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KAPITEL 6

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Schon allein der Anblick, wie Paige in Yogahose und T-Shirt im Haus herumflitzte, machte Riley schwindelig. In der Küche holte sie ein Glas Wasser, das er gar nicht brauchte, dann rannte sie halb die Treppe hinauf, wo sie mit gerunzelter Stirn stehen blieb und murmelte: „Was wollte ich hier noch gleich? Ach ja, meine Klamotten! Du liebe Güte, ich bin ja völlig durch den Wind.“ Dann weiter die Treppe hinauf, von wo aus sie über die Schulter nach unten rief: „Brauchst du eine Decke? Es ist ein bisschen kühl hier drinnen. Ich mache die Fenster lieber zu. Wenn es dir zu kalt ist, kannst du später auch gern die Heizung einschalten.“

Es war völlig sinnlos, darauf etwas zu entgegnen, denn sie war wie die Dunlop-Häschen, seit sie von der Arbeit nach Hause gekommen war. Dylan sollte in – er schaute auf seine Uhr – fünf Minuten da sein, um sie zu ihrem Date abzuholen. Er hielt ein Sofakissen fest umklammert. Das hier war wirklich hart.

Über ihm knarrte jetzt der Fußboden unter den eiligen Schritten. Ein paar Minuten später kam sie mit ihren sonnengebräunten Beinen wieder die Treppe heruntergesaust. Sie trug ein hellblaues Shirt, das genau die Farbe ihrer Augen hatte, Shorts, die viel zu viel Bein zeigten, und ihr Haar fiel ihr wie gesponnenes Gold glatt über die Schultern. Umwerfend sah sie aus, einfach atemberaubend.

Sein Herz schlug zu schnell, und beinah hätte er ausgesprochen, was er dachte, aber dann würzte er das Ganze mit einer guten Dosis Kumpelhaftigkeit und sagte: „Hey, gut siehst du aus.“

„Danke. Habe ich dir schon gesagt, dass Zac eine Portion Chickenwings vorbeigebracht hat? Außerdem ist auch noch deine Lieblingspizza im Tiefkühlfach und natürlich die zwölf verschiedenen Aufläufe von deinem Fanclub.“

„Alles klar.“

„Ich wollte dir eigentlich noch einen frischen Obstsalat machen“, rief sie jetzt aus der Küche. „Aber das habe ich nicht mehr geschafft.“

„Den kann ich mir nachher auch selbst machen.“

„Manchmal hört die Toilettenspülung nicht auf zu laufen. Weißt du, was du dann machen musst?“

„Natürlich weiß ich das. Ich bin doch nicht blöd.“ Es gelang ihm nicht, seine beginnende Gereiztheit zu verbergen.

Sie blieb in der Tür zur Küche stehen, sah ihn kurz stirnrunzelnd an und fragte: „Was ist denn?“

„Nichts.“

Doch sie blieb dort stehen, verschränkte die Arme vorm Körper und sah ihm fest in die Augen.

Also gut, wenn sie wollte, dass er es sagte, dann sagte er es eben. „Du gluckst auf mir herum, und ich brauche keinen Babysitter.“

„Ich bin doch gar nicht dein Babysitter, Callahan, sondern deine Freundin.“

Ja klar, sie war seine beste Freundin – mehr nicht. Daran brauchte sie ihn nicht extra zu erinnern. Aber vielleicht ja doch. Vielleicht war das ja der Grund für seine miese Stimmung. Dieses blöde Date wühlte alle möglichen dummen Gedanken und Gefühle bei ihm auf.

Er biss die Zähne zusammen, um den Müll bei sich zu behalten, der sich in seinem Kopf angesammelt hatte und ihm jetzt auf der Zunge lag. Aber das wurde immer schwerer.

Paige stand an den Türrahmen gelehnt da und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich tue nichts für dich, was du nicht auch für mich tun würdest, Riley. Wenn ich mich recht erinnere, ist es sogar das erste Mal, dass du derjenige bist, der etwas annehmen muss. Bis jetzt war es immer so, dass du dich um mich gekümmert hast. Du hast mich umsorgt, als Caspar angefahren wurde, hast meine Heizung repariert und meinen Ölwechsel erledigt. Erinnerst du dich noch an den Abend, als ich siebzehn war und dummes Zeug gemacht hatte, weil mein Vater gestorben war? Auch da bist du für mich da gewesen und hast dich um mich gekümmert.“

Er wappnete sich gegen die Erinnerung an diesen Abend, an das hilflose Bündel Mensch in seinen Armen und daran, wie ihre Lippen seine berührt hatten. Er hatte sich wirklich um sie gekümmert, das konnte man wohl sagen.

„Aber mach bitte nicht so viel Aufhebens um mich. Du bist doch nur ein paar Stunden weg – ich komme schon zurecht.“ Doch dann kam ihm ein verstörender Gedanke. Hatte sie etwa vor, länger fortzubleiben? Er versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen, doch er kam immer wieder. In betont lockerem, fast beiläufigem Ton fragte er: „Es sei denn, du hast vor, über Nacht weg…“, woraufhin sie aber nur mit gerunzelter Stirn antwortete: „Natürlich nicht. Was ist denn bloß los mit dir?“

Daraufhin sah er sie nur an und fragte „Was mit mir los ist? Ich renne jedenfalls nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Gegend herum. Du bist nervös wie sonst was. Liegt das an Dylan Moore, oder was?“

Ihre Augen wurden jetzt ganz schmal, und sie sagte: „Nein, ich bin kein bisschen nervös, aber du bist ein richtiger Arsch, weißt du das? Vielleicht solltest du lieber wieder anfangen, mir aus dem Weg zu gehen.“

Riley stieß ein freudloses Lachen aus und erwiderte: „Wir leben im selben Haus, Paige, schon vergessen?“

„Na, du hast es ja trotzdem geschafft, die letzten zwölf Stunden kaum ein Wort mit mir zu reden.“

In dem Moment klingelte es an der Tür, aber sie starrten sich weiter unverwandt an, und offenbar war keiner von ihnen bereit, nachzugeben.

Als Paige schließlich an die Tür ging, hätte er ihr am liebsten die Patchworkdecke um die nackten Beine gewickelt. Stattdessen griff er nach seinen Krücken, um sich zu verziehen und es nicht noch schlimmer zu machen.

Er hievte sich also auf die Füße und drehte sich genau in dem Moment zur Eingangstür um, als Dylan seinen Blick mit männlicher Anerkennung über Paiges Körper gleiten ließ. Riley kämpfte heftig gegen den Drang an, dem Mann mit dem stumpfen Ende seiner Krücken seine verträumten braunen Augen auszupieksen.

„Wow“, sagte Dylan. „Toll siehst du aus. Umwerfend.“

Paiges Lächeln wurde breiter und strahlender, als hätte seine Bemerkung gerade ihre gesamte Woche gerettet. „Danke!“, antwortete sie.

Eigentlich hättest du derjenige sein sollen, der ihr das sagt, du Idiot, dachte er und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt.

Nach einer Weile konnte Dylan sich schließlich lange genug von Paiges Anblick losreißen, um ihn zu bemerken. „Hey, Riley, alter Junge. Hab schon gehört, dass du wieder da bist. Schön, dich zu sehen, Mann.“

Riley jonglierte mit den Krücken, bis er beide in einer Hand hatte, und gab Dylan die andere Hand. Er versuchte, sie so fest zu drücken, wie er konnte, und entgegnete: „Ja, ich bin auch froh, wieder hier zu sein.“

Dylan zuckte ein wenig zusammen, als er seine Hand wieder losließ.

„Ich hole mir nur noch schnell einen Pullover“, sagte Paige. „Bin sofort wieder da.“ Und mit diesen Worten rannte sie die Treppe hinauf.

Dylan sah ihr nach, bis sie verschwunden war, und wandte sich dann mit einem sympathischen Lächeln wieder Riley zu. Der Typ sah offenbar absolut keine Konkurrenz in ihm. Aber wieso auch? Rileys Stimmung ging immer weiter in den Keller.

„Also …“, sagte Dylan nach einem langen unbehaglichen Schweigen. „Wie geht es denn so? Ich meine, mit der Genesung und dem ganzen Zeugs?“

„Super. Wohin führst du sie denn heute Abend aus?“

Einen Moment lang sah Dylan überrascht aus und schien nicht recht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte.

Okay, vielleicht war Riley ja nicht besonders freundlich, aber es kostete ihn schon ungeheure Beherrschung, dem Typen nicht an die Gurgel zu gehen.

„Ach … ich habe gedacht, wir könnten mit der Fähre übersetzen nach Folly Soals und dort ins Seafood Shack gehen. Es ist ja perfektes Wetter für eine Bootsfahrt“, antwortete Dylan.

„Aber sie wird seekrank“, gab Riley zu bedenken.

Sein Strahlen ließ etwas nach, und er sagte. „Ach, dann kaufen wir unterwegs in der Apotheke noch etwas dagegen.“

„Und außerdem hat sie eine Allergie gegen Schellfisch.“ Wusste denn der Typ gar nichts über sie?

Ein Hauch von Röte überzog jetzt Dylans Gesicht. Er kniff die Augen ein bisschen zusammen und sagte schließlich: „Na ja … die Speisekarte dort ist ja ziemlich umfangreich. Ich bin sicher, sie wird etwas finden.“

„Ja, sicher.“ Riley ließ den Mann auch weiterhin keinen Moment aus den Augen und musterte ihn völlig ungeniert. Und es ist besser für dich, wenn du sie gut behandelst, Kumpel, sonst kannst du was erleben.

Dylan trat voller Unbehagen vom einen Bein aufs andere, und sein Gesicht war mittlerweile voller hektischer roter Flecken. „Hör mal, kann es sein, dass es irgendein Problem gibt?“

Riley stand stocksteif da, obwohl die Schmerzen in seinem Beinstumpf immer schlimmer wurden.

„Nee, nicht das ich wüsste.“

„Seltsam. Ich habe irgendwie das Gefühl.“

„Solange du sie gut behandelst, gibt es absolut kein Problem.“

„Da brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen, Papa …“

„Okay“, rief Paige von der Treppe aus. „Ich bin fertig. Wir können jetzt los.“

Riley sah Dylan weiterhin fest in die Augen, damit er die Botschaft auf jeden Fall verstand, und als Paige näher kam, ging ihr Blick erst fragend zwischen den beiden hin und her, dann lachte sie nervös und fragte: „Alles in Ordnung?“

Riley warf Dylan einen letzten warnenden Blick zu und antwortete: „Ja, alles bestens.“

Auf dem Weg zur Tür drehte Paige sich noch einmal zu ihm um, und ihr fragender Blick sagte: Was war das denn gerade?

Er reagierte darauf aber nur mit einem etwas verkrampften Lächeln und sagte zum Abschied: „Dann habt mal einen schönen Abend, Kinder.“ Woraufhin ihm Paige noch einmal einen Blick zuwarf, den er aber demonstrativ ignorierte.

In dem Moment, als die Tür ins Schloss fiel, war Riley mit seinen Kräften am Ende, und in seinem Stumpf pochte ein dumpfer Schmerz. Ihm graute vor dem langen Abend, der vor ihm lag, als er sich aufs Sofa plumpsen ließ. Er schaltete den Fernseher ein und suchte einen Sportsender, aber fünf Minuten später war er mit seinen Gedanken schon wieder bei Paige. Er wünschte, er hätte nicht gefragt, wohin sie gingen, denn jetzt konnte er sich jeden Moment ihres Dates ganz genau vorstellen, bis hin zum Gang in die Apotheke.

Er erinnerte sich noch einmal an ihren Blick, als Dylan ihr das Kompliment gemacht hatte. Er wollte derjenige sein, der dafür sorgte, dass sie sich gut fühlte, lächelte und ihre Augen vor Vergnügen blitzten. Er wollte derjenige sein, der ihr im Restaurant die Tür aufhielt und ihr besonders leckere Gerichte vorschlug.

Jetzt wurde sein Inneres wieder von Dunkelheit geflutet, und vor Verzweiflung nahm er eines der Sofakissen und schleuderte es quer durch den Raum. Mit einem unbefriedigend leisen Geräusch traf es auf die Wand.

Reiß dich zusammen, Callahan. Du kannst sie nun mal nicht haben.

Er versetzte seinem nutzlosen Bein einen Schlag. Ist das deine Art von Unterhaltung, Gott? Einem Krüppel dabei zuzusehen, wie er die Frau, die er liebt, an einen anderen Mann verliert?

Und das schon zum zweiten Mal?

Er schloss die Augen und holte einmal tief Luft. Er würde schon damit fertigwerden. Er musste sich nur ganz auf seine Wiederherstellung konzentrieren, musste ackern, damit er endlich die Prothese bekam, und dann noch ein bisschen mehr ackern, damit er bei Paige ausziehen und sie ihr eigenes Leben fortsetzen konnte. Und er auch.

Auf ihn warteten ein neues Leben und ein neuer Job in Georgia, wo Noah, ein Kumpel aus seiner Einheit, nur darauf wartete, dass er sich bei ihm meldete.

Allein der Gedanke daran löste einen dumpfen Schmerz in seiner Körpermitte aus. Wenn das alles doch nie passiert wäre! Wenn sich doch seine Gefühle für sie nie geändert hätten. Seine Gedanken gingen zurück zu jenem Tag. Wie oft hatte er sich schon gewünscht, er könnte die Zeit zurückdrehen, und alles wäre anders.

Es hatte in dem Moment angefangen, als Paige aus dem Feriencamp zurückgekommen war. Sie war damals siebzehn gewesen. Ihre Mutter schickte sie im Sommer immer in unterschiedlichste Camps mit der Begründung, es würde Paiges Horizont erweitern. Und Paiges Vater hatte wie immer die Entscheidungen der Mutter nicht weiter hinterfragt und zugestimmt.

Paige war in drei direkt aufeinanderfolgenden Camps gewesen, von denen eines – sehr zu Rileys Unmut – einen ganzen Monat lang gedauert hatte. Er hatte währenddessen in den langen Sommerferien auf der Weihnachtsbaumplantage den Rasen gemäht und seinem Vater beim Pflanzen der neuen Fichtensetzlinge geholfen. Wenn auf der Plantage nicht so viel zu tun war, hatte er auch mit seinem Vater zusammen auf dem Hummerboot gearbeitet.

Paige war erst eine Woche vor Schulbeginn wieder nach Hause gekommen, und als ihre Mutter ihr endlich erlaubt hatte zu gehen, hatte sie sich mit Riley am Anleger verabredet, wo das Ruderboot der Warrens lag.

Er war etwas zu früh am Treffpunkt gewesen, weil er es nicht erwarten konnte, sie endlich wiederzusehen. Er wusste, dass sie mit ihm auf den Meeresarm hinausrudern wollte, und dabei würden sie sich dann erzählen, was es alles Neues gab. Er hoffte, dass sie danach noch Lust auf eine Runde Basketball hatte. Seine Brüder waren beide viel zu beschäftigt, um mit ihm zu trainieren, und er wollte fit sein für die Tryouts, wenn die Basketballsaison wieder anfing. Er spielte gern mit Paige, und noch lieber, seit sie im Laufe des vergangenen Jahres zehn Zentimeter gewachsen war.

Er saß also auf dem Steg, ließ die Beine baumeln und schaute zu, wie der Rumpf des Bootes sich rhythmisch auf dem Wasser hob und senkte und dabei immer an dem Pfahl entlangschabte, an dem es vertäut war. Am Himmel segelte eine Möwe und stieß ihre einsamen Schreie aus. Als er endlich Schritte auf dem hölzernen Anleger hörte, stand die Sonne schon so tief, dass der ganze Himmel in goldenes Licht getaucht war.

„Wird auch langsam Zeit, dass du kommst“, sagte er, und als er sich umdrehte, erstarb ihm das Grinsen auf seinem Gesicht.

Ihr sonnengebleichtes Haar glänzte im Abendlicht, und ihre gebräunte Haut strahlte. Der schlanke, gerade Körper hatte ganz leichte Rundungen bekommen, die durch die eng anliegenden Shorts und das T-Shirt noch betont wurden. Diese Beine … waren die eigentlich schon immer so endlos lang und wohlgeformt gewesen? Und seit wann lackierte sie sich denn die Fußnägel?

Als sie näher kam, zog sie fragend eine Augenbraue hoch und sagte: „Na, was hat dir denn die Sprache verschlagen, Callahan?“

Er blinzelte kurz. Jetzt mach aber mal halblang, Callahan. Das ist Warren. Deine beste Freundin, dein Kumpel.

„Hallo, Warren“, sagte er und stand auf. Leider war der Anblick aus dieser Perspektive nicht weniger attraktiv. Sie erinnerte ihn an die umwerfende Blondine aus dem Film Sisterhood, in den Paige ihn im vergangenen Sommer zwei Mal mitgeschleppt hatte.

Ihr Lächeln wurde breiter, als sie näher kam, dann umarmte sie ihn und sagte: „Hey, ich habe dich vermisst!“

Ihr Atem traf auf das Haar über seinen Ohren und ließ sein Herz schneller schlagen. Er hoffte, sie merkte nicht, wie schnell.

„Ich dich auch“, erklärte er.

Als sie sich dann zur Begrüßung umarmten, fühlte sie sich auch ganz anders an, und er merkte, dass er einen trockenen Mund bekam. Sie roch nach frischen Blumen, und er widerstand dem Drang, seine Nase in ihr Haar zu stecken und daran zu schnuppern.

Was um Himmels willen ist denn bloß los mit dir? Hätte sie gewusst, was er gerade dachte, wäre ihm ein sehr fester Klapps auf den Arm sicher gewesen.

Als Paige sich wieder von ihm löste, empfand er eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung.

Aus der Nähe stellte er jetzt fest, dass auch ihr Gesicht erwachsener aussah. Die weichen, fast kindlichen Rundungen waren ausgeprägteren und interessanteren Zügen gewichen. Ihre Nase war mit Sommersprossen übersät, und ihre Lippen kamen ihm voller vor.

Aber vielleicht war ihm das bisher ja auch nur nie aufgefallen.

Diese Lippen verzogen sich jetzt zu einem kessen Grinsen, mit dem sie sagte: „Hey, du starrst mich ja an.“

Er wurde rot, rieb sich verlegen den Nacken und sagte: „Du … du hast dich irgendwie verändert … bist größer geworden.“ Und es gab noch viele weitere Änderungen, an die er lieber nicht denken wollte.

Aber sie zuckte nur mit den Achseln und bemerkte wie beiläufig: „Ja, kann sein, dass ich ein paar Zentimeter gewachsen bin.“ Dann kniff sie die Augen ein wenig zusammen, musterte intensiv sein Gesicht, und ihm blieb nichts anderes übrig, als es zuzulassen.

„Sind das da Barthaare? Versuchst du etwa, dir einen Bart stehen zu lassen, Callahan?“

Er rieb sich über das stoppelige Kinn und entgegnete mit gespielter Empörung. „Was soll denn das heißen? Ich versuche gar nichts. Das ist ein Bart.“

Es ging also doch noch! Jedenfalls klang dieser Wortwechsel schon wieder ziemlich normal.

Sie lachte. „Ich weiß ja nicht, ob ich das so bezeichnen würde, aber es ist auf jeden Fall ein mutiger Versuch.“ Und mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei und stieg anmutig ins Boot. „Komm, lass uns losrudern. Ich freue mich schon seit Wochen darauf.“

Riley war den ganzen Abend abgelenkt. Er versuchte zwar, sich einigermaßen normal zu benehmen, aber innerlich fühlte es sich alles andere als normal an. Als Paige dann den Vorschlag machte, das Basketballspielen auf ein anderes Mal zu verschieben, war ihm das deshalb nur recht. Er brauchte Zeit für sich allein, um die seltsamen Gedanken, die er da hatte, zu analysieren und wieder loszuwerden.

Aber mehr Zeit für sich allein half auch nicht. Irgendetwas hatte sich verändert. Er hatte es bemerkt und konnte nicht mehr so tun, als wäre alles wie früher. Im Laufe der darauffolgenden Tage sorgte das, was er beobachtete, dafür, dass sich auch seine Gefühle für sie änderten. Doch das Schlimmste daran war, dass für Paige offenbar alles war wie immer. Er hatte genug mit anderen Mädchen zu tun, um zu merken, wann bestimmte Schwingungen im Spiel waren, und Paige behandelte ihn wie immer – wie ihren besten Kumpel Callahan eben.

Den ganzen Herbst hindurch bis in den Winter hinein wünschte er, dass alles wieder normal und wie früher würde. Er flehte Gott an, doch bitte dafür zu sorgen, dass diese neuen Gefühle wieder weggingen, aber so oft er sich deshalb selbst fertigmachte, sie blieben – und zwar ebenso hartnäckig wie stark.

Er verbarg sie hinter den vertrauten kumpelhaften Rempeleien, high-fives und Anreden wie Kumpel oder Buddy, und Paige schien auch tatsächlich nichts davon zu merken. Dafür dankte er Gott auf Knien, denn wenn sie es herausfände, würde nur alles merkwürdig und peinlich werden, sie würde wahrscheinlich auf Abstand gehen, und er würde ihr leidtun. Schon allein den Gedanken daran fand er unerträglich.

Er hatte drei Möglichkeiten, die er immer wieder durchspielte, bis er am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hätte.

Erstens: Er konnte Paige sagen, was er empfand, mit dem Risiko, sie dann für immer zu verlieren.

Zweitens: Er konnte auf Distanz gehen und ihnen dadurch beiden die Möglichkeit einer Beziehung nehmen.

Drittens: Er konnte weiter so tun, als ob alles wäre wie immer und still für sich leiden.

Keine dieser drei Möglichkeiten gefiel ihm, aber nur bei einer davon bestand die Chance, dass wenigstens so etwas wie eine Beziehung bestehen blieb. Und an ein Leben ohne Paige wollte er gar nicht denken.

Bis ich dich endlich lieben darf

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