Читать книгу Auf königlichem Pfad - Deborah Joyner Johnson - Страница 22
Kapitel Sechs
ОглавлениеUnd der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.
(Philipper 4,7)
„Zoe, ich habe eine wichtige Nachricht von Bantry für dich.“ Der kleine braune Hase blickte sich ängstlich um. „Er hat gestern Nacht eine Beratung von Kamaron mit den anderen Wölfen belauscht. Sie wollen irgendwann heute angreifen. Aber Bantry lässt dir auch ausrichten, dass du dir keine Sorgen machen musst, weil er dich beschützen wird.“
„Wie will Kamaron wissen, dass wir überhaupt noch hier sind?“
„Er wird euch folgen. Er hat geplant, euch anzugreifen, wo auch immer ihr im Wald hingeht.“
„Ich werde sofort Feena Bescheid sagen. Übrigens, wie heisst du eigentlich?“
„Millie.“
„Danke, Millie.“
Sie richtete sich auf ihren Hinterläufen auf und beugte sich etwas näher zu Zoe. „Sie beobachten dich aus der Entfernung; also sei sehr vorsichtig.“
„Das werde ich tun.“ Nachdem Millie verschwunden war, überkam Zoe ein unheimliches Gefühl. Sie lief zu Feena, um ihr die Neuigkeiten mitzuteilen.
„Nu, wollen mal schnell anfangen zu üben.“
„Was? Ich dachte, wir würden sofort zu deiner Hütte zurückkehren, wenn du diese Neuigkeiten hörst.“
„O nein, Zoe. Weisst noch, was ich dir gesagt hab – es gibt kein Davonlaufen.“
„Aber warum muss ich mich so einer Angst aussetzen, wenn wir doch in deinem Häuschen in Sicherheit wären?“
Feena seufzte. „Ich leb schon lange im Wald, aber ich leb nicht in Angst. Musst früher oder später Kamaron entgegentreten.“
„Feena, ich will aber nicht!“
„Du folgst dem König. Er wird dir die Kraft dazu geben, Mädel. Genug geredet. Muss jetzt Frühstück machen.“
Das Frühstück erschien Zoe völlig fad. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum und kaute schweigend. Sie räumten bald wieder zusammen und begannen einen weiteren langen Übungstag. Zoe war nicht in der Lage, sich richtig zu konzentrieren, weil sie sich ständig nach Kamaron umsah. Aber trotz der Schwere, die sie umgab, fühlte Zoe sich im Laufe des Tages etwas besser.
„Guter Schuss, Zoe. Wieder ins Schwarze! Wirst bald öfter ins Schwarze treffen als daneben, Mädel. Wird so natürlich sein wie Atmen.“
Noch während sie sich unterhielten, bezog sich der Himmel mit schwarzen, bedrohlichen Wolken. Zoe hatte ihren Blick auf den Himmel gerichtet, als sie plötzlich ein Blätterrascheln hinter sich vernahm. Sie fuhr herum und ihre Augen suchten das Gebüsch ab, da sie Kamaron erwartete. Zu ihrer grossen Erleichterung war es aber Bantry, der aus dem Schatten auftauchte.
„O ich bin ja so froh, dass du es bist, Bantry!“
„Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich muss mit dir und Feena über Kamaron reden. Es gibt Neuigkeiten. Edan hat ihn ganz in der Nähe entdeckt. Also, ehrlich gesagt bin ich ziemlich überrascht, dass er bisher noch nicht angegriffen hat, weil er sich schon den ganzen Tag in der Gegend herumtreibt.“
Feena trat auf Bantry zu. „Sein Plan ist sicherlich, uns zu verunsichern. Aber wir sind bereit für ihn, wirklich wahr. Wartet auf mein Signal, ehe wir angreifen. Vielleicht können wir den Kampf ja doch noch vermeiden.“
Ein Blitz zuckte vom Himmel und schlug in einen Baum in ihrer Nähe ein. Feena wandte sich an Zoe: „Halt dich an mich, dann musst dir keine Sorgen machen. Denk dran, vertrau dem König!“
Zoe konnte Feena nur anstarren. Wie soll ich dem König denn vertrauen, wenn ich Ihn noch nicht einmal gesehen oder mit Ihm gesprochen habe?
Zu Zoes grösstem Entsetzen tauchte gerade in diesem Augenblick Kamaron mit etwa fünfzig weiteren furchterregenden Tieren auf. Sie nahm ihren Anblick mit geweiteten Augen in sich auf. Da waren drei riesige Braunbären, fünf Pumas, etwa zwanzig Wölfe, und die Übrigen waren kleinere Tiere – Dachse, Eichhörnchen und Stinktiere.
„Ich bin hier, um das Mädchen zu holen. Wir tun ihr nichts, wenn ihr sie uns jetzt übergebt. Ich bringe sie nur zu ihrem Haus zurück.“
„Nein, Kamaron. Sie wird niemals mit dir zurückgehen“, erklärte Feena fest, während sie ihren Freunden das Signal zur Aufstellung gab.
Kamaron beobachtete, wie sich Feenas Freunde versammelten, aber er schien sich weiter keine Sorgen darüber zu machen, da er seine besten Kämpfer um sich geschart hatte. „Wir können sie leicht überwältigen. Das ist eure letzte Chance, Feena. Liefere sie mir aus!“
„Niemals! Sie bleibt hier!“ Feena hob ihren Bogen und befahl Zoe, das Gleiche zu tun. Beide zielten auf Kamaron.
„Du wirst diesen Bogen niemals wirklich gebrauchen“, spottete Kamaron. „Du verletzt andere nicht gerne.“
Feena schleuderte ihm entgegen: „Stimmt. Andere verletzen tu ich nicht gerne, aber gebrauchen werd’ ich ihn! Weisst selbst, was für ein Schütze ich bin.“
Er schob sich näher an Zoe heran. „Zurück!“, brüllte Feena.
Ihre Augen wichen keinen Moment von Kamaron, als Feena sich zur Seite beugte und Zoe zuflüsterte: „Mach dich bereit zu schiessen.“
Er wich zurück und funkelte Zoe böse an. „Was glaubst du eigentlich, wird hier gespielt?“
Zitternd wagte Zoe ein Schritt nach vorne. „Ich … ich werde nicht mit dir gehen. Weder jetzt noch sonst irgendwann!“
Kamaron machte wieder einen Schritt auf Zoe zu und befahl dem Rest seiner Truppe, ihm zu folgen. Gleichzeitig bewegten sich Bantry und seine Kämpfer auf Kamaron zu. Bantry hielt seinen Blick unverwandt auf Kamaron gerichtet, aber er wartete immer noch auf Feenas Signal zum Angriff.
Zoe zielte auf Kamaron. Feena vertraut dem König … ich muss Ihm auch vertrauen! Kamaron und seine Gefolgsleute kamen immer näher. Plötzlich, als Zoe kurz davor war, ihren Pfeil von der Sehne schnellen zu lassen, zuckte ein gewaltiger Blitz vom Himmel und schlug in einen Baum unmittelbar hinter Kamaron ein. Er sah den Baum umstürzen, aber es gelang ihm nicht mehr, sich in Sicherheit zu bringen. Sein eines Bein war unter dem Baum eingeklemmt, der mit solchem Getöse zu Boden stürzte, dass es beinahe den Donner noch übertönte. Seine übrige Truppe stob in Panik auseinander. Kamaron jaulte vor Schmerzen, aber er nahm seine ganze Kraft zusammen und zog seinen zerquetschten Lauf unter dem Baum hervor. Er humpelte davon und knurrte noch: „Ich werde niemals aufgeben. Ich komme wieder …“
Sie sahen ihm nach, als er davonschlich und seinen verletzten Lauf nachzog. Feena sah Zoe mit wissenden Augen an und meinte: „Siehst jetzt, was ich dir sagen will?“
Zoe nickte. „Als Kamaron näher kam, wusste ich, dass ich dem König vertrauen muss. In dem Moment strömte ein erstaunlicher Friede durch meinen ganzen Körper. Der Baum ist genau in dem Augenblick umgestürzt, als Kamaron angreifen wollte. Der König hat mich wirklich beschützt.“
Feena lächelte mit ihrem lieblichen Lächeln. „Wirklich wahr! Das hat Er.“
Zoe blickte noch einmal zu dem umgestürzten Baum hinüber, als sie etwas glitzern sah. Sie ging hin und entdeckte, dass es sich dabei um einen Schlüssel handelte. Sie hob ihn auf, um ihn genauer anzusehen. Na so was, er ist aus echtem Gold und so schwer, dachte sie noch. „Sieh mal, Feena, da steht was drauf. Friede. Ich frage mich, wo er herkommt.“
Zoe bemerkte, dass der Schlüssel genau an der Stelle gelegen hatte, wo der Blitz eingeschlagen hatte. Feena setzte sich neben Zoe auf den Baumstamm und drückte sie. „Stolz bin ich auf dich, Zoe. Der König hat dir den Schlüssel zum Frieden geschenkt. Ist jetzt ein Teil von dir. Der Schlüssel bedeutet, dass du den ersten Schritt gegangen bist, Ihm zu vertrauen. Hast gelernt, auch in einer schwierigen Situation von Ihm Frieden zu empfangen. Hüte diesen Schlüssel und behalte ihn in deinem Herzen. Ist ein ganz besonderes Geschenk des Königs, Mädel.“
Während Zoe noch den Schlüssel in der Hand hielt, ging ihr mit einem Mal die Bedeutung der Tasche an der Innenseite ihres Kleides auf. Sie steckte den Schlüssel hinein und spürte sofort, wie sich ein tiefer Friede in ihrem Herzen ausbreitete. Sie genoss diesen Moment der Erfüllung, und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht – sie hatte das Gefühl, dass soeben ein Schatz tief in ihrem Herzen eingepflanzt worden war.
Feena lächelte. „Wirst noch viel mehr lernen auf dieser Reise. Ist nur der Anfang!“
Die Tiere versammelten sich still um Zoe und Feena. Bantry fragte: „Sollen wir euch jetzt zu eurer Hütte begleiten?“
Zoe antwortete: „Ja, wenn Feena das gut findet, würde ich gerne zurückgehen.“ Feena nickte zustimmend. „Vielen Dank für alles.“
Bantry verbeugte sich: „Es war uns ein Vergnügen.“
In diesem Moment setzte ein Platzregen ein, so dass sie ihr Lager eilig zusammenpackten und sich auf den Rückweg machten. Sobald sie Feenas Häuschen erreicht hatten, verabschiedeten sich die Tiere und verschwanden schweigend im Wald. Zoe und Feena traten voller Dankbarkeit in die heimelige Hütte und zündeten ein loderndes Feuer an. Sie setzten sich, um ihre durchgefrorenen Füsse zu wärmen.
Zoe starrte in die Flammen und dachte über alles nach, was an diesem Tag geschehen war. Es musste der König selbst gewesen sein, der den Blitz in den Baum hatte einschlagen lassen. Er schützte sie wirklich. Sie wollte den Rest ihres Lebens in dem Frieden leben, den sie gerade verspürte. Sie nahm den Schlüssel aus ihrer Brusttasche und wog ihn in der Hand. Dabei erkannte sie, dass die Angst sie nicht länger im Griff hatte – Terronas oder Kamaron waren nicht länger wichtig. Sie wusste von ganzem Herzen, dass der König wirklich lebte und dass sie nie wieder an Ihm zweifeln würde.
Zoe nahm sich ihr Tagebuch vor und wischte sich schnell eine Träne aus dem Gesicht, damit sie nicht auf die Seiten fallen und sie verschmieren würde. Sie schrieb über den neuen Frieden, den sie empfangen hatte. Als sie fertig war, fühlte sie sich warm, ruhig, friedvoll und voller Dankbarkeit dem König gegenüber. Die Last der Angst, die sie so lange getragen hatte, war verschwunden. Sie hatte sie dem König übergeben, der sie ihr gerne abgenommen und ihr stattdessen Seinen Frieden gegeben hatte.