Читать книгу Der Traumlord - David Pawn - Страница 12
X.
ОглавлениеEr konnte die Verfolger nicht abschütteln.
Er wusste, dass SIE hinter ihm her waren. SIE lauerten in den Schatten und machten sich einen Spaß daraus, ihn in Angst und Ungewissheit zu 1assen. Stets waren SIE einen Schritt hinter ihm. SIE hätten ihn sofort und ohne Umschweife töten können, aber der Tod hätte seine Qual und IHRE Freude nur beendet, also ließen SIE ihn am Leben. Er lief für SIE wie ein Goldhamster im Laufrad, und SIE hatten ihren Spaß daran.
Er musste seine Höhle erreichen, ehe die Sonne im Zenit stand. Die Hitze des Mittags würde sein Gehirn ausdörren wie eine Dattel. Dann wäre er nicht mehr in der Lage, den Häschern auszuweichen.
Vielleicht waren SIE aber auch bei der Höhle. SIE konnten, nein, SIE mussten wissen, dass er kam. SIE warteten dort und überfielen ihn aus einem Hinterhalt heraus. Es wurde wahrlich Zeit, dass er sich einen zweiten Einstieg zur Höhle schuf.
Einmal hatten SIE seine ganzen Vorräte unbrauchbar gemacht. SIE hatten die Nahrungsmittel einfach aus der Höhle geschafft und in den Sand gelegt. Den Rest hatte die Sonne erledigt, die unbarmherzig herniederbrannte.
Wäre er nicht in ständiger Gefahr, er hätte die Wüste schon lange hinter sich gelassen.
Als er sich entschlossen hatte, aus seinem Heimatdorf zu fliehen, weil die Bedrohung dort schon lange ins Unermessliche gestiegen war, hatte er zunächst vorgehabt, Sameth zu erreichen, die Stadt auf der anderen Seite der Wüste. Aber schnell war ihm klar geworden, dass SIE ihn dort erwarteten. Er wusste nicht, wer SIE waren, aber er wusste, dass SIE in Sameth warteten, um dort zu beenden, was SIE in Bahnil begonnen hatten.
Er konnte nirgendwo hin. SIE folgten ihm. SIE erwarteten ihn, wohin auch immer er sich wenden würde. Nur hier, in der Wüste, hatte er eine Chance, denn die Wüste war IHNEN gegenüber gerade so unerbittlich, wie SIE ihm gegenüber waren.
Manchmal sah er IHRE Gestalten dicht vor der Horizontlinie vorbeiziehen. Dann wünschte er, der Durst, der auch ihn meist plagte, würde SIE umbringen.
Er hatte auch schon Leichen gefunden. Aber SIE waren zu viele. Wie bei Schakalen gab es immer zwei mehr von IHNEN, wenn einer starb.
Das erste Jahr in der Wüste war furchtbar gewesen. SIE hatten offenbar seine Spur verloren, vorerst. Damit hatte er Zeit gewonnen, sich einzurichten. Aber dies war eine Arbeit die fast seinen Tod bedeutet hatte. Die Sonne und der Sand hätten beinahe die Arbeit seiner Häscher beendet.
Monatelang hatte er gebraucht, um die Höhle auszuheben. Ernährt hatte er sich von den wenigen Tieren und Pflanzen, die er in der Wüste fand. Er hatte festgestellt, dass es eine Schlangenart in der Wüste gab, die besonders vorzügliches Fleisch hatte, das so zart war, dass es selbst roh noch eine Delikatesse war.
Er wusste nicht, dass diese Schlage ein Gift besaß, das selbst einen Elefanten mit einem Biss töten konnte. Hätte er es gewusst, er hätte geglaubt, die Häscher hätten ihm diesen tödlichen Leckerbissen untergeschoben.
Er sog den Tieren die er fing stets die Körperflüssigkeit aus, um nicht zu verdursten. Gleichzeitig legte er in einem Nebengelass seiner Höhle einen Brunnen an. Als der Brunnen fertig war, hatte er bereits drei Jahre in der Wüste überlebt.
Er hatte gelernt, den Tau des Morgens in seiner Kleidung zu fangen. Er hatte ebenfalls gelernt, den spärlichen Regen aufzufangen, der hin und wieder vom Himmel fiel. Man musste ihn fast aus der Luft trinken, denn sonst sog die Sonne ihn mit gierigen Zügen sofort wieder auf.
Er hatte Karawanen gefunden, die in der Wüste gescheitert waren. Die gebleichten Knochen der toten Reittiere stützten Höhle und Brunnen ab. Werkzeuge und leere Vorratsbehälter hatte er gefunden. Die Uhr, die er kurze Zeit in seiner Höhle aufbewahrte, hielt er bald für eine Bombe und vernichtete sie.
Jetzt lebte er seit zehn Jahren in der Wüste. Noch immer waren seine Feinde hinter ihm her. Noch immer ließen sie nicht von ihm ab, bedrängten ihn, ließen ihn keinen Frieden finden. Sein Traum war Frieden. Er wollte endlich seine Häscher abschütteln. Sie sollten ihn in Ruhe lassen, damit er nach Bahnil zurückkehren konnte.
In Bahnil lebte seine Mutter. Nein, seine Mutter war tot. SIE hatten sie umgebracht. SIE hatten überhaupt jeden umgebracht, der auf seiner Seite stand. Stets hatten SIE einen IHRER Schergen an die Stelle des Ermordeten gesetzt, einen Schergen, der dem ermordeten Freund oder Verwandten zum Verwechseln ähnlich sah. Aber er hatte diesen Betrug durchschaut. Er hatte die Schergen hinter den Masken erkannt, an ihren Stimmen, ihren Blicken, ihrem Habitus.
Nur auf Grund dieser Fähigkeit, die Schliche seiner Häscher zu durchschauen, war es ihm gelungen zu überleben. SIE hatten ihm das Leben zu Hölle gemacht, aber SIE hatten es ihm nicht nehmen können. Darauf war er stolz.
Manchmal, in den klaren, kalten Nächten der Wüste, stand er vor dem Eingang seiner Höhle und schaute hinauf zum Firmament. Dort oben, so hatte man ihn gelehrt als er zehn oder elf Jahre alt war, gab es Millionen riesige Steinklumpen ähnlich seiner Welt. Er wünschte sich dann zum Himmel blickend, auf einer dieser fremden Welten allein und in Frieden leben zu können. Dort wäre er dann wirklich unerreichbar für seine Verfolger. SIE würden hier auf der Welt hocken, mit verkniffenen, wutentbrannten Gesichtern zu den Sternen aufblicken und ihre Fäuste gen Himmel schütteln. Aber erreichen würde ihn dort oben niemand mehr.
Jetzt aber war er auf dem Weg zurück zu seiner Höhle. Immer wieder wandte er den Blick nach Osten, der Richtung aus der er gekommen war. Von dort würden seine Verfolger kommen. SIE lauerten in den Schatten der Sanddünen, die in westlicher Richtung wanderten. Flach, schlangengleich bewegten SIE sich vorwärts und glaubten, er sähe SIE nicht. Aber SIE konnten ihn nicht täuschen.
Er umging den Eingang zu der Höhle im Wüstensand zunächst in einem weiten Bogen, denn er hoffte, seine Verfolger abschütteln zu können, zumal ein leichter Sturm von Osten her aufkam. Immer wenn es stürmte, konnte er seinen Gegnern entfliehen. Er konnte dann zeitweise sogar über die Angst lachen, die er sonst vor seinen Verfolgern empfand. Aber wenn der Sturm abklang, kamen zuerst Kopfschmerzen und dann auch die Angst zurück.
Als er sich jetzt umwandte, waren die Verfolger verschwunden. Aber vielleicht hatten SIE sein Manöver bemerkt und nur den direkten Weg zur Höhle gewählt. Dort erwarteten SIE ihn nun möglicherweise mit scharfen Schwertern und spitzen Speeren bewaffnet. Er wusste, SIE hatten Waffen aus einem besonderen Stahl. Ein Hieb mit der Klinge eines IHRER Schwerter, würde ihn sofort längs mittendurch teilen. Diese Vorstellung ängstigte ihn besonders. Er stellte es sich entsetzlich vor, wenn einer der Häscher sein gigantisches Schwert hob, auf ihn niedersausen ließ, und er dann zur Hälfte nach links und zur Hälfte nach rechts in den Sand kippte, während sein Blut aus ihm herausströmte und versickerte. Seine Eingeweide würden aus ihm herausquellen, und bald schon kämen die Tiere der Wüste, die er so oft verspeist hatte, um sich nun ihrerseits an ihm gütlich zu tun.
Er hasste diese Vorstellung. Doch manchmal überfiel sie ihn sogar nachts. Denn hörte er Stimmen und das Trappeln von schweren Stiefeln vor dem Höhleneingang.
In solchen Nächten war er schweißgebadet. Er fürchtete, wahnsinnig zu werden, wenn SIE ihn nicht endlich in Frieden ließen. Diese Furcht war völlig unbegründet, denn er war es bereits seit dem entsetzlichen Tod seines Vaters.