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7 FLYNN

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»Kommst du jetzt, oder bist du festgewachsen?«

Flynn seufzte. Er schwamm förmlich in seiner viel zu weiten Uniform und kam sich lächerlich vor. Seine größte Sorge war, dass einer seiner Kumpel aus der Water-Zone ihn so sehen könnte. Zum Glück hatten sie den Weg zur Kuppel in Mirandas Wagen zurückgelegt. Ohne ein Wort zu wechseln. Flynn warf ihr einen kurzen Blick zu. Von allen Unantastbaren musste er ausgerechnet mit ihr den Projektnachmittag verbringen. So ein Pech. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst.

Sobald sie den Kontrollposten hinter sich gelassen hatten, war der Wagen stehen geblieben. Miranda war ausgestiegen und gab ihm nun herrische Zeichen, dasselbe zu tun. Langsam folgte er ihr.

»Jetzt sind wir also drin«, sagte Miranda. »Und, freust du dich, dass du die Kuppel von innen sehen darfst?«

Unter anderen Umständen hätte Flynn ihr eine saftige Antwort gegeben, doch er konnte den Blick nicht vom Himmel lösen. Besser gesagt, von den riesigen Monitoren, die die Illusion eines klaren Himmels mit zarten Schäfchenwolken entstehen ließen.

»Mach den Mund zu. Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

Flynn biss die Zähne zusammen, doch es fiel ihm schwer, die Augen von dieser perfekten Täuschung abzuwenden. Schließlich senkte er den Blick und ließ ihn über die Landschaft schweifen. Von außen war die Kuppel nur eine gigantische Halbkugel mit einem Durchmesser von mehr als zehn Kilometern. Ihr Gipfel war so hoch, dass er sich im Smog verlor. Mit der Zeit hatte er gelernt, dieses finstere Bauwerk zu ignorieren, das die ganze Stadt überragte. Aber er hätte sich nie träumen lassen, dass es im Inneren so hell war.

»Wir laufen ein bisschen, damit du dich umschauen kannst«, erklärte Miranda.

Flynn folgte ihr. Überall war es sauber und ordentlich. Keine Schlaglöcher, kein Müll, dafür jede Menge Pflanzen. Noch nie im Leben hatte Flynn so viel Grünzeug gesehen. Die mickrigen Bäumchen, die es außerhalb der Kuppel gab, hätten neben diesen hier eine schlechte Figur abgegeben. Isis würde ausflippen, dachte er. Sie würde bestimmt versuchen, ein paar Samen zu klauen.

»Ist was komisch? Warum lächelst du?«, fragte Miranda.

»Nichts, nichts. Ich musste nur an jemanden denken. Es ist wirklich schön hier.«

»Dabei hast du noch gar nichts gesehen. Das hier ist das Viertel der Funktionäre. Ich wohne weiter oben, auf dem Hügel.«

»In dem Schloss da?«

»Nein. Da wohnt Orion.«

»Ah.«

Miranda war verärgert. Sie wohnte nicht im größten Haus, na und? Flynn fand sie lächerlich. Konnte sie sich nicht über das freuen, was sie hatte?

Als sie an einem Grundstück vorbeikamen, das von einer hohen Hecke umrahmt wurde, war ein Bellen zu hören, und Flynn zuckte zusammen.

Ein Hund!, dachte er. Er hatte ewig keinen mehr gesehen. In den Wasserquartieren war alles, was man essen konnte, schon vor langer Zeit verschwunden. Sogar Ratten landeten im Kochtopf. Hier dagegen hatten die Leute nicht nur genug Geld, um ihren eigenen Hunger zu stillen, sondern konnten auch noch Tiere ernähren. Es war eine andere Welt. Eine Frau trat an die Hecke.

»Hallo«, sagte Flynn.

»Hallo«, erwiderte die Frau lächelnd.

Mit ihren langen schwarzen Haaren und den Mandelaugen war sie eine echte Schönheit.

»Hör auf zu sabbern«, zischte Miranda und stapfte weiter. Flynn eilte ihr hinterher, wobei er sich noch einmal nach der Frau umdrehte. Sie sah wirklich toll aus. Nicht so schön wie Isis, natürlich, aber doch sehr hübsch.

»Warum hast du sie nicht gegrüßt?«, fragte Flynn, den Mirandas Unhöflichkeit überraschte.

»Eine Bedienstete? Sonst noch Wünsche?«

Flynn war erstaunt. Eine Bedienstete? Bei den Reichen sind sogar die Dienstmädchen schön, dachte er. Je länger sie durch die Straßen zogen, desto schwächer wurde sein Staunen, und ein Gemisch aus anderen Gefühlen machte sich breit. Neid, zuallererst, das musste er zugeben. Neid auf jene, die das Glück hatten, hier zu leben … Aber auch mehr Verständnis dafür, wie die Bewohner der Kuppeln tickten. Mit einem Mal verstand er, warum die Leute um keinen Preis nach draußen zurückkehren wollten. An ihrer Stelle hätte er ein solches Privileg ebenfalls bis aufs Blut verteidigt. Aber er war nun mal nicht an ihrer Stelle. Immerhin hatte er es in die gemischte Schule geschafft und somit zumindest die Chance, eines Tages genug zu verdienen, um sich eine kleine Wohnung in der Kuppel zu leisten. Oder er könnte wenigstens hier arbeiten, das wäre auch schon nicht schlecht.

Er hatte erwartet, dass er an diesem Ort sehr wütend werden würde, und war überrascht, dass er nur eine leichte Resignation und sogar einen Hauch von Optimismus fühlte. Er hatte andere Dinge zu bedauern als sich selbst, sagte er sich, während er die wundersamen Dinge bestaunte, die im Schutz der Kuppel gediehen.

»Wir sind gleich da«, sagte Miranda. »Ich habe ein paar Freunde eingeladen.«

Am Pool in Mirandas Garten vergnügten sich bereits zwei Jungen und ein Mädchen in ihrem Alter und hatten sichtlich ihren Spaß. Miranda drückte Flynn eine Badehose in die Hand und zeigte auf eine kleine Hütte, in der er sich umziehen sollte. Drinnen begutachtete Flynn perplex das kleine Stoffstück. Da der Ozean nur noch eine gigantische Müllkippe war, hatte Flynn nie schwimmen gelernt. Aus diesem Grund war er vom wöchentlichen Schwimmunterricht freigestellt und hatte noch nie eine Badehose angezogen. Doch da ihn Mirandas freundlicher Empfang positiv überrascht hatte – immerhin hatte sie ihn sogar mit zu sich nach Hause genommen –, wollte er nicht undankbar sein. Also beschloss er, das komische elastische Höschen anzuziehen. Es saß ganz schön eng. Vielleicht trug man das in der Kuppel so? Er wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte und zuckte die Schultern. Na ja, im Wasser sieht man es ja nicht, dachte er.

Er verließ die Hütte und schlenderte zu Miranda und ihren Freunden hinüber, die ihn am Rand des türkisblauen Wassers erwarteten.

»Baden wir?«, fragte Miranda.

Schon flogen die Handtücher durch die Luft, und Mirandas Freunde liefen zum Becken. Flynn war ganz in das Gefühl des Grases unter seinen nackten Füßen vertieft, das ungewohnt, aber angenehm war. Doch ihm entging nicht, dass die anderen nicht so sonderbare Badehosen hatten wie er selbst. Die beiden Jungs trugen Shorts und Miranda und ihre Freundin perfekt sitzende Bikinis, die ihre makellosen Körper bestens zur Geltung brachten.

»Kommst du?«, rief Miranda.

»Mir ist nicht nach Baden«, erwiderte Flynn, der keine Lust hatte, sich lächerlich zu machen.

Doch Miranda ließ nicht locker. Sie kam zu ihm hinüber und zog an seinem Handtuch. Brüllendes Gelächter ertönte. Flynn war vor Schreck wie erstarrt. Schon knipste Miranda ein Foto mit ihrem Tablet und tippte darauf herum.

»Fertig!«, sagte sie grinsend. »An das soziale Netzwerk der Kuppel geschickt.«

»Und wie lautet die Bildunterschrift?«, fragte ihre Freundin kichernd.

»Die graue Bademode: Knappe Mittel – knappe Höschen!«, kreischte Miranda lachend.

Flynn kochte. Er hatte sich das Handtuch wieder geschnappt und hielt es schützend vor sich. Aber das half ihm jetzt auch nichts mehr. Er hätte sich vor Miranda in Acht nehmen sollen. Dieses Miststück hatte ihn bloßgestellt, im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz kurz erwog er, ihr eine gigantische Ohrfeige zu verpassen, doch er besann sich schnell eines Besseren. Sie war eine Unantastbare und er ein Grauer. Die blütenweiße Uniform, die Van Duick ihm geliehen hatte, änderte daran nichts. Wenn er die Hand gegen Miranda erhob, würde er von der Schule fliegen.

Mit gesenktem Kopf ging er in die Hütte zurück und zog sich wieder an, wobei er sich fragte, was er in seinem Bericht schreiben sollte. Er konnte nur hoffen, dass Isis diesem verdammten Orion Parker das Leben genauso zur Hölle machte.

Draußen ertönte eine erwachsene Stimme.

»Miranda? Bist du nicht in der Schule?«

Flynn hörte, wie Miranda ihrer Mutter den sozialen Projektnachmittag erklärte.

»Was? Ein Grauer in der Kuppel? In unserem eigenen Garten?«, kreischte Mrs. Bergson los. »Ist dein Lehrer verrückt geworden?«

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