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David Friedrich

Staub

Ich mach das Fenster auf, schweißgebadet

Es ist ein heißer Tag, wie die meisten Tage

An den Wänden zerfließt die weiße Farbe

Tropft auf das PVC, das Wellen wirft

Es ist Lebensqualität, die an allen Stellen stirbt

Man macht das Beste draus, bleibt auch vernünftig

Der Kalender sagt: Es ist viel zu heiß für Januar im Jahre 2050

Die Zivilisation ist alt geworden und verbraucht

Die Augen sind müde und die Ohren sind taub

Wir werden geboren in dem Staub

Begraben die Toten in dem Staub

Vegetation ist vergoren in dem Staub

Atemwege und alle Poren voll mit Staub

Wir sind verloren in dem Staub

Aber auch gewöhnt an den Staub

Ich vertreibe mir heute meinen Tag hier

Mit neumodischem Schnickschnack

Wie überteuertem Craft-Bier

Indian Summer Pale Ale Winter Edition

Ein sehr bitterer Hopfengeschmack, zu Beginn sehr aufdringlich, aber wenn man sich auf ihn einlässt, dann wird er auch nicht weniger.

Zum Glück ist im Kühlschrank noch Platz – für mich

Denn die Hitze hat es sich gemütlich gemacht

Doch im Laufe der Zeit ist es im Kühlschrank recht eng geworden, also bin ich in den Keller gegangen. Dort habe ich in einem Umzugskarton so ein altmodisches Tablet gefunden. Hat noch funktioniert. Darauf habe ich mir dann die Fotos angeguckt von früher, von vor dem Staub.

Und da fiel mir auf: Eigentlich hätten wir es wissen müssen.

Wir hätten es kommen sehen müssen.

Ganz ehrlich? Wir wussten es, wir haben es kommen sehen.

Ist ja nicht so, dass unser Planet uns keine Signale gegeben hätte, deutliche Signale hat der uns gegeben, wie ein nervtötender Wecker, der schrill und laut Sirenengeräusche gegen das Trommelfell schmettert. So hat unser Planet uns darauf aufmerksam gemacht, aber wir haben immer wieder Snooze gedrückt. Oh nöö, nicht jetzt schon anfangen mit erneuerbaren Energien, ich will noch eine Runde Atomstrom. Nur noch fünf Minuten.

Aber die Frühaufsteher unter uns befassten sich mit den Problemen und entwickelten Apps.

Wir hatten Apps gegen den Klimawandel, wir hatten Regenwaldtreueherzen auf Bierflaschen, wir hatten »Rettet die Polarbären«-Merchandise-Produkte und, meine Fresse, waren die plüschig!

Wir wussten, dass wir handeln müssen.

Etwas tun, nachhaltig denken, ein neues Bewusstsein entwickeln.

Denn – das ist heute so lange her und man kann sich das nicht mehr richtig vorstellen – wir sind geflogen, von Hamburg nach Mailand für 29 Euro. Mit Easyjet, da musste man auf den ein oder anderen Komfort verzichten, zum Beispiel auf Beine oder so. Aber dafür hatte man ein Drei-Gänge-Menü, bei dem jeder Gang mehrere Produkte enthielt, die alle einzeln verpackt waren, und das Besteck war auch verpackt und das Brot dazu auch und der Käse noch mal und das Getränk war auch noch mal in einer Plastiktüte und wenn man die ganze Verpackung erst mal geöffnet und beseitigt hatte, dann war man schon gelandet.

Uns war klar: Wir müssen was ändern, wir kannten ja die Bilder von den in Plastikverpackungen verfangenen Meerestieren und so. Nur war es schwierig, was zu ändern, denn neben dem anstrengenden Job in der Werbeagentur, dreimal die Woche Fitness, zweimal die Woche Sex, dann die Eltern, die immer mehr abbauen, und mindestens ein Freund pro Monat, dem man beim Umzug helfen soll, dann samstags Sportschau, dienstags und mittwochs Champions League, Facebook-Statusmeldungen, Instagram-Follower checken, bei YouTube Videos von Poetry Slammern gucken, und dann hat mich der Text auch erst mal total nachdenklich gemacht, weil das stimmt ja schon, was die sagt, und das kostet ja alles Zeit. Am Wochenende auch mal aufs Land, hier und da ein Junggesellenabschied, die Hemden von der Reinigung holen, Fenster putzen, bei der Telekom anrufen, weil das Internet so langsam ist. Entschuldigen Sie bitte, ich gucke hier gerade Game of Thrones, und mitten in der Szene mit dem bärtigen, nackten Mann, der intim wird mit einem Drachen, der wiederum seine Schwester ist, und dann BLEIBT DAS BILD EINFACH STEHEN. Jetzt lädt der schon seit drei Minuten und ich gucke die ganze Zeit auf diesen Penis! Neben Early-Bird-Festivaltickets online kaufen und Bücher über Sadomaso-Sex lesen, dann auch noch die Kinder, der Kleine muss zum Taekwondo und Charlotte hatte ihre erste Menstruation, Essen kochen, einkaufen, shoppen, Wellness, Maniküre, Pediküre, Sektempfang, ins Kino gehen, Socken stricken, Sudoku in der Mopo, und ich brauch auch mal ein bisschen Zeit für mich!!!

ALSO ’TSCHULDIGUNG, DASS ICH DA NICHT AUCH NOCH ZWISCHENDRIN MAL EBEN DIE ERDERWÄRMUNG STOPPEN KANN!

Ich mach das Fenster auf, schweißgebadet

Es ist ein heißer Tag wie die meisten Tage

Manche sagen: Die Hitze wäre nur eine Phase und von den

Chinesen erfunden

Aber wir waren schon immer gut im Scheißelabern

Jetzt stehe ich am Fenster, gucke raus gerade

Jedes Haus und die Straße unter Staublagen

Man sagte uns, dass wir unserer Zukunft voraus waren

Wie sie wirklich werden sollte, wollten wir uns nicht ausmalen

Wir haben unser Haltbarkeitsdatum deutlich aufgeschoben

Hatten alles, Haus und Boot, ernährten uns ausgewogen

Jetzt wächst nur noch wenig auf dem Boden

Dafür Staub in Poren und taube Ohren

Und ich, ich stehe als alter Mann da

Auf meiner Veranda

Blicke auf den Staub

Ein Kronkorken knallt

Eine Flasche kühles Craft-Bier – klingt gut

Befeuchte meine trockenen Lippen

Und sag mir

Nach mir

Die Sintflut

Poetry for Future

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