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2. Vereinbarkeit mit der DS-GVO

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Mit § 4 BDSG regelt der deutsche Gesetzgeber selbstständig einen bedeutenden Bereich der Verarbeitung personenbezogener Daten. Da die DS-GVO außer einer Erwähnung in den Erwägungsgründen[587] keine spezifische Regelung trifft und mithin keinen eigenen Erlaubnistatbestand zur Videoüberwachung beinhaltet, gewinnt die Regelung im BDSG besondere Bedeutung. Solange eine europäische Norm einen Sachverhalt nicht abschließend regelt, können auch nationale Regelungen bestehen bleiben und insbesondere auch eigene Vorgaben vorsehen.[588] Auch wenn die DS-GVO den Sachverhalt nicht regelt, muss die nationale Regelung zur Videoüberwachung mit dem Primärrecht zum Schutz personenbezogener Daten im Allgemeinen und mit dem unmittelbar geltenden Sekundärrechtsakt im Besonderen vereinbar sein, damit sie unionsrechtskonform ist.

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Das Unionsrecht normiert innerhalb der DS-GVO den Anwendungsbereich, der auch Einfluss auf die Videoüberwachung hat. Zu nennen ist hier zunächst die Ausnahme für private Haushalte vom Anwendungsbereich.[589] Danach findet die DS-GVO keine Anwendung für die vom Datenschutzrecht umfasste Videoüberwachung, die durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher und familiärer Tätigkeiten erfolgt. Konkret handelt es sich hierbei z.B. um die Videoüberwachung des Inneren der eigenen vier Wände. Diese Ausnahme vom Anwendungsbereich ist nach der Rechtsprechung der Unionsgerichtsbarkeit eng auszulegen und endet faktisch unmittelbar hinter den Mauern des privaten Grundstücks.[590] Damit fällt eine solche Überwachung aber auch nicht unter § 4 BDSG, da diese Bestimmung entsprechend der amtlichen Überschrift nur die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume regelt.

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Die Zulässigkeitsgrundlage für die Videoüberwachung wird insbesondere an der im Sekundärrechtsakt normierten Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung (Art. 6) zu messen sein. Die entsprechende Grundlage für die optisch-elektronische Beobachtung ist in der DS-GVO nicht offensichtlich. Sie lässt sich für die Videoüberwachung durch Private jedenfalls nicht auf den herangezogenen Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e i.V.m. Art. 6 Abs. 3 S. 1 stützen.[591] Vielmehr enthält Art. 6 Abs. 2 eine Ermächtigung an den nationalen Gesetzgeber spezifischere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, um eine rechtmäßig erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten. Diese Ermächtigung bezieht sich aber neben der Regelungsbefugnis des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c ausschließlich auf Verarbeitungen „für die Wahrnehmung einer Aufgabe“, die im öffentlichen Interesse liegt (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e). Zweifellos erfüllt ein Verantwortlicher aus dem nichtöffentlichen Bereich mit der Videoüberwachung auch eigene Interessen wie Verkehrssicherungspflichten oder Diebstahlprävention. Gleichwohl dürften die mit der Überwachung verfolgten Aufgaben häufig auch im öffentlichen Interesse liegen. Dies ist etwa bei der Überwachung der in § 4 Abs. 1 S. 2 BDSG genannten Risikobereiche der Fall. Deswegen dürfte die Videoüberwachung gefahrträchtiger Räume durch Private häufig unter die öffentlichen Aufgaben subsumierbar sein, da sie u.a. der Ermöglichung von Strafverfolgung durch Polizei und Justiz dient.[592] Unabhängig entgegenstehender, zulässiger Wertungen hat der Bundesgesetzgeber damit insbesondere im Lichte des Terror-Anschlags auf einem Berliner Weihnachtsmarkt Ende des Jahres 2016 eine zulässige und mit dem Unionsrecht vereinbare Gesetzgebung betrieben.

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In diesem Zusammenhang ist somit entscheidend, ob der nationale Gesetzgeber mit § 4 BDSG dem Begriff des öffentlichen Interesses der DS-GVO ausreichend Rechnung trägt. Das Verhältnis der Öffnungsklauseln in der DS-GVO in Art. 6 zu der nationalen Bestimmung stellt sich als zulässig dar.[593] Auch die Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen im öffentlichen Raum kann zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten oder der Verhütung von Straftaten erfolgen und damit als Aufgabe im öffentlichen Interesse angesehen werden.[594] Derartig spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung von Grundlagen für die Verarbeitung als Aufgabe im öffentlichen Interesse können die Mitgliedstaaten gem. Art. 6 Abs. 2 nicht nur erlassen, sondern ausdrücklich auch „beibehalten“. Die Kongruenz von § 6b BDSG a.F. und § 4 BDSG belegt, dass der Bundesgesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

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Das Unionsrecht stößt sich generell nicht an der Übernahme von Aufgaben im öffentlichen Interesse durch Private. Die „Google Spain“-Entscheidung[595] betrifft privatrechtliche Datenverarbeitung und steht dem Rechtsvollzug eines darin geschaffenen Rechts auf Nicht-Indexierung durch Unternehmen ausdrücklich nicht entgegen.

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Außerhalb des Anwendungsbereichs der DS-GVO besteht kein Bedarf dafür, das BDSG an dieser Stelle in Einklang mit dem Sekundärrechtsakt zu bringen. Schließlich gilt die Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen wird.[596] Solange die Videoüberwachung keinen Dritten innerhalb eines rein persönlichen oder familiären Bereichs berührt, ist das Datenschutzrecht der EU nicht einschlägig.[597]

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§ 4 BDSG als mitgliedstaatliches Recht (Art. 6 Abs. 3 S. 1 lit. b) erlässt damit über die Öffnungsklausel in Art. 6 im Ergebnis spezifische Bestimmungen i.S.d. Art. 6 Abs. 3 S. 3 und steht in Einklang mit dem Unionsrecht. Nachdem der Bundesgesetzgeber sein Datenschutzrecht überarbeitet hat, dürften die Fragen im Zusammenhang mit Abs. 3 S. 3 und Abs. 2 praktisch deutlich in den Hintergrund treten.[598]

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Nach der Rechtsprechung des BVerwG dürften nationale Gesetze aufgrund des Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht regeln.[599] Das BVerwG sieht deswegen keinen Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG für Videoüberwachungen privater Verantwortlicher. Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen zu privaten Zwecken misst sich demnach an Art. 6 Abs. 1 lit. f. Danach muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Das zweistufige Prüfprogramm dieser Bestimmung entspricht jedoch demjenigen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F.[600], welcher der Regelung des § 4 Abs. 1 BDSG als Rechtsnachfolgerin – bis auf minimale redaktionelle Anpassungen – entspricht. Die Verarbeitung ist erforderlich, wenn der Verantwortliche zur Wahrung berechtigter, d.h. schutzwürdiger und objektiv begründbarer Interessen darauf angewiesen ist. Eine nach diesem Maßstab erforderliche Verarbeitung ist zulässig, wenn die Abwägung in dem jeweiligen Einzelfall ergibt, dass berechtigte Interessen des Verantwortlichen höher zu veranschlagen sind als die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person. Somit besteht eine teleologische Kongruenz der Regelungen, die für die Rechtspraxis in aller Regel keinen Unterschied begründen können.

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Im Rahmen des Anwendungsbereichs des BDSG sind öffentliche Stellen (des Bundes) aber demnach unstrittig weiterhin befugt sich auf § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung zu berufen.

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