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Wie aus giftigen Zigaretten attraktive Glimmstängel wurden

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»Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Suffragetten das Wahlrecht für Frauen durchgesetzt. Daran erinnert sich Bernays im Jahre 1929, als ihn der Chef des Zigarettenkonzerns American Tobacco, George Washington Hill, fragt, wie man den schleppenden Verkauf der Marke Lucky Strike wieder in Schwung bringen kann. Bernays engagiert für die Osterparade im März 1929 in New York zehn Nachwuchsmodels. Diese sollen sich pressewirksam vor der Menschenmenge Zigaretten anzünden. Natürlich hat »Eddie« Bernays vorher allen Presseleuten gesteckt, dass sich auf der Easter Parade ein Event mit fotogenen jungen Frauen ereignen wird. Bernays lässt seine Sekretärin Bertha Hunt ein Telegramm an die Öffentlichkeit schicken: 'Im Interesse der Gleichberechtigung der Geschlechter und um ein weiteres Geschlechter-Tabu zu bekämpfen, werden ich und andere junge Frauen eine neue Fackel der Freiheit anzünden, indem wir Zigaretten rauchen, während wir am Ostersonntag die Fifth Avenue herunterspazieren.' Glimmstängel gleichzusetzen mit der Fackel der New Yorker Freiheitsstatue, das ist starker Tobak. Bislang galt Rauchen von Frauen in der Öffentlichkeit als unschicklich. Aber warum sollte man die eine Hälfte der Menschheit als Konsumenten verschmähen? In den folgenden Jahren stieg Lucky Strike zum Marktführer auf. Das wurde auch möglich durch eine weitere Neuerung, die Bernays einführte: Er engagierte Ärzte, die in Fachzeitschriften und in populären Blättchen als unabhängige Experten die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Rauchens attestierten. Diese Ärzte priesen — für ein beachtliches Honorar von Bernays, versteht sich — die schlank machende Wirkung des Nikotinkonsums. Nach dem Essen kann es aus ärztlicher Sicht nichts Besseres geben, als eine Zigarette, findet 1928 Dr. George F. Buchan: "… die richtige Art, eine Mahlzeit abzuschließen: Obst, Kaffee und eine Zigarette … die Zigarette desinfiziert den Mund und beruhigt die Nerven."«

Währenddessen hortet Bernays jede Menge wissenschaftliche Expertisen, die gesundheitsschädliche Wirkungen von Nikotin nachweisen — um bei deren Veröffentlichung in den USA gewappnet zu sein. Das gibt der Zahnarzt nämlich nicht seiner Familie. Bernays ist Nichtraucher und er will seiner kettenrauchenden Frau das Rauchen mit allen Mitteln abgewöhnen.

Doch Bernays ist nicht nur ein ungewöhnlich gerissener Werbefachmann. Er will den anrüchigen Beruf des »Werbefritzen« aufpolieren zu einem geachteten Berufsstand mit eigenen Ausbildungsgängen und selbst auferlegten qualitativen und ethischen Standards. Er verleiht seiner Profession den Titel »Public Relations Counselor«. Seit den frühen 20er-Jahren hält Bernays Vorlesungen und Seminare in Universitäten ab. Seine Theorie der Public Relations — das Wort »Propaganda« haben nach seiner Meinung die Deutschen im Krieg entweiht — fasst Bernays in zahlreichen Büchern zusammen. 1923 erscheint aus seiner Feder »Crystallizing Public Opinion«. 1928 kehrte er dann doch zu dem Unwort zurück, indem er sein nächstes Buch ganz schlicht »Propaganda« nennt. 11

Inspirieren ließ sich Bernays bei seiner Arbeit vom deutschen Propagandaminister Joseph Goebbels, dem Vater der Propaganda, dem folgende Zitate zugeschrieben werden: »Propaganda heißt Wiederholen, ewig Wiederholen!» — »Wiederhole etwas so lange, bis selbst der Dümmste es versteht.» — »Leugnen alleine nützt nichts. Man muss kontern.»

Zu welcher Vielzahl falscher Überzeugungsmuster die Manipulationstricks der Industrie geführt haben, wird uns zwar erst im Laufe unseres Gesprächs völlig klar werden, doch müssen wir davon ausgehen, dass es in unserem Gehirn heute Hunderte, ja sogar Tausende solcher unterbewussten Programme gibt, die aus falschen Glaubenssätzen und industriellen Lügen bestehen.

Du meinst, dass wir von der Industrie unterbewusst ferngesteuert sind und die meisten von uns gar keinen freien Willen und gar keine eigene Meinung mehr haben, obwohl sie fest davon überzeugt sind?

Eine These, die im Laufe unseres Gespräches Nahrung erhalten wird, wenn wir feststellen werden, wie weit dein Geist infiltriert wurde und wie wenig du über all die Produkte die dich umgeben weißt. Jedenfalls stammen die meisten unserer Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster aus unserer Kindheit, wo sie uns institutionell und industriell einverleibt wurden, ohne dass wir etwas dagegen hätten tun können. Wir sind also in keinster Weise schuld daran, dass wir so sind wie wir sind und so denken wie wir denken. Was wir aber tun können, ist diese Konditionierungen aufzuheben und alles, was uns suggeriert wurde, faktisch zu hinterfragen. Wir können alle Programme, nach denen du bisher agiert hast, ans Licht der Bewusstheit heben und durch stichhaltige Information überprüfen, ob sie angesichts der Weltlage immer noch vernünftig und sinnvoll sind oder es doch Zeit für eine kollektive Umprogrammierung ist.

Dazu fangen wir am besten klein an und steigen mit der Frage ein, ob wir von der Lebensmittelindustrie in dir Irre geführt werden oder nicht. Denn eins ist gewiss: Nichts wird so häufig und so unbewusst konsumiert wie Lebensmittel. Ständig werden wir deshalb mit Werbebotschaften befeuert und zum Kauf aller möglichen Schweinereien angeregt. Von unseren Sinnen geleitet, sind wir zu durchschaubaren Opfern einer Industrie geworden, die genau weiß wie sie uns ansprechen muss. Preis, Qualität oder gar die Produktionsbedingungen der Waren, die wir in diesem Trancezustand kaufen, sind dabei zweitrangig und werden nur allzu gern den vielversprechenden Werbebotschaften untergeordnet. Gleiches gilt für Dienstleistungen oder Produkte wie Urlaubsreisen.

Die Weltgesundheitsformel 2

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