Читать книгу Auf königlichem Pfad - Deborah Joyner Johnson - Страница 18

Kapitel Vier

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Er lehrte meine Hände zu kämpfen, meine Arme, den ehernen Bogen zu spannen.

(Psalm 18,35)

Zoe war froh, für die Nacht ein Dach über dem Kopf gefunden zu haben – bereits der Gedanke, die Nacht allein im Schierlingswald verbringen zu müssen, war furchterregend und liess sie erschauern. Sie gingen in Feenas Garten, um sich das Gemüse für ihre Mittagsmahlzeit zu suchen, obwohl die Mittagszeit längst vorüber war. In Feenas kleiner Hütte stieg Zoe ein köstlicher Duft in die Nase. Ein kleines Feuer loderte im Ofen, auf dem ein Topf mit Suppe brodelte. Feena schnitt schnell das Gemüse klein und rührte es in die kochende Flüssigkeit.

„Kann ich dir helfen?“, bot Zoe an.

„Nein, nein. Ruh du nur dein hübsches Köpfchen aus. Das Essen ist bald fertig.“

Zoe beobachtete Feena beim Kochen. Sie schien noch jung zu sein, aber dennoch hatte Zoe das untrügliche Gefühl, dass sie älter war, als sie aussah, weil sie über so viel Weisheit verfügte. Sie war grobknochig, stark und voller Selbstvertrauen. In ihrem Haar war keine einzige graue Strähne zu sehen. Sie war eine seltsame, aber faszinierende Frau.

Schon bald setzte Feena die dampfenden Suppenschüsseln auf den Tisch. Während sie assen, entdeckte Zoe ein riesiges Bärenfell und fragte: „Wie hast du so gut schiessen gelernt?“

„Dieser Bär hätt’ mich um ein Haar gekriegt. Nu, ein Freund hat ihn erlegt und mir das Leben gerettet. Er war’s auch, der mir das Schiessen beigebracht hat. Jeden Tag hab ich stundenlang geübt, bis ich endlich ins Schwarze traf. Auch jetzt noch üb ich jeden Tag. Hier, Mädel, nimm noch von dem Brot.“

Beim Essen stellte Zoe eine Frage, die sie beschäftigte, seit sie sich begegnet waren. „Darf ich fragen, wie alt du bist, Feena?“

Feena lächelte: „Achtundfünfzig bin ich.“

Zoe bekam grosse Augen. „Was hast du für ein Geheimnis?“

„Nu“, antwortete sie langsam, „ich dien’ dem König. Glaub, dass er mich jung hält, damit ich alles tun kann, worum er mich bittet. Ausserdem, stimmt schon, hab auch ich die Reise nach Remira gemacht.“

„Wirklich?“

„Schon. Vor etwa sieben Jahren starb meine Mutter, und mein Leben schien so leer. Weisst, hab nie geheiratet und sie hat mir alles bedeutet. Kurz nach ihrem Weggang hab ich die Einladung des Königs bekommen, nach Remira zu gehen. Hab mich entschieden zu gehen, weil ich was mit meinem Leben anfangen wollte.“

Zoe hörte ihr gespannt zu. „Ich war ganz gut im Bogenschiessen, also konnt’ ich mich verteidigen, aber wirklich wahr, es war eine schwierige Reise. Durgalt war mir ständig auf den Fersen. Hab ein Jahr gebraucht, bis ich endlich in Remira war. In dem Jahr hab ich viel über mich selbst gelernt – hab entdeckt, dass ich gar nicht so stark war, wie ich immer gedacht hatte.“

„Moment mal, Feena. Du bist doch eine starke Frau!“

„Nein, ich mein’ gar nicht die körperliche Stärke. Dachte immer, ich hätt’ alles im Griff, aber das stimmt gar nicht. Durgalt und seine Leute griffen mich ständig an, wirklich wahr. Wär’ viel besser gewesen, wenn ich den König um Hilfe gebeten hätt’, statt immer nur allein zu kämpfen. Erst als ich das endlich gelernt hatte, konnte Er mir helfen. Da hab ich die Reise in Ruhe beendet, ohne weitere Kämpfe. War früher eine ganz schön stolze und arrogante Frau. Jetzt leb ich für den König und versuch, immer in Seiner Kraft zu leben.“

Feenas Augen schweiften in die Ferne. „Meine Mutter hat auch immer vom König erzählt – war eine freundliche Frau, wirklich wahr.“

„Darf ich dich noch was fragen?“

Feena nickte. „Wie ist es in Remira?“

„Der schönste, friedlichste Ort, den ich je gesehen hab. Absolut vollkommen. Aber was mir am besten gefallen hat, war der Besuch beim König dort.“

Zoes Blick ging ins Leere. „Irgendwie erscheint mir alles gerade wie ein Traum … und noch dazu wie einer, der sehr weit weg ist.“

„O, so darfst aber nicht denken! Es wird dir schon real werden, je näher du Remira kommst. Wirklich wahr, tust gut dran, den König recht bald um Hilfe zu bitten, Mädel.“ Feena ergriff Zoes Hände. „Als ich in Remira war, hat mir der König gesagt, welche Aufgabe Er für mich hier im Schierlingswald hat.“

„Du meinst, du hast mit Ihm gesprochen … so wie wir hier gerade sprechen?“

„Nu, aber ja doch, Mädel. Wie willst Ihn denn sonst kennen lernen?“

„Wahrscheinlich hast du Recht. Bis ich Seine Einladung nach Remira erhielt, habe ich immer gedacht, es wäre alles nur eine Geschichte, wie ein Märchen.“

„Nu, ist aber alles wahr. Wie geht’s, nachdem gegessen hast?“

Zoe lächelte. „Viel besser, danke schön.“

„Gut so, Mädel. Jetzt müssen wir nämlich mit deiner Ausbildung anfangen.“

Als sie vor die Tür traten, blickte sich Zoe ängstlich nach den Wölfen um. Feena fing ihren verzweifelten Blick auf. „Brauchst keine Angst haben, so bald kommen sie nicht zurück.“

Feena senkte ihre Stimme zu einem Flüstern: „Vielleicht glaubst es nicht, Mädel, aber das ist ein verzauberter Wald, wirklich wahr. Viele Tiere hier können sprechen.“

„Sie können wirklich sprechen?“

„Als ich das zum ersten Mal gehört hab“, lachte Feena, „hab ich gedacht, ich wär’ verrückt geworden. Sowohl die guten wie auch die bösen können sprechen.“

Zoe war so schockiert, dass es ihr beinahe eine Minute lang die Sprache verschlug. Schliesslich fragte sie: „Wie haben sie sprechen gelernt?“

„Nu, das war, als der König eines Tages in den Schierlingswald kam. Er verlieh allen anwesenden Tieren die Gabe, sprechen zu können – selbst den Wölfen, die du heute gesehen hast. Weisst, wir dienen einem ehrenhaften König. Obwohl sie ihre Gabe missbraucht haben, hat Er sie nie zurückgenommen. Er hofft immer noch, dass sie sich eines Tages von ihren bösen Wegen abkehren und Ihm folgen.“

„Das ist aber auch eine Sache! Ich kann es gar nicht erwarten, mit einigen deiner Freunde zu reden!“

„Kommt noch, Mädel! Nu lass uns aber mal zur Lichtung hinter dem Haus gehn. Hast noch viel zu lernen.“

Sie kamen zu einem weiten, offenen Gelände, das als Bogenübungsplatz diente. „Versuch mal, diesen Bogen zu halten. Wie fühlt sich das an?“

Zoe hob den Bogen auf. „Schwerer, als ich gedacht hatte!“

„Nu, wirst dich schon dran gewöhnen. Schau erst mal, wie ich den Bogen halte und wie ich stehe. Hier, meine Füsse sind an der Linie, die ich gezogen hab. Ich ziel nu auf den Kreis an diesem Baumstamm.“

Feena spannte den Bogen, zielte sorgfältig und liess die Sehne schnellen. „Ins Schwarze!“ Zoe sah verblüfft zu, wie Feena noch einige weitere Pfeile abschoss, die jedes Mal wieder im Schwarzen der Zielscheibe stecken blieben.

„Kannst am saubersten schiessen, wenn du seitlich zu deinem Ziel stehst. Die Füsse schulterbreit auseinander. Dreh den Kopf, damit du das Ziel siehst.“

Zoe bewegte sich steif und verkrampft. „Ganz locker, Zoe, wirst sonst nie das Ziel treffen.“

Sie entspannte sich etwas. „Sehr schön, Mädel. Nu klemm die ersten drei Finger hinter die Sehne, um ein Gefühl für den Bogen zu bekommen.“ Als Zoe das versuchte, verlor sie den Halt und der Bogen fiel zu Boden.

„Schon gut, versuchs noch mal. Leg deinen Pfeil auf die Sehne. Er muss auf einer Höhe mit deiner Schulter sein. Dreh den Ellbogen deines Schussarms weg von der Sehne. Perfekt! Nu spann die Sehne quer zur Schulter. Steh gerade.“

Zoe liess den Kopf frustriert sinken. „Feena, du sagst mir zu viele Dinge auf einmal!“

„Ruhig Blut, Mädel. Zurück an deine Schiessübung. An die Kerbe an deinem Kinn muss die Sehne kommen, der Zeigefinger unter dem Kinn. Schau dein Ziel an und ziel drauf. Ganz wichtig, deine Augen dürfen nie von ihrem Ziel weichen. Sobald du es aus den Augen lässt, hast dein Ziel verloren.“

Feena beobachtete Zoe, während sie sich aufstellte. „Zieh deinen Schussarm bis ans Ohr und lass den Pfeil los.“

Zu Zoes Enttäuschung beobachtete sie, wie der Pfeil durch die Luft flog und zwanzig Schritte vor der Zielscheibe auf dem Boden landete.

„Erreichst das Ziel schon noch, Mädel. Warst schon auf der richtigen Linie direkt zum Kreis. Versuchs noch mal.“

Sie übte eine Stunde lang. Obwohl sie noch zu kämpfen hatte, konnte sie den Pfeil jedes Mal ein Stückchen weiter schiessen.

„Zoe, lass gut sein für heute. Richtig stolz bin ich auf dich. Deine Arme werden morgen bestimmt weh tun von der ganzen Überei.“

Zoe sagte Feena nichts davon, aber ihr tat bereits jetzt alles weh. Ihre Oberarme waren so verspannt, dass sie sie vor Schmerzen kaum noch heben konnte. Sie war ziemlich entmutigt, aber auch das sollte Feena nicht wissen.

Auf dem Rückweg ins Häuschen bemerkte Feena, dass Zoe etwas niedergeschlagen aussah. „Mädel, glauben und vertrauen, auch wenn’s mal nicht so gut aussieht, ist wichtig. Wenn du nur glaubst, dass etwas möglich ist – dann ist es möglich. Weiter probieren musst. Wird eine wunderbare Überraschung für dich am Ende, wenn du die Ausbildung fertig hast, Mädel, dann wirst nämlich gewandt, schnell und treffsicher mit dem Bogen sein.“

Als sie endlich im Haus waren, schloss Feena Zoe in die Arme und drückte sie. „Leg dich noch etwas hin, während ich das Abendbrot mache. Musst ausruhen.“

Zoe widersprach nicht. Sie war völlig erschöpft von den Ereignissen des Tages. Sobald ihr Kopf das Kissen berührte, versank sie in einen tiefen Schlaf. Mehrere Stunden vergingen, ehe Feena endlich kam, um sie zu wecken. Schlaftrunken wankte sie an den Tisch, aber sie war hellwach, sobald sie den ersten Löffel Kartoffelsuppe im Mund hatte. „Das ist köstlich!“

„Meine Mutter hat das immer gemacht, als ich noch ein kleines Mädel war.“

„Das klingt, als hättest du eine glückliche Kindheit gehabt.“

„War ganz wunderbar, wirklich wahr.“

„Zoe, erzähl mir von dir“, ermutigte Feena sie.

Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. „Nun ja, ich bin mir nicht so sicher, ob du wirklich mehr von meinem Leben hören willst.“

„Aber natürlich will ich, Mädel.“

Zoe räusperte sich. „An meinen Vater kann ich mich nicht erinnern. Er hat nie bei meiner Mutter und mir gelebt. Meine Mutter war wunderschön, jedenfalls so weit ich mich erinnern kann. Sie hatte langes braunes Haar, grosse blaue Augen und ein wunderschönes Lächeln.“

Zoe sah aus, als wäre sie weit weg. Sie fuhr fort: „Ich erinnere mich, dass sie mir jeden Tag Geschichten erzählte und jeden Abend ein Gutenachtlied sang. Tagsüber war ich bei einer anderen Frau, während meine Mutter arbeitete. Aber wenn sie zu Hause war, haben wir manchmal zusammen Kuchen gebacken. Ich war sehr glücklich mit ihr. Das ist alles, woran ich mich bei meiner Mutter erinnere.“

Zoe unterbrach sich, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir Leid, Feena, normalerweise rede ich nicht darüber.“

Feena legte Zoe tröstend die Hand auf die Schulter, bis sie sich soweit gefangen hatte, ihre Geschichte weiterzuerzählen. Sie wischte sich die Augen, räusperte sich und begann erneut.

„Das letzte Mal habe ich meine Mutter gesehen, als ich vier Jahre alt war, fast fünf. Ich weiss noch, wir waren auf Besuch bei ihrer Schwester, meiner Tante Agathe, und ich habe den ganzen Nachmittag mit meinen Vettern gespielt. Mutter blieb eine Weile, dann sagte sie, sie müsste gehen. Sie hielt mich lange in den Armen, ehe sie sich verabschiedete. Ich weiss noch, dass ich Tränen in ihren Augen sah. Sie verliess das Haus meiner Tante und kehrte nie mehr zurück. Es tat so weh, wie noch nie etwas in meinem Leben wehgetan hatte – auch heute noch, wenn ich da­rüber nachdenke. Ich konnte einfach nicht glauben, dass sie mich nicht mehr liebte. Sie hatte mir immer das Gefühl gegeben, mich sehr zu lieben. Ich fragte meine Tante, wo sie war, aber sie wollte es mir nicht sagen.“

Feena streckte die Hand aus, um ihr sanft über den Rücken zu streichen. „Muss schrecklich wehgetan haben, Mädel, aber ich muss einfach glauben, dass sogar daraus was Gutes werden wird.“

Zoe sah sie zweifelnd an. „Bisher auf jeden Fall nicht. Ich meine, niemand hat je wieder von ihr gehört, seit sie uns verliess.“

Zoe schien tief in Gedanken versunken zu sein, ehe sie erneut sprach: „Meine Tante und Vettern waren freundlich zu mir, aber ich war nie wirklich Teil ihrer Familie. Als ich fünfzehn war, fragte ich meine Tante, ob ich arbeiten und in der Stadt bei Ginevra leben dürfte, einer älteren Frau, mit der ich befreundet war. Sie war Näherin, und ich liebte sie sehr. Meine Tante liess mich gehen.“

Zoes Stirn zeigte mit einem Mal tiefe Furchen. „Ich zog zu Ginevra und arbeitete etwa zwei Jahre lang mit ihr zusammen. Sie brachte mir alles über das Nähen bei, was sie wusste. Manchmal war sie streng und unerbittlich in der Ausbildung. Sie liess mich alles so lange neu machen und wiederholen, bis es fehlerlos und vollkommen war. Ich hasste es, Dinge immer und immer wieder neu machen zu müssen; aber jetzt weiss ich, dass genau das mich zu der Näherin gemacht hat, die ich heute bin.“

„Und was für eine Näherin ist das?“

Zoe blickte zu Boden und tat so, als würde sie einen Krümel auf dem Boden aufheben. „Ich bin in Brenmoor als Näherin sehr gefragt. Ich mache sehr ausgefeilte Kleider und Gewänder für die Frauen in unserem Dorf.“

„So, so. Eine ausgezeichnete Näherin. Nu, hast es also.“

„Was hab ich?“

„Entschlossenheit. Bei der Näherei hast dein Bestes gegeben. Genau so wird’s mit dem Bogen auch sein.“

Zoe blickte sie unsicher an, und Feena lächelte. „Wirst schon sehn, Mädel.“

Feena trat ans Feuer, nahm den Kessel vom Haken und machte Tee, während Zoe mit ihrer Geschichte fortfuhr.

„Ginevra war wie eine Mutter für mich. Sie war es auch, die mir vom König erzählte – aber das schien damals auch alles zu sein – Geschichten. Jetzt frage ich mich, ob auch sie die Reise nach Remira gemacht hat. Als sie starb, versuchte sie, mir noch etwas über Remira zu sagen, aber sie kam nicht mehr dazu. Sie sagte nur, dass der König wunderbar war, sehr gütig, und dass er sie lieben gelehrt hatte. Ich verstand das nicht, da Er doch so weit weg wohnte. Es schien alles nur ein schönes Märchen zu sein. Ich bin dem König noch nicht begegnet; oft frage ich mich, ob ich jemals wirklich wissen werde, dass all das tatsächlich real ist. Es war für mich wie ein Zauberland, das einfach schön klang – bis ich diesen Traum hatte. Wenn das, was ich damals sah, wirklich Remira war, ist es der schönste Ort, den es gibt. Du bist die Erste, die ich treffe, die wirklich dort gewesen ist.“

Zoe nahm einen kleinen Schluck von ihrem Tee. „Auf jeden Fall lebte ich die nächsten zwei Jahre mit Ginevra zusammen. Neben der Erinnerung an meine Mutter war das die glücklichste Zeit meines Lebens. Sie half mir zu vergessen, wie sehr ich meine Mutter vermisste.“

Feena nahm Zoes Hände zwischen ihre eigenen. „Schwierig war’s, Zoe; aber ich weiss, dass nu ein ganz neues Leben auf dich wartet. Was ist dann passiert?“

„Ach ja. Leider starb Ginevra, als ich siebzehn war – das war vor einem Jahr. Sie hinterliess mir ihren ganzen Besitz, weil ich die nächste Angehörige war, die sie hatte. Ein paar Tage vor ihrem Tod hatte sie mir noch gesagt, dass es niemand sonst gab, dem sie ihren Besitz überlassen wollte. Ich weiss, dass sie mich wirklich wie die Tochter liebte, die sie nie gehabt hatte. Sie hinterliess mir auch ihr Geschäft und das Geld, das sie über die Jahre gespart hatte. Sie war fünfundsiebzig, als sie starb, und so hatte sich ein hübsches Vermögen angesammelt. Kurz nachdem ich das Geld ausbezahlt bekommen hatte, kaufte ich ein schönes Stück Land mit einem Bach. Ich bezahlte einige Männer im Dorf, mein kleines Steinhäuschen mit Blick auf den Bach zu bauen. Nach sechs Monaten verliess ich Ginevras gemietetes Geschäft und zog in mein eigenes kleines Zuhause. Seitdem habe ich dort gelebt. Ginevras gesamte Kundschaft ging an mich über.“

Zoe blickte wieder in die Ferne. „Ich vermisse sie immer noch.“

Feena lächelte. „Wirklich eine besondere Frau, Ginevra. Ich glaub, ich hätte sie gemocht.“

Zoe lächelte und strich sich das lange braune Haar hinter die Ohren. „Ich bin mir sicher, du hättest sie gemocht.“

Feena holte den Teekessel und füllte ihre Tassen neu. „Bist erst achtzehn, und hast schon viel im Leben erreicht. Überleg mal, bald ist es Zeit für dich, wieder in das grosse Abenteuer einzusteigen – eines, das du niemals vergessen wirst.“

„Ich freue mich darauf. Aber irgendwie kann ich meine Vergangenheit nicht vergessen … ich wünschte einfach, ich hätte all diese Jahre mit meiner Mutter verbringen können. Manchmal bin ich noch so wütend auf sie. Und dann vermisse ich sie wieder so sehr, dass ich mir wünschte, ich könnte ihr noch einmal begegnen.“

Feena nahm sie in die Arme. „Wer weiss, vielleicht wirst das ja eines Tages.“

„Ich glaube nicht. Sie hätte mich doch wohl schon längst aufsuchen sollen. Ich weiss nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben ist.“

„Nu, wir werden schon sehen. Jetzt lass uns aber erst mal diesen Abwasch machen.“

Nachdem die Arbeit erledigt war, unterhielten sie sich weiter. Aber bald gähnte Zoe. Feena murmelte schläfrig: „Bettzeit. Der morgige Tag wird viel Arbeit bringen. Wir wollen uns für die Nacht verabschieden.“

„Klingt gut, Feena. Noch mal, vielen Dank für alles.“

„Lass gut sein. Bin froh, dass du hier bist“, entgegnete sie mit einem Lächeln.

Zoe schlief ein, während sie noch über Feena nachdachte. Sie bewunderte die Kraft und den Mut, die sie in ihr sah. Sie fragte sich, ob sie selbst jemals halb so mutig sein würde. Aber schliesslich hatte Feena gesagt: „Wenn du glaubst, sind alle Dinge möglich.“

Auf königlichem Pfad

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