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Einleitung

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Als der Sänger Peter Maffay Anfang des Jahres 2018 seine Unplugged-Deutschland-Tournee startete, war dies für viele Journalisten ein Anlass, um ihn, der anfänglich als Softrocker verspottet und mit Tomaten beworfen wurde, nach seinem Erfolgsrezept zu fragen. In einem Interview im Schleswig-Holstein Magazin am 14.02.2018 antwortete er wie folgt (https://www.youtube.com/watch?v=csAooals1OI). Er frage sich:

Wie geh’ ich mit den Leuten um? Wie hör’ ich in mich hinein? Was steckt in mir drin, wo ich mich fordern kann, so dass jemand Anders das erkennt? Diese Sensibilität, die muss man antrainieren. Das ist Training, wie wahrscheinlich in jedem Beruf auch, wo man einfach die handwerklichen Fähigkeiten als Basis hernimmt, um dann daraus Intuition usw. sprechen zu lassen und zu improvisieren. Improvisieren erst, wenn wir wissen, dass die Basis solide ist.

Diese bemerkenswerte Reflexion bietet eine gute Grundlage, um dieses Buch, seine Absicht, seinen Inhalt und seine Struktur einleitend zu skizzieren.

Wir als Autoren bringen unser Wissen und unsere Erfahrung ein, um für einen Fremdsprachenunterricht zu plädieren, der nicht schon deshalb guter Unterricht ist, weil er von einer fachlich kompetenten Lehrkraft verantwortet wird und auch deshalb zu guten Ergebnissen auf Seiten der Lernenden führt. Nach unserer Überzeugung ist der Fremdsprachenunterricht eine privilegierte Instanz für einen interaktiven Prozess, der über den Erwerb einer sprachlichen Kompetenz hinaus zu einer nachhaltigen Lernmotivation aller Beteiligten führt.

Die Fragen, „wie man mit Leuten umgeht“, welches Selbstkonzept man als Unterrichtende/r hat, was man von sich und Anderen fordern kann, sind Fragen, auf die im Unterrichtsalltag immer wieder neue Antworten gefunden werden müssen. Diese von Peter Maffay angesprochene Sensibilität zeichnet jede Lehrkraft aus. Sie zeigt sich in der bewussten und stets aufs Neue reflektierten Einbeziehung des Kontextes, in dem Unterricht stattfindet. Kontext bezeichnet einerseits personale Faktoren wie den einzelnen Schüler/die einzelne Schülerin und die Lerngruppe insgesamt sowie Kolleginnen/Kollegen und Eltern, andererseits Umgebungsfaktoren wie den Lernraum, die Zeitdimension, das Schulprogramm, das Lernmaterial sowie die Lehrpläne. Eine Lernumgebung kontextsensibel einzurichten bedeutet, diesen Faktoren in der Planung, Gestaltung und Auswertung Rechnung zu tragen. Der kontextsensible Fremdsprachenunterricht zeichnet sich dadurch aus, dass das unterrichtliche Lernangebot auf der Basis einer reflektierten Berücksichtigung der genannten Faktoren motivierend und abwechslungsreich angelegt und angeboten wird. Diese Perspektive auf die Lernumgebung ist insofern neu, als der Kontext beispielsweise auch in der internationalen Forschung zum Fremdsprachenlernen meist nur kulturell unterschiedliche Bildungskontexte (z.B. der britische Englischlehrer, der in Peking unterrichtet, oder die französische Lehrerin, die in Australien Französischunterricht für „Aussies“ durchführt)1 berücksichtigt, wohingegen unser Ansatz der Faktorenkomplexität innerhalb eines Bildungskontextes Rechnung trägt.

Unsere nachfolgenden Ausführungen sind nicht der Versuch, normativ eine neue Fremdsprachendidaktik zu schreiben, sondern bilden selbst einen Beitrag zur Reflexion und damit auch zur Sensibilisierung der Vielschichtigkeit unterrichtlicher Aktivität im Fremdsprachenunterricht. Wenn dieses Buch zu einer kritischen Diskussion um eine neue Fokussierung des Fremdsprachenunterrichts führen sollte, ist uns dies recht. Aber um es noch einmal deutlich zu sagen: Es geht uns nicht um eine neue Theorie, sondern um die Ermutigung für einen anderen Weg, eine geweitete Perspektive auf Fremdsprachenunterricht und professionelles Handeln seiner Lehrerinnen und Lehrer.

Im Mittelpunkt unserer Ausführungen steht die Lehrkraft in den Fremdsprachen Englisch und Französisch, wobei wir vermuten, dass unsere Gedanken auch die Kolleginnen und Kollegen der sprachlichen Fächer, die wir selbst nicht vertreten, wie z.B. Spanisch oder auch Deutsch als Fremdsprache, interessieren könnten.

Das Buch ist in Kapitel gegliedert, die zwar in sich geschlossene Abschnitte darstellen, die aber natürlich inhaltlich miteinander in einem Zusammenhang stehen. Wir als Autoren wünschen uns, dass dieses Buch als ein persönliches Arbeitsbuch genutzt wird. Reflexionsaufgaben, Einschübe, die vertiefte, eher theoriegebundene Inhalte unter der Überschrift „Gut zu wissen“ anbieten, sowie Anregungen zum Weiterlesen und vertiefendes Online-Material zum Selbststudium mögen immer wieder zum Lesen anregen, auch wenn die Zeit knapp ist. Schließlich hoffen wir, dass unsere Gedanken auch Eingang in universitäre Praxisseminare, in die Seminarsitzungen in der 2. Phase der Lehrer/innenbildung sowie in Weiterbildungsveranstaltungen finden.

Selbst wenn auf dem Titelblatt lediglich die beiden Autorennamen vermerkt sind, von denen das Buch geschrieben wurde, sind doch mehrere Personen gedanklich am Entstehen eines solchen Studienbuches beteiligt. Danken möchten wir daher ganz ausdrücklich unseren Studierenden sowie Lehrerinnen und Lehrern, mit denen wir die in diesem Buch vorgestellten Ansätze diskutiert und ausprobiert haben. Ihre Anregungen, Ideen und Reflexionen haben dazu beigetragen, dass wir uns der Praxisrelevanz des kontextsensiblen Denkens und Arbeitens sicher sein können. Dank gilt auch den studentischen Hilfskräften für Recherche und organisatorische Unterstützung sowie Angelika Gruber (Englischdidaktik Universität Regensburg) für Feedback und Anregungen zu frühen Fassungen des Manuskripts.

Wir möchten schließlich dem Narr-Verlag danken, hier insbesondere auch Kathrin Heyng, die unser Buchkonzept voll überzeugt hat und die es dankenswerterweise in die Reihe der Studienbücher aufgenommen hat.

Januar 2019 David Gerlach/Eynar Leupold

Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht

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