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KAPITEL 6

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Zoe saß in Hopes Büro im Rusty Nail. Allmählich wurde ihr das Ausmaß des Ganzen bewusst.

Der Sheriff war aufgetaucht, als Kyle gerade weg war. Sie hatte keine Anzeige erstattet, obwohl alle sie dazu ermutigt hatten. Sie wollte einfach, dass diese Nacht endlich ein Ende nahm. Ein Sanitäter hatte sich um Gracie und sie gekümmert. Alles würde schnell wieder gut werden.

Körperlich zumindest.

Nachdem der Sheriff sich verabschiedet hatte, zerstreute sich die kleine Menschenmenge, kehrte zurück zu Freunden und unterbrochenen Unterhaltungen. Jetzt stand ein ganz neues Gesprächsthema auf dem Zettel. Bis morgen früh würde der Tratsch sich in der ganzen Stadt verbreitet haben.

Die Musik spielte weiter, der Bass war bis ins Büro der Geschäftsleitung zu hören.

Hope tupfte Zoes Lippe vorsichtig mit einem Papiertaschentuch ab. „Tut mir leid, falls das wehtut.“

„Alles gut.“

Im Waschraum nebenan wusch Brady Gracies Bein ab, und Cruz stand wie ein Schutzengel in der Bürotür. Mit seinen angespannten Gesichtsmuskeln und den dunklen, bohrenden Augen sah er respekteinflößend aus. Eines dieser Augen schwoll gerade an. Am Morgen würde er ein ordentliches Veilchen haben. Seine Arme waren vor dem Körper verschränkt. Unter den Ärmeln wölbten sich seine Muskeln. Nicht ein einziges Mal hatte er mit ihr gesprochen.

Erst jetzt fing Zoe an, den Schmerz in ihrem Unterkiefer zu spüren. Das würde ein blauer Fleck vom Feinsten werden. Aber die Verletzung war nichts, verglichen mit der dämmernden Erkenntnis, was ihre Umstände anging.

Kyle war weg. Er war mit Gracies Kindersitz verschwunden – mit ihrem Auto. Seinem Auto, ermahnte sie sich. Es lief auf seinen Namen. Wie alles andere auch, von dem sie sich gerade verabschiedet hatte. Vermutlich hielt er auf seinem Weg aus der Stadt hinaus kurz am Hotel und nahm alles mit, was sie mitgebracht hatten.

„Was habe ich nur gemacht?“ Mit zitternden Fingern umklammerte sie ihre Handtasche – ihre letzte Habseligkeit.

„Etwas, das du schon längst hättest tun sollen“, sagte Hope entschieden.

„Du verstehst das nicht.“

„Er hat dich geschlagen, Zoe. Das ist nicht okay.“

„Ich weiß.“

Zoe zuckte schmerzhaft zusammen, als Hope die Wunde abtupfte. Aber die Verletzung tat nicht annähernd so weh wie ihr Stolz. War sie so tief gesunken?

„Entschuldigung.“ Hopes Berührung wurde sanfter. „Hat er das schon mal gemacht?“

„Nein.“

Hope zog die Augenbrauen über den grünen Augen hoch und schaute sie skeptisch an.

„Hat er wirklich nicht.“ Vielleicht hatte er sie ein- oder zweimal geschubst. Aber nur, wenn sie ihn wirklich aufgeregt hatte. Und zu Gracie war er immer nur lieb gewesen.

Gracie.

Sie hatte nicht einmal Kleidung zum Wechseln für die Kleine. Oder einen Schlafplatz. Sie schloss die Augen, während der Sorgenpegel anstieg wie ein Bach im Frühling.

„Es wird alles gut werden“, sagte Hope. „Wirst schon sehen.“

„Ich habe kein Auto. Ich habe keine Arbeit“, sagte sie leise; sie wollte nicht, dass Cruz oder Brady das hörten. „In meiner Handtasche habe ich nur zwanzig Dollar! Meine Kreditkarte läuft auf seinen Namen, die wird er sperren lassen.“

Hope umfasste ihre ruhelosen Hände. „Du hast eine Familie, und wir werden uns um dich kümmern.“

Zoe riss sich los. „Ich will mich nicht umsorgen lassen!“

Sie hatte es so satt, umsorgt zu werden. Hatte es satt, andere Leute Entscheidungen für sie treffen zu lassen. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen? Früher war sie so unabhängig und mutig und kämpferisch gewesen. So wie Granny. Das hatten alle gesagt.

„Du hast das Bauernhaus und die Plantage. Lass uns einfach einen Tag nach dem anderen angehen. Möchtest du heute Nacht dort bleiben oder bei mir zu Hause schlafen?“

„Sie bleibt nicht allein.“

Zoe sah Cruz wütend an.

„Er könnte zurückkommen.“

„Das stimmt“, sagte Hope, die von Cruz zu Zoe sah. „Meinst du, das wird er machen?“

Sie musste zugeben, dass er recht hatte, und auch das war ihr zuwider. Sosehr sie auch ihre vernachlässigte Unabhängigkeit hochhalten wollte, musste sie doch auch an Gracie denken. Kyle hatte sich zwar so angehört, als wäre er fertig mit ihr, aber er war unberechenbar. Konnte sein, er überlegte es sich noch mal, wegen all der Zeit und Mühe, die er in sie und ihre Beziehung investiert hatte. Von der Band ganz zu schweigen.

Komisch, dass Liebe nicht einmal jetzt ein Argument war. „Ich weiß es nicht.“

„Er wird seine Tochter nicht einfach so gehen lassen.“ Das kam von Cruz.

Zoe kniff die Lippen zusammen. Sie begegnete Hopes Blick. Sie wussten beide, dass Kyle keinen gesetzlichen Anspruch auf Gracie hatte, aber das würden sie Cruz ganz sicher nicht sagen.

„Warum bleibst du heute Nacht nicht einfach bei mir?“, fragte Hope. „Auf dem Heimweg halten wir bei Walmart an und besorgen das Nötigste.“

Gracie betrat das Zimmer. Ihre roten Locken tanzten, Brady folgte ihr auf dem Fuß. Ihre Tochter sah nicht weiter angeschlagen aus. Zoe hoffte, dass sie zu schläfrig gewesen war, um alles richtig mitbekommen zu haben.

Sie kletterte auf Zoes Schoß und gab mit ihrem Pflaster an. „Guck, Mama! Onkel Brady hat mein Aua heile macht.“

Zoe zwang sich zu lächeln. „Das sehe ich, meine Kleine. Hat er ein Küsschen daraufgemacht?“

„Nein.“ Sie schaute Brady mit gerunzelter Stirn an. „Onkel Brady, du hast kein Küsschen auf mein Aua macht!“

„Entschuldigung, Süße. Ich übe noch.“

Zoe gab dem Pflaster einen dicken Kuss. „Na siehst du. Viel besser.“

Stirnrunzelnd hielt Gracie die Wangen ihrer Mama in beiden Händen. „Mama, du hast ja auch ein Aua!“

„Ich weiß, Schätzchen, aber das ist schon viel besser.“

Gracie beugte sich vor und küsste ihren Mundwinkel. „Jetzt ist es viel besser.“


Cruz beobachtete Zoe. Ihre Unterlippe schwoll an, der Riss im Mundwinkel sah rot und fies aus. Ihr Kinn lief im selben Maß blau an, wie sich seine Stimmung verdüsterte.

Er wünschte, er hätte ein paar Treffer mehr landen können, bevor Brady eingegriffen hatte. Wünschte sich, man hätte Kyle ins Gefängnis gesteckt, wo er hingehörte. Was fiel dem eigentlich ein, eine Frau zu schlagen? Eine Frau, um die er sich doch eigentlich kümmern sollte? Und was hatte er Zoe und ihrer Tochter in den Jahren, in denen sie weggewesen waren, sonst noch angetan?

Kein Wunder, dass sie nur noch ein Schatten ihres früheren Ichs war.

Und dennoch war das Erste, was Cruz getan hatte, als er Kyle Auge in Auge gegenübergestanden hatte, ihn zu provozieren. Er zuckte zusammen. Überwältigende Schuldgefühle überkamen ihn. Er sah Zoe schwanken, als Hope ihr auf die Beine half, und fand im Stillen allerlei Namen für seine Dummheit.

Brady nahm das kleine Mädchen, und Hope schnappte sich Zoes Handtasche.

„Übernachtet sie bei dir?“, fragte Cruz Hope, als sie bei ihm waren.

„Ja, aber wir machen noch einen Schlenker beim Supermarkt vorbei.“

„Sie sollte zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen.“

Zoe erwiderte seinen Blick unverwandt. „Hört auf, von mir zu reden, als wäre ich gar nicht da.“

Er war froh, endlich einen Funken Zorn in diesen grünen Augen zu entdecken, auch wenn der sich gerade gegen ihn richtete. „Tut mir leid.“

Ihm tat so viel mehr leid als nur das. Sein Blick fiel auf ihr anschwellendes Kinn, und er streckte eine Hand aus, um sie zu streicheln. Aber ebenso schnell ließ er die Hand auch wieder fallen. Er hatte kein Recht, sie zu berühren.

„Besser, du legst so schnell wie möglich Eis drauf“, sagte er. „Das schwillt ziemlich übel an.“

„Selber.“ Ihr Blick wurde weicher, ehe sie ihn schnell wieder senkte. Sie räusperte sich. „Danke für deine Hilfe heute Abend.“

Er wartete einen Moment, aber sie sah ihn nicht wieder an.

„Jederzeit, Zoe.“

Er würde all ihre Drachen bekämpfen, jeden einzelnen davon, und sie brauchte ihn nicht einmal darum zu bitten. Das hatte damals gestimmt, und das stimmte heute noch. Das erste Mal seit Jahren erlaubte er sich, an ihre lange und komplizierte gemeinsame Geschichte zu denken. Erlaubte sich, sich daran zu erinnern, wie alles begonnen und wie alles geendet hatte.

Der Duft von Pfirsichen

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