunderte sich aber darüber, dass nicht geklatscht, sondern auf die Tische geklopft wurde. »Übrigens pochen sie, so oft ein Redner etwas sinnreiches, oder irgend ein beliebtes Stichwort, oder einen Witz vorbringt, und es ist verhältnismäßig leicht Beifall zu ernten.« Die BAAS war zwar etwas enttäuscht, dass nur drei Ausländer angereist waren, Helmholtz kam aber genau dies zugute.70

An drei Abenden wurden größere Vorträge gehalten: Hopkins sprach über die wissenschaftlichen Fortschritte im vergangenen Jahr, Phillips zur Geologie Yorkshires, und Robert Hunt über den aktuellen Stand der Photographie. An drei weiteren Abenden lud die Stadt Hull zu (überfüllten) Soireen ein. Sonntagvormittag war frei, was Helmholtz vor ein kleines Problem stellte: Man erwartete, dass er dem Gottesdienst in der deutschen lutherischen Kirche vor Ort beiwohnen werde. Letztlich wand er sich aber doch heraus, indem er behauptete, man hätte ihm eine falsche Uhrzeit genannt. Nachmittags führte ihn Dr. Cooper durch die Docks von Hull, die voller deutscher, russischer und dänischer Schiffe waren. Helmholtz sah mehr preußische Schiffe an einem Ort versammelt als je in Königsberg. Der vorletzte Tag der Konferenz war der Planung des nächstjährigen Treffens vorbehalten, »daran hatte ich kein Interesse«. Ebenso wenig an den für den letzten Tag angebotenen Ausflügen in die Region. Stattdessen nutzte Helmholtz Zeit und Geld für eine Schottlandreise und begab sich mit dem Schiff nach Edinburgh.71

Schottland

Seekrank wurde Helmholtz glücklicherweise nicht auf der mit 28 Stunden unerwartet langen Reise, er schlief an Bord auch gut. Doch waren ihm seine Mitreisenden zuwider, die sich genau wie er für das Schiff entschieden hatten, weil es billiger war als der Zug. Die schottische Küste empfand Helmholtz als »sehr romantisch«, dem Rheintal in gewisser Hinsicht nicht unähnlich. Sie passierten Lammermoor Hills, später würde er das Reich der »Lady of the Lake« (Dame vom See) sehen – was Helmholtz an zwei Werke von Walter Scott denken ließ. Er erkundigte sich brieflich nach Olgas finanzieller Lage, da seine weiteren Pläne ebenfalls davon abhingen. Dann verbrachte er acht Tage in Schottland, um sich an der Schönheit der Natur zu laben.72

Von Edinburgh war Helmholtz ganz begeistert und beschrieb es Ludwig als ein Juwel von Stadt. Es sei wirklich malerisch und »ganz außerordentlich schön«. Durch die Lage auf mehreren steilen Hügeln entstehe der Eindruck, die Häuser seien aufeinandergebaut. Die Stadt als Ganzes erschien ihm wie der Seitenturm einer gotischen Kathedrale. Er stieg auf den Carlton Hill, um die Stadt von oben zu betrachten, sah die in römischem Stil gebaute Sternwarte, andere Gebäude, die Athener Bauwerken nachempfunden waren, und ein noch nicht fertiggestelltes Gebäude, das eine Kopie des Parthenon zu sein schien. Dann ging es wieder hinunter ins Zentrum und von dort zum Schloss hinauf. An vielen Gebäuden gefiel ihm der »sächsische« Baustil. Im neueren, eleganteren Teil Edinburghs orientierten sich viele Häuser mehr am deutschen oder italienischen Baustil als am englischen. Das sorgte für »ein viel freundlicheres und eleganteres Aussehn, als die englischen Städte haben«. Hingegen fand Helmholtz die Häuser in den älteren Stadtteilen schmutziger und verfallener; sie seien »von einem armen zerlumpten Volke bewohnt, mit Überfluß an rothen Haaren«. Helmholtz glaubte nicht, dass Edinburghs Häuser, Schlösser oder Kunstsammlungen ihm etwas zu bieten hätten, das er nicht auch andernorts finden könne, und brach bald wieder auf.73

Sein nächstes Ziel war Glasgow, eine verqualmte, geschäftige Handelsstadt und Helmholtz’ Wahrnehmung nach voller rothaariger, ungesund aussehender, schmutziger und armer Arbeiter. Der Grund, warum er dort hingefahren war, und seine erste Amtshandlung war es, William Thomson zu treffen, der »viel in Sachen der Erhaltung der Kraft gearbeitet« hatte. Professor Thomson war jedoch am Meer, also nahm Helmholtz früh am nächsten Morgen ein Dampfschiff nach Oban in Westschottland. Dort hoffte er, Wittich zu treffen. Die vielen Schiffe, die ihnen unterwegs begegneten, und die Werften am Fluss Clyde beeindruckten Helmholtz, wie es auch schon die in London getan hatten. Die Szenerie des Clyde erschien ihm »äußerst malerisch und reich«. Die Dampfboote der Region fand er »alle sehr elegant eingerichtet«. Die Schotten hatten es Helmholtz angetan: Er komme mit den Leuten hier leicht ins Gespräch, und sie seien um Ausländer besonders bemüht. Daher könne er alle gut verstehen (in England hingegen »nur gebildete Menschen«). Freilich gebe es in Schottland nicht so viele wohlerzogene Gentlemen wie in England. Dass so viel Alkohol konsumiert wurde, versetzte ihn in Erstaunen (»es trinkt Jung und Alt bei Nacht und bei Tage Whisky«), wobei er glaubte, dass die Nachkommen der Sachsen dies gut vertrügen, wohingegen »die gälischen Hochländer vom ersten Glase confus zu werden scheinen«.74

Helmholtz und Wittich erkundeten Oban und Umgebung und besichtigten das mittelalterliche Dunollie Castle, das einst Sitz der schottischen Könige gewesen war. Sie suchten auch das Grab von Fergus mac Róich auf, eines großen Kriegers aus einer alten gälischen Legende. Die schottische Landschaft hatte hier zu wenig Bäume und stattdessen viel braune Heide und Moor, klagte Helmholtz, dies »macht auf die Dauer einen sehr öden Eindruck«. Am nächsten Tag fuhren sie mit dem Dampfschiff gen Norden nach Gencoe, von da reiste Wittich weiter nördlich, und Helmholtz kehrte nach Oban zurück. Er passierte die Halbinsel Morvern, die für das einstige Königreich der sagenumwobenen Fingal (Fionn MacCumhal) gehalten werde, umrundete die Insel Mull und besuchte die Atlantikinseln Staffa und Iona. Wie so oft verhalf ihm sein gewinnendes Wesen unterwegs zu Reisegesellschaft. Schon Scott, so schrieb er an Olga, habe in The Lord of the Isles (Der Herr der Inseln) über die Sagen geschrieben, die sich mit den Ruinen der Gegend verbänden. Auf Iona besichtigte er alte Kirchen, Klöster und Gräber, darunter das von Macbeth.75

Das schlechte Wetter zwang ihn nach Glasgow zurück, wo er mit Wittich verabredet war. Der jedoch war weiter nach Edinburgh gereist, und Helmholtz beschloss, seine Schottlandtour abzukürzen und mit dem Zug zurück nach Hull zu fahren, wo er nur einen knappen Tag blieb. Dort erwartete ihn schon ein Brief mit Olgas Nachricht, dass sie krank gewesen sei. Das versetzte ihn in Angst und Sorge, und er antwortete ihr, er würde gleich die geplanten Zwischenstopps in Potsdam und Berlin absagen und direkt nach Königsberg kommen, falls sie erneut erkranke oder dies sonst wünsche. Sie könne ihm deswegen einfach nach Hamburg oder Potsdam schreiben.76

Die Überfahrt von Hull nach Hamburg dauerte fast drei Tage. Unterwegs gerieten sie in starken Wind, und das Schiff begann zu schlingern. Helmholtz, der gerade zu Mittag gegessen hatte (Fisch und Braten), wurde auf einmal doch seekrank, bestellte aber, nachdem er sein halbes Mittagessen von sich gegeben hatte, zwei neue Portionen Braten. Die stürmische See erlaubte ihm kaum etwas anderes zu tun als zu lesen, verursachte ihm Schwindel und erschwerte das Essen und Verdauen. Außerdem litt er an Kopfschmerzen, die jedoch schon vor der Überfahrt begonnen hatten – wie er meinte, wohl eine »Folge der anstrengenden Reise«.77

Er hatte nicht den Wunsch, sich Hamburg anzusehen, und fürchtete auch die Cholera und die teuren Hotels. Daher fuhr er unverzüglich nach Berlin weiter und kam um halb sechs Uhr morgens an, nahm einen Kaffee am Bahnhof und schlief dort bis sieben auf einem Sofa. Dann ging es weiter nach Potsdam. Seine Familie war wohlauf. Als er am 6. Oktober zurück in Königsberg war, hatte er zwei Monate Reise durch Deutschland und Britannien hinter sich, hatte viele Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Zu seinen neuen Freunden gehörten einige wichtige Persönlichkeiten der britischen Wissenschaft und Medizin. Er hatte seine Arbeit vor ihrer nationalen Wissenschaftsvereinigung vorgestellt und mit Dutzenden von ihnen vor Ort persönlich gesprochen. Des Weiteren hatte er für seinen Augenspiegel und sein Gesetz der Krafterhaltung werben können. Letzten Endes war er – ohne dies je beabsichtig zu haben – zu einem Repräsentanten der deutschen Wissenschaft geworden, einer Art inoffiziellem Staatsmann. Helmholtz schrieb an Ludwig, England sei ein großartiges Land. Man spüre dort, was für eine wunderbare Sache die Zivilisation sei, wenn sie das Leben bis ins Kleinste durchdringe; ein Besuch in London, im Vergleich zu dem Berlin und Wien die reinsten Dörfer seien, verändere die Sicht auf alles grundlegend. Er bedauerte, dass er Rankine, Brewster, Joule, Thomson und Wheatstone nicht hatte treffen können. Mehr Glück habe er jedoch mit Faraday, Stokes, Sabine, Grove, Airy, Bence Jones, Andrews, William Rowan Hamilton und vielen anderen gehabt. Er war froh, gefahren zu sein, aber auch froh, nun wieder daheim zu sein – nach eigener Aussage mit sehr leerer Geldbörse. Immerhin habe sein Gesundheitszustand sich auf der Reise verbessert, wenn ihm auch die Zähne unterwegs solchen Ärger gemacht hatten, dass offenbar sogar seine Physiognomie zeitweilig schief gezogen war.78

Helmholtz

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