Читать книгу Der Duft von Pfirsichen - Denise Hunter, Denise Hunter - Страница 9
KAPITEL 4
ОглавлениеZoe wusste nicht, wie sie sich von Kyle dazu hatte überreden lassen können, heute mitzukommen. Das Rusty Nail war brechend voll mit Leuten aus dem Städtchen, alle Plätze waren belegt, und an der Bar sammelte sich eine Menschenmenge. Der Duft gegrillter Burger hing schwer in der Luft und drehte ihr den Magen um. Rawley Watkins, der Sänger von Last Chance, schmetterte einen Countrysong über eine Verflossene.
Zoe schob ihren Teller zurück und half Gracie, an ihren Saftbecher zu kommen. Kyle saß am Tisch nebenan, wo er sich mit Axel Brown und Garret Morgan unterhielt. Mit stolzgeschwellter Brust beantwortete er ihre Fragen über sein Leben als Rockstar.
Sie blendete die Unterhaltung aus und sah zum hundertsten Mal zum Eingang. Ein paar Nachzügler kamen herein, niemand, den sie erkannt hätte.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Band auf der Bühne zu, wo gerade einer der Musiker ein mitreißendes Violinsolo zum Besten gab. Die Menge applaudierte, als das Solo endete und der Refrain wieder angestimmt wurde.
„Mama!“ Gracie streckte die Arme aus. „Heb mich hoch!“
Zoe hob ihre Tochter aus ihrem Kindersitz. „Bist du ganz satt, mein Schatz?“
„Ja.“ Gracie rieb sich die Augen mit ihren kleinen drallen Fingern, die Zoe zum Glück gerade saubergemacht hatte.
Die Band würde bald eine Pause einlegen, und Zoe hoffte, dass Kyle dann bereit zum Aufbruch war. Sie hatten dann zwar erst ein Set gespielt, aber Gracie musste ins Bett. Doch dem Fanclub nach, der sich langsam um Kyle scharte, würde es schwer werden, ihn hier herauszubekommen.
Brady kam mit ihren Getränken zurück zum Tisch, als die Band ihre erste Pause ankündigte. Hope schlängelte sich um die anderen Tische, wo sie sich immer wieder bei den Gästen nach ihrer Zufriedenheit erkundigte.
„Soll ich sie mal nehmen?“, fragte Brady mit einem Nicken in Gracies Richtung, die sich an ihre Schulter gekuschelt hatte.
„Mir geht’s gut.“
„Pause.“ Hope ließ sich auf einen Platz an ihrem Tisch fallen und hob eine Augenbraue, während sie Brady in Augenschein nahm. „Schickes Hemd, Collins.“
Brady schaute an sich hinab, während er eine Serviette anfeuchtete. „Auf das möglicherweise einer ein Bäuerchen gemacht hat. Vielleicht, vielleicht auch nicht.“
„Ach, lustige Farben stehen dir doch. Die heben deine Sonnenbräune hervor.“
„Genau das war mein Ziel.“
„Wo ist denn der kleine Sammy?“, fragte Hope. „Ich will kuscheln.“
„Mein Wochenende mit ihm ist kürzer ausgefallen als geplant. Lange Geschichte.“
„Das war ein tolles Set“, sagte Zoe. „Die Band ist noch besser, als ich sie in Erinnerung hatte.“
„Wir müssen dich da raufkriegen, Süße. Beim nächsten Set. Komm schon, bitte, bitte!“
„Du solltest das machen“, sagte ihr Bruder.
„Oh nein. Ich habe diese Woche frei.“ Beim Gedanken, vor all diesen vertrauten Gesichtern zu singen, wurde ihr Mund ganz trocken. Außerdem würde Kyle das nicht gefallen, und die Stimmung zwischen ihnen war so geladen, dass der Stromschlag einer Entladung einen ausgewachsenen Elefanten umgehauen hätte.
„Aber ihr solltet Kyle bitten zu singen“, sagte Zoe. „Der würde das wahrscheinlich machen.“
„Ernsthaft? Die Band würde eher ihren Auftritt beenden, als ihn auf die Bühne zu lassen.“ Hope stützte ihre Arme auf dem Tisch auf und beugte sich näher zu ihr. „Zoe, wann wirst du diesen Loser endlich verlassen? Der tut dir nicht gut.“
Brady hob seine Cola. „Weiter so, Hope. Recht hast du.“
Es war nichts, was Zoe sich nicht selbst schon Hunderte Male gesagt hatte. Sie und Kyle hatten mit „nur Freunde“ angefangen, aber jetzt war ihr Leben, ihr Lebensunterhalt, mit seinem verwoben. Und sie hatte nicht den Schneid, das aufzudröseln.
Hope legte ihre Hand auf Zoes Arm. „Komm nach Hause. Übernimm die Plantage. Du wirst eine Unterkunft haben – ein stabiles Zuhause für Gracie, in der Nähe deiner Familie.“
„Du hättest ein gutes Auskommen“, sagte Brady. „Und wir wären immer für dich da.“
Zoe weigerte sich zuzugeben, dass ihr genau das den ganzen Tag durch den Kopf gegangen war. „Hört auf, euch auf mich einzuschießen.“
„Du bist uns wichtig, Zoe“, sagte Hope. „Und uns gefällt nicht, wie er dich behandelt.“
Zoe schaute reflexartig zum Tisch nebenan, nur, um festzustellen, dass Kyle seinen Blick auf sie gerichtet hatte. Sie wusste, dass er ihre Unterhaltung nicht hören konnte, aber aufgrund der Art, wie er sie mit schmalen Augen fixierte, fragte sie sich, ob er nicht doch telepathische Fähigkeiten besaß.
Ein Schauder jagte ihr über den Rücken. Sie unterbrach den Blickkontakt und begann, mit ihrer freien Hand in ihrer Handtasche herumzuwühlen. Wonach sie suchte, wusste sie selbst nicht.
„Du bist anders“, sagte Brady. „Er hat dich von deiner Familie isoliert. Merkst du das denn nicht?“
„Was wird das hier, habt ihr euch gegen mich verschworen?“ Sie lief rot an, während sie weiter in ihrer Tasche kramte und schließlich einen Lippenpflegestift fand. Mit zitternder Hand rieb sie Gracies Lippen damit ein.
„Du brauchst ihn nicht“, sagte Hope. „Wenn du wegen der Band bei ihm bleibst, na, Last Chance würden dich sofort nehmen. Ich weiß, die sind nicht so groß wie Brevity, aber der Stil passt viel besser zu dir. Bitte denk darüber nach.“
„Du weißt, warum Granny dir die Plantage hinterlassen hat. Weil du hierhin gehörst. Weil du da schon immer hingehört hast. Du kannst sie nicht verkaufen. Willst du denn wirklich zusehen, wie das alles nicht mehr der Familie gehört?“
Auf einmal hatte Zoe es satt, gesagt zu bekommen, was sie tun sollte. Was sie denken sollte. Was sie fühlen sollte. „Hört auf, mich unter Druck zu setzen!“
Brady und Hope wechselten einen Blick.
„Wir wollen dich nicht unter Druck setzen, Süße“, sagte Hope und drückte ihre Hand. „Wir wollen nur dein Bestes.“
Zoe fühlte mehr, als dass sie es sah, wie die Eingangstür sich öffnete. Ihr Herz tat einen ordentlichen Schlag, als Cruz über die Schwelle trat und die Menschenmenge in Augenschein nahm. In seinem Karohemd und den abgetragenen blauen Jeans sah er aus wie der Traum eines jeden Landmädchens.
Zoe riss ihren Blick los und schob sich vom Tisch weg. „Ich gehe mit Gracie aufs Klo.“ Mit dem überraschten kleinen Mädchen an der Hand wich Zoe den Tischen aus, eilte den kurzen Flur hinunter und duckte sich in die Damentoilette, während ihr Herzschlag dem Rhythmus des lebhaften Lieds folgte, das aus den Lautsprechern dröhnte.
Cruz sah sich in dem gutbesuchten Restaurant um. Es war packend voll heute, wie immer, wenn Last Chance spielten. Seine Freunde hatten ihm versprochen, ihm einen Platz freizuhalten, aber weil er wusste, dass die Kellnerinnen heute kaum nachkamen, ging er erst einmal an die Bar, an der sich die Menschen aneinanderdrängten.
Sein Blick blieb an einer Frau hängen, die in die entgegengesetzte Richtung hastete. Es dauerte einen Moment, bis er Zoes schlanke Gestalt erkannte. Beim Anblick des Kindes an ihrer Hand ballte sich in seiner Magengrube eine Faust zusammen. Er schaute weg.
Diese letzten Wochen, bevor sie verschwunden war, fingen an, sich in lebhaften bunten Farben vor seinem inneren Auge zu wiederholen. Das altbekannte Ziehen in seiner Brust kehrte zurück, machte ihm das Atmen schwer. Er musste aufhören, an sie zu denken. Bald würde sie wieder verschwunden sein, genau wie beim letzten Mal, und er hatte keine Lust mehr, diese wunde Stelle seiner Seele pflegen zu müssen.
Als er an der Reihe war, bestellte er einen Drink und nahm Geld aus seinem Portemonnaie. Er war gerade dabei, den Geldbeutel wieder in seine Hosentasche zu stopfen, als sich die Härchen auf seinen Armen aufrichteten.
Überraschung, Überraschung. Eine Armlänge entfernt stand Kyle, der ihn mit einem schadenfrohen Funkeln in seinen kalten blauen Augen anstarrte.
Das Lied endete, und einige lange Herzschläge lang überwog das lebhafte Rauschen der Menschenmenge.
Kyle zog einen Mundwinkel hoch. „Huntley. Wie ich sehe, hängst du immer noch in dem Nest hier fest.“
Das sollte ein Gruß sein, aber der spöttische Tonfall und der selbstgefällige Gesichtsausdruck weckten in Cruz den Wunsch, ihm einen Kinnhaken zu verpassen.
„Jimmerson.“ Er täuschte Gleichgültigkeit vor, aber er konnte nicht anders, er musste gegenhalten. „Wie geht’s meinem Mädchen?“
Kyles Lippen wurden zu einem geraden Strich. Seine Nasenlöcher blähten sich. Muskeln, die wahrscheinlich in irgendeinem tollen Fitnessraum in irgendeinem schicken Hotel gestählt worden waren, traten vor, als er seinen Rücken durchstreckte.
Cruz war froh um die paar Extrazentimeter, um die er Kyle überragte, und hoffte wie verrückt, dass dieser Idiot den ersten Schlag tun würde. Lange genug hatte es ja gedauert.
Aber Kyle hatte wohl Angst davor, sich sein hübsches Gesicht kaputtzumachen. Als das nächste Lied losging, entspannte er sich langsam, und der angeberische Ausdruck kehrte zurück.
„Sie ist schon lange nicht mehr dein Mädchen, Huntley.“ In seinen Augen blitzte etwas Bösartiges und Gemeines auf. „Jetzt schläft sie in meinem Bett.“
Der Pfeil traf ins Schwarze. Die Worte bescherten Kyle eine eiskalte Gänsehaut und brachten gleichzeitig sein Blut zum Kochen. Seine Fäuste ballten sich.
Nur ein einziger Schlag, Gott. Um mehr bitte ich dich gar nicht.
Bevor Cruz über eine Antwort nachdenken konnte, griff Kyle nach seinem Bier und zwinkerte der attraktiven Barfrau zu. Grüßend hob er seine Flasche, bevor er davonstolzierte, und Cruz blieb zähneknirschend zurück.
Das war der längste Abend aller Zeiten, dachte Zoe, die Gracie auf ihrem Schoß noch einmal zurechtsetzte. Ihre Tochter war vor fast einer Stunde eingeschlafen, und Zoes Arm wurde langsam taub. Auch ihre Augen wurden schwer, aber Kyle hatte offenbar gar nicht vor, irgendwohin zu gehen.
Gleich nachdem sie von der Toilette wiedergekommen war, hatte er sich an ihre Seite gepflanzt und war nicht mehr von ihr gewichen. Sein Arm schlang sich enger um sie, und er drückte ihr noch einen alkoholgetränkten Kuss auf die Stirn. Ganz bestimmt war es nicht die Hinterwäldler-Mucke, die ihn hier hielt. Er wollte Cruz ihre Beziehung so lange unter die Nase reiben wie möglich.
Ihr wurde heiß, und ihr linkes Auge begann zu zucken. Cruz war zweifellos schon lange über sie hinweg, aber sie hasste es, das Bauernopfer in Kyles kleinen Psychospielchen zu sein. Mit jedem Tag, mit jeder Stunde, die sie länger in Copper Creek verbrachte, fragte sie sich, wieso sie eigentlich mit ihm zusammen war.
Sie atmete tief ein. Ihr eng gewordener Brustkorb dehnte sich spürbar. Der vertraute Duft von Kyles Rasierwasser war so unangenehm, dass es ihr den Magen umdrehte.
Ihr Blick wanderte ein paar Tische weiter, wo ihr Bruder mit seinen Freunden Jack und Noah zusammensaß und mit Noahs Frau, Josephine. Und Cruz. Der gehörte auch zu der Gruppe.
Als ihr auffiel, dass sie ihn anstarrte, schaute sie weg und konzentrierte sich auf den Sänger.
Sie erinnerte sich, wie damals die Samstagabende im Rusty Nails das Highlight der Woche gewesen waren. Als es einfach um eine Gruppe Freunde gegangen war, die redeten und lachten und echt waren. Jetzt kam ihr gar nichts mehr echt vor. Und sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie zuletzt gelacht hatte.
Was für ein Vorbild bist du Gracie damit eigentlich? Sie lehnte ihre Wange an die daunenweichen Locken ihrer Tochter.
Der Song endete mit einem schwungvollen Schluss, und das Publikum applaudierte und pfiff laut.
Hope trat ans Mikro, und der Lärm ebbte ab. „Vielen, vielen Dank! Ihr seid alle so großartig, und die Band freut sich sehr über eure Unterstützung. Also, heute Abend haben wir noch einen ganz besonderen Hochgenuss für euch. Bitte spendiert einen kräftigen Applaus für meine umwerfende … und talentierte … liebe Freundin …“
Oh nein.
„Zoe Collins!“
Zoe richtete sich auf. Sie errötete, als sich alle Köpfe nach ihr umdrehten. Neben ihr wurde Kyle steif. Irgendwie saß sie wie festgefroren auf ihrem Platz. Das Gewicht ihrer Tochter hielt sie an Ort und Stelle.
Aber dann hob Brady ihr Gracie aus den Armen. „Mach schon, Schwesterchen. Deine Fans warten.“
„Komm rauf hier, Süße. Zeig ihnen, was du draufhast. Helft mal mit, ihr alle! Sie braucht ein bisschen Ermutigung.“
Die Menschenmenge applaudierte nun lauter, Pfiffe durchbrachen den Applaus.
Zoes Herz wummerte in ihrer Brust, und ihr Lächeln fühlte sich so gespannt an wie eine Violinensaite. Sie musste da hoch. Was sollte sie sonst tun?
Sie mied Kyles Blick und stand auf. Das Publikum zeigte seine Zustimmung, indem es noch lauter wurde, während sie zur Bühne ging.
„Es ist ein paar Jährchen her“, sagte Hope ins Mikrofon, „aber ich glaube, an das hier wirst du dich im Handumdrehen wieder erinnern.“
Die Band stimmte das mitreißende Intro zu „Country Girl“ an. Zoe nahm das Mikrofon von Hope entgegen, die rasch die Bühne verließ.
Zoe und der Sänger lächelten sich an. Ihre Hände zitterten, aber sie klopfte mit dem Fuß den Takt, einen einfachen Four-on-the-floor-Rhythmus. Sie wechselte einen Blick mit dem Schlagzeuger, einem alten Klassenkameraden, der ihr ermutigend zunickte.
Rawley begann mit der ersten Strophe, und Zoe merkte, wie sich ihr Körper im Rhythmus der eingängigen Melodie bewegte. Die Bühnenscheinwerfer waren nicht so hell wie bei den Gigs, die sie sonst spielte. Sie konnte vertraute Gesichter erkennen, Freunde, die sie jahrelang nicht gesehen hatte. Sie lächelten und klatschten mit. Die Tanzfläche füllte sich, bis man sich kaum noch bewegen konnte.
Als der Refrain begann, hob Zoe das Mikro und fing an, die zweite Stimme zu singen. Sie wechselte Blicke mit Rawley und spielte mit der Situation. Das Lied machte Spaß, der Text war schnell, der Beat schmissig, und Zoe wurde einfach mit hineingezogen.
Als der Refrain zu Ende war, machte Rawley eine Handbewegung, und sie hob das Mikro und begann mit der zweiten Strophe. Ihr Herz wummerte, ihr war heiß. Aber die Worte fanden zu ihr zurück, als hätte sie sie nie vergessen, und eine Heiterkeit, wie sie sie seit Jahren nicht mehr verspürt hatte, füllte sie bis zum Bersten.
Das Publikum liebte einfach alles, es liebte sie, und obwohl ihr die Puste ausging, war die gute Laune ansteckend.
Als es wieder Zeit für den Refrain war, fiel sie erneut in die zweite Stimme. Ihre Stimme harmonierte mit Rawleys, als hätten sie das hundertmal geübt. Sie wackelte mit den Hüften und nickte mit dem Kopf und überließ sich ganz dem spielerischen Text.
Der Gitarrist begann sein Solo, und Rawley drehte sie, bis ihr schwindelig wurde. Der Bogen des Fiedlers flog nur so über die Saiten, und der Schlagzeuger trommelte einen gut abgestimmten Hintergrundrhythmus. Der Lead-Gitarrist lehnte sich zurück, während seine Finger den Hals der Gitarre bearbeiteten, und der Bassist wandte sich ihr zu, während er im Takt mit dem Kopf nickte.
Sie war es gewohnt, in einer Band zu singen, aber sie hatte sich noch nie so sehr wie ein Teil davon gefühlt. Ein letztes Mal schmetterten sie den Refrain, und Zoe merkte, dass sie sich wünschte, das Lied würde den ganzen Abend dauern.
Aber wie alle guten Dinge kam auch das zu einem Ende. Der Schlagzeuger und die anderen Musiker bereiteten ein großartiges Finale in den letzten paar dynamischen Takten vor. Und dann war es vorbei. Ein beinahe ohrenbetäubender Jubel füllte die plötzliche Stille.
„Danke!“ Zoe war ganz rot vor Freude, als sie Hope das Mikro zurückgab und die Bühne verließ.
„Was hab ich euch gesagt?“, fragte Hope. „Gebt noch einmal alles für unsere Heldin, hier aus Copper Creek – Zoe Collins!“
Zoes Knie schlotterten vor Aufregung, und sie strahlte ihre Freunde und Nachbarn an, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnte. Menschen klatschten mit ihr ab und umarmten sie.
Als sie sich ihrem Tisch näherte, traf sich ihr Blick mit Kyles. Er stand da, wartete mit seinem üblichen Lächeln auf sie, aber der Blick in seinen Augen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Ihre gute Laune verließ sie so schnell wie Luft einen geplatzten Ballon, und sie hatte Mühe, ihr Lächeln zu wahren.
Er zog sie in eine Umarmung, die nach außen hin aussehen musste, als wollte er ihren Erfolg mit ihr feiern. Aber der zu feste Druck und das Grollen in ihrem Ohr ließen keinen Zweifel an seiner Stimmung.
„Hol Gracie. Wir gehen.“
Jetzt zitterte sie aus einem anderen Grund. Sie zog sich zurück und wandte sich Brady zu.
„Das war schön, Schwesterchen“, sagte Brady mit lauter Stimme, um die Musik zu übertönen.
„Danke.“ Sie streckte die Arme nach Gracie aus, und er überreichte ihr das schlafende Mädchen.
„Du gehst doch jetzt nicht?“, fragte er.
„Ähm, doch. Die Kleine muss ins Bett. Gute Nacht zusammen.“ Sie traute sich nicht, Cruz in die Augen zu sehen.
Sie strebten zum Ausgang. Das Lächeln in ihrem Gesicht fühlte sich an wie aus Plastik und Kyles Hand in ihrem unteren Rücken heiß und irgendwie erstickend.
Der schnelle Stimmungswechsel machte sie erschöpft und durcheinander und wütend zugleich. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, die Musik wurde ein paar Dezibel leiser. Leise genug, dass sie den Kies unter ihren Füßen knirschen und die Grillen zirpen hören konnte, während sie zu der Wiese gingen, auf der Kyle seinen Mustang geparkt hatte.
Er kam an ihre Seite und ließ seine Hand fallen. „Was war das?“, fragte er kurz angebunden.
Sie verlagerte Gracie und versuchte, etwas Reue zusammenzukratzen. Aber sie fühlte kein Bedauern. Sie hatte sich in diesen drei Minuten lebendiger gefühlt als in den letzten Jahren. Für ein paar kurze Minuten hatte sie sich daran erinnert, wer sie einmal gewesen war.
Und, Himmel, sie vermisste dieses Mädchen.
„Es war nur ein Lied, Kyle.“
„Du hast mit Rawley geflirtet. Mitten auf der Bühne, wo alle es sehen konnten!“ Er machte das Gleiche mit Lindsay, der Keyboarderin in ihrer Band.
„Das war nur Teil der Show.“
Er schnappte sie am Ellbogen und zwang sie mit einem Ruck, anzuhalten.
Gracie rutschte, und Zoe fasste sie enger, damit sie ihr nicht hinunterfiel.
„Du hast mich zum Narren gemacht!“
„Ich habe nur gespielt.“
„Hast du auch gespielt, als du den ganzen Abend über Huntley angestarrt hast? Glaubst du, ich merke es nicht, wenn du ihm die ganze Zeit mit deinen Blicken folgst?“
„Das stimmt nicht.“
In seinen Augen blitzte etwas auf. „Du hast mit ihm geredet!“
„Nein, das habe ich nicht.“
Seine Finger gruben sich in ihren Arm. „Lüg mich nicht an.“
„Du tust mir weh.“ Weil sie Gracie nicht mehr halten konnte, ließ sie das Mädchen an ihrem Bein hinabgleiten. Gracie wimmerte im Schlaf, als sie sich auf dem Boden niederließ.
Zoe versuchte, einen Schritt von ihr wegzugehen, aber Kyle packte sie an beiden Armen und grub seine Finger tief in ihr Fleisch, bis sie vor Schmerz zusammenzuckte. Sein Atem überzog ihr Gesicht mit dem Gestank nach Bier und Zorn.
„Ich hätte nie damit einverstanden sein dürfen, zu bleiben. Wir fahren ab, jetzt, sofort.“ Seine Augen feuerten wütende Blicke auf sie ab. Sein Gesicht war wutverzerrt.
Sie sollte sich fürchten.
Aber stattdessen schoss ihr die Hitze in den Nacken, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie wusste nicht, ob es an der guten Landluft lag oder an dem Moment auf der Bühne oder daran, dass sie Menschen in der Nähe wusste, die sie liebten.
Was auch immer es war, sie fand Mut, wie sie ihn seit Jahren nicht mehr gespürt hatte.
„Weißt du was, Kyle? Es geht nicht immer nur um dich und um das, was du willst.“
Überraschung blitzte in seinen Augen auf, dann umschloss seine Hand schmerzhaft ihren Ellbogen. „Was hast du da gerade gesagt?“
Ihr Herz war kurz davor zu explodieren, und ihr Mund war trocken wie die Wüste.
Aber irgendwie brachte sie die Worte heraus: „Du hast mich gehört. Und ich reise nirgendwohin ab. Ich bleibe hier.“
Redete sie über das Rusty Nail oder über Copper Creek? Davon, vorübergehend zu bleiben oder für immer?
Selbst als sich seine Lippen auf die Art verzogen, die sie noch nie hatte leiden können, selbst als seine kalten, zusammengekniffenen Augen sie musterten, konnte sie sich nicht dazu überwinden, die Worte zurückzunehmen.