Читать книгу Fünf Dinge, die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht - David Richo, David Richo, Дэвид Ричо - Страница 8
Warum ich?
ОглавлениеSehen wir uns mit einer der Gegebenheiten des Lebens konfrontiert, so fragen wir vielleicht: „Warum passiert solch eine schreckliche Sache ausgerechnet einem guten Menschen wie mir? Ich hätte doch wirklich Besseres verdient.“ Die achtsame Version der Frage lautet: „So ist es also gekommen. Und was nun?“ Wir werden bemerken, dass wir glücklicher sind, wenn wir das, was wir am Leben nicht mögen, als eine Gegebenheit des Lebens akzeptieren. Unser achtsames Ja ist ein Eintritt in dieses schützende Paradox.
Wenn wir den Dingen, die wir nicht ändern können, uneingeschränkt zustimmen, sagen wir Ja zu uns selbst, so wie wir sind in unserer sich unaufhörlich entfaltenden Autobiographie. Die Bedingungen der Existenz sind unsere persönlichen Erfahrungen und keine fremden Kräfte oder Hürden, die man vermeiden muss. Sie sind auch die universellen Erfahrungen aller Menschen. Alle Menschen, die je gelebt haben, sind diesen fünf Hauptgegebenheiten begegnet. Das macht sie zu einem Teil des Menschseins, und daher sind sie ein notwendiger Teil. Wenn wir schließlich die Gegebenheiten als Erweiterungen unseres menschlichen Daseins annehmen, sagen wir nicht aus Resignation oder zur Beschwichtigung Ja zu ihnen. Wir sagen Ja zu den Bestandteilen unseres eigenen Menschseins.
Alle Gegebenheiten des Lebens basieren auf einer grundlegenden Tatsache: Jedem von uns kann alles nur Mögliche widerfahren. Das ist die Gegebenheit der Gegebenheiten. Den meisten von uns fällt es schwer, wirklich daran zu glauben, dass dies auch auf uns selbst zutrifft. Wir meinen, richtig großes Glück oder sehr großes Pech stieße nur anderen Menschen zu, nicht aber uns selbst. Voll und ganz daran zu glauben, dass uns jederzeit alles passieren kann, ist eine ausgesprochen erwachsene Errungenschaft, und sie gewährt uns zwei wundervolle Geschenke. Erstens lassen wir ab von der Ansicht, unser Ego sei privilegiert, es habe Anrecht auf Sonderbehandlung. Wir lassen von dem kindischen Glauben ab, ein Retter – sei er nun überweltlicher oder weltlicher Natur – würde kommen und für uns eine Ausnahme machen, so dass uns die harten Schläge des Lebens erspart bleiben. Zu glauben, dass uns alles passieren kann, hilft uns außerdem, demütig zu sein und Kameradschaft gegenüber unseren Mitmenschen zu empfinden. „Nichts Menschliches ist mir fremd“, schrieb der römische Dichter Terenz im zweiten Jahrhundert vor Christi. Es hat etwas Tröstliches, zu einer großen Familie zu gehören, mit allen anderen im selben Boot zu sitzen, ganz gleich wie hart das Leben werden mag.
Die Gegebenheiten des Lebens sind ein Schlüssel zu unserer persönlichen Evolution. Nach der traditionellen buddhistischen Sicht ist die Geburt als Mensch ein großer Segen. Im menschlichen Bereich, heißt es, gäbe es für uns genau die richtige Mischung von Leid und Freude, die es uns erlaubt zu erwachen, zur Erleuchtung zu gelangen. Mit anderen Worten, die Gegebenheiten des Lebens liefern uns genau jene Mischung von Erfahrungen, die wir brauchen, um aufzuwachen.
Allen Dingen wohnt der natürliche, nicht zu unterdrückende Drang inne, sich zu entwickeln, das heißt, innerhalb der sich wandelnden Bedingungen ihrer Umgebung ihr volles Potential zu erreichen. Darum ist auch die Hoffnung, die uns so oft tröstet, kein närrisches Hirngespinst. Hoffnung ist eine authentische Reaktion auf die dem Leben innewohnende Tendenz zur Erfüllung. Ein bedingungsloses – das heißt, achtsames – Ja gegenüber den Gegebenheiten, ohne Diskussion oder Klagen, ist alles, was dazu nötig ist.