Читать книгу Bis ich dich endlich lieben darf - Denise Hunter, Denise Hunter - Страница 18
ОглавлениеKAPITEL 9
Riley knotete sich das Handtuch um die Hüften, lehnte sich an den Unterschrank des Waschbeckens und tauchte den Rasierer ins Wasser. Nach dem Debakel vom vergangenen Abend hatte er irgendwie das Bedürfnis, reinen Tisch zu machen, und sein Gesicht war dafür der geeignete Schauplatz. Der Spiegel war nach dem Duschen beschlagen, und er öffnete die Badezimmertür, die in sein Zimmer führte, damit der Dampf entweichen konnte.
Er hatte sich Paige gegenüber gestern Abend wirklich wie der letzte Idiot aufgeführt. Wie kam es eigentlich, dass jetzt am Morgen alles so anders und dermaßen klar aussah? Nur weil er ihretwegen so durcheinander war, hatte er noch längst nicht das Recht, sie schlecht zu behandeln. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ihm die räumliche Nähe zu ihr dermaßen zusetzte und es die reinste Folter für ihn war, mit ansehen zu müssen, wenn sie mit Dylan ausging. Sie versuchte ja nur, ihm zu helfen.
Der Rasierer machte ein kratzendes Geräusch, als er sich über sein stoppeliges Kinn fuhr. Beim Einatmen der feuchtwarmen Luft im Bad stellte er fest, dass es dort immer irgendwie nach Paige roch, wenn er geduscht hatte. Auch das Bettzeug roch noch nach ihr, obwohl es gerade frisch gewaschen war. In ihrem ganz privaten Bereich zu leben, war eine ganz besondere Form der Quälerei.
Er fragte sich, wo Paige wohl heute Morgen sein mochte, und hoffte, dass er sie nicht aus ihrer eigenen Wohnung vertrieben hatte.
Er hatte nach dem Aufstehen seine Übungen gemacht und fühlte sich jetzt innerlich rastlos. Er war es so leid, hier festzusitzen. Der Gedanke, unter Leute zu gehen, versetzte ihn zwar auch nicht gerade in Hochstimmung, aber er musste hier raus und irgendetwas tun. Ob es für einen Job noch zu früh war?
Es fiel ihm zwar schwer, es einzugestehen, aber er wusste nicht, ob er dazu schon genügend Kondition hatte, denn nach seinen Übungen und dem Duschen war er jetzt völlig erledigt. Sein Herz schlug schon schnell und heftig, wenn er nur aufrecht stand, und in seinem Beinstumpf pochte es.
Außerdem konnte er weder Auto fahren noch längere Strecken gehen, sodass er auf andere angewiesen war, wenn er irgendwohin wollte.
Er spülte jetzt den Rasierer ein letztes Mal kräftig ab, wusch sich das Gesicht und tupfte es dann mit dem Handtuch trocken. So, das war schon viel besser. Wenn er sich nur auch so normal fühlen würde, wie er aussah.
Und jetzt kam der ganz besondere Leckerbissen – das Anziehen. Er griff nach seinen Krücken und humpelte in sein Schlafzimmer.
Als er dort aus dem Augenwinkel eine Bewegung an der Tür wahrnahm und hinschaute, sah er Paige, die mitten in der Bewegung, an die Tür zu klopfen, erstarrte.
„Oh, tut mir leid“, sagte sie, während ihr Blick abwärtsging und er noch gerade wegschauen konnte, bevor sie den bloßen Stumpf erblickte, der unter dem Handtuch hervorragte. Das war sicher kein schöner Anblick, und er wünschte, er hätte das Handtuch weiter nach unten ziehen können, um ihn zu verbergen, aber dann hätte er andere Körperteile entblößt, die sie ganz bestimmt nicht sehen wollte.
Er biss die Zähne zusammen und ging weiter zur Kommode. „Wie war dein Vormittag?“, fragte er und war froh, dass sein Ton liebenswürdiger klang, als er sich fühlte.
„Ich habe …“ Sie wendete sich ab, räusperte sich und fuhr fort: „Ich war mit den Mädels frühstücken – also mit Lucy und Eden.“
„Das klingt doch gut“, sagte er und zog eine Kommodenschublade auf. Dann ging sein Blick zum Spiegel, der über der Kommode hing, und er sah darin, wie Paige seinem Blick auswich und an ihrem obersten Blusenknopf herumnestelte.
Bereitete ihr der Anblick des nackten Beinstumpfes ein solches Unbehagen, oder war sie nur unsicher wegen ihrer Auseinandersetzung am Vorabend? Noch einmal liefen in seinem Kopf seine gemeinen Worte ab.
„Hör mal, Paige. Das gestern Abend tut mir leid. Ich habe mich aufgeführt wie der letzte Idiot.“
„Riley …“ Ihre Blicke trafen sich, aber sie schaute rasch wieder weg.
Mit Unterwäsche in der einen und einer Cargohose in der anderen Hand sah er sie jetzt an und sagte: „Ich weiß ja, dass du mir nur helfen willst. Ich war einfach nicht gut drauf.“
„Na ja, wer wäre das nicht an deiner Stelle? Du hast ja auch so viel durchgemacht.“
Er warf sich die Sachen über die Schulter, humpelte zum Schrank und entgegnete: „Aber das ist nicht deine Sache.“
„Natürlich ist das meine Sache. Was auch immer du gerade durchmachst, ich möchte für dich da sein. Ich bin für dich da, wenn du reden möchtest und deine Brüder auch. Und es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, dass ich so unbeherrscht war.“
„Ich bin dir wirklich dankbar für alles, was du für mich tust, Paige, aber wir müssen die Vereinbarung treffen, dass du mir nur dann hilfst, wenn ich dich darum bitte.“
Eine ganze Weile sah sie ihn daraufhin schweigend an und sagte schließlich: „Du weißt doch selbst, dass du nicht um Hilfe bittest.“
„Doch, das mache ich, wenn es nötig ist“, widersprach er und öffnete die Schranktür, die gegen seine Krücke schlug, sodass er beinah das Gleichgewicht verlor. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig festhalten.
„Siehst du?“, sagte Paige, die ein paar Schritte auf ihn zu gemacht hatte. Ihre Hand lag auf ihrer Brust, die sich schnell hob und senkte.
„Was soll ich sehen? Ich habe den Schrank doch aufbekommen, oder?“
„Aber du bist dabei fast gestürzt!“
„Mit Betonung auf fast.“
Daraufhin schnaubte sie nur, verschränkte die Arme und sah ihn durchdringend an, sodass er ein Lächeln unterdrücken musste. Ihm war ihr Zorn allemal lieber als diese nervöse Ängstlichkeit. Er mochte es, wie die silbernen Sprenkel in den blauen Tiefen ihrer Augen aufblitzten, wenn sie wütend war.
„Das ist nicht lustig“, sagte sie darauf nur schroff.
„Jetzt bleib mal locker, Warren“, beschwichtigte er sie, und der leere Kleiderbügel, von dem er das Hemd heruntergezogen hatte, schwang vor und zurück.
„Du bist so stur!“
„Das haben wir doch schon vor Jahren festgestellt.“
„Weißt du, es soll tatsächlich Leute geben, die an ihren Macken arbeiten, wenn sie sie bemerken.“
Mit dem Hemd in der Hand drehte er sich grinsend zu ihr um und entgegnete: „Wer sagt denn, dass es eine Macke ist?“
Daraufhin hob sie ein ganz klein wenig das Kinn und antwortete: „Jeder, der jemanden kennt, der stur ist.“
Er ging jetzt hinüber zum Bett und legte seine Kleider darauf ab.
Sie betrachtete den Haufen und fragte: „Brauchst du vielleicht Hilfe beim …“
Als sie seinen versteinerten Blick bemerkte, presste sie ihre Lippen zusammen, als wollte sie verhindern, dass ihr etwas Unbedachtes herausrutschte.
„Ich möchte mich jetzt anziehen … und zwar ganz alleine“, sagte er nur.
Daraufhin starrte sie ihn mit ihrer ganz eigenen Art von Sturheit im Blick an.
Er fühlte sich jetzt richtig ungezogen, zog eine Braue ein wenig hoch, griff nach dem Knoten im Handtuch und zog ein wenig daran.
„Callahan!“, rief sie da fast panisch und wirbelte herum, aber er konnte gerade noch sehen, wie sie rot wurde.
Da entfuhr ihm ein leises Lachen – fremd und doch vertraut –, und im selben Moment wurde die Tür von außen zugeknallt. Tat das gut!