Читать книгу Bis ich dich endlich lieben darf - Denise Hunter, Denise Hunter - Страница 7
KAPITEL 2
Оглавление„Ist das Ihre Familie?“, fragte die Frau, die Rileys Rollstuhl schob.
Sein Blick ging zum Eingang der Gepäckabholung, wo sie alle in einer Traube beieinanderstanden. Er straffte die Schultern, hob eine Hand, verzog den Mund zu einem breiten Lächeln und achtete darauf, dass seine Augen wenigstens so aussahen, als würden sie mitlachen.
Beau winkte zurück, während sein anderer Arm um Tante Trudys Schultern gelegt war. Zac, der wie ein langer Schatten hinter ihnen aufragte, grinste ebenfalls. Als Rileys Blick dann weiterging zu Paige, blieb ihm die Luft weg.
Sie war ja noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Ihr seidiges Haar war blonder und länger als damals, und er hatte ganz vergessen, wie die leichten Rundungen ihre sportliche Figur weicher machten. Der Anblick ihrer sonnengebräunten Beine löste Gedanken bei ihm aus, die er eigentlich nicht hätte haben sollen.
Sie hielt sich die Hände vor den Mund, und ihr kamen die Tränen, während er näher gerollt kam, und als er nur noch eine Armeslänge entfernt war, machte sie einen Satz auf ihn zu und ging auf die Knie. Dann schlang sie ihm die Arme um den Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter.
Er hielt sie ganz fest, schloss die Augen, und einen Moment lang gab es nur sie beide – wie in alten Zeiten. Seelenverwandte. Callahan und Warren. Wie hatte er sie vermisst! Ganz tief atmete er einmal ihren Duft ein, den Duft von Blumen, Sonnenschein und Zuhause. Er vergrub seine Nase in ihrem Haar und erinnerte sich an jede Nacht, die er auf seiner Pritsche gelegen, ihr Bild betrachtet und diesen Augenblick herbeigesehnt hatte.
Ein erstickter Laut kam aus seiner Kehle, den er aber überspielte, indem er herzhaft lachte. Dann legte er noch etwas mehr Kraft in seine Stimme und sagte: „Hey, ist ja alles gut. Was soll denn das, Warren? Du weinst doch nicht etwa, oder?“
Daraufhin richtete sich Paige wieder auf, gab ihm einen festen Klaps auf die Schulter, wischte sich verstohlen die Augen und sagte: „Mann, ich habe dich vermisst. Hast du Schmerzen? Soll ich dir deine Medikamente herausholen?“
Na super … noch mehr Wirbel um ihn. „Nicht nötig. Ich habe schon im Flieger was bekommen. Alles in Ordnung. Absolut fantastisch.“
Jetzt mischte sich Beau ins Geschehen ein und drängte Paige ein bisschen beiseite. Er packte Rileys Hand mit dem Bruder-Griff und sagte: „Gut, dass du wieder da bist, Bruderherz. Wir haben uns schreckliche Sorgen um dich gemacht.“
„Ja, ich bin auch froh, wieder hier zu sein.“
Zac strich mit der einen Hand über Rileys Bürstenhaarschnitt und bemerkte: „Hey, man kann dir ja gar nicht mehr richtig durchs Haar zausen. Das macht gar keinen Spaß.“
„Hallo, Zac“, sagte Riley und lächelte zu seinem Bruder hinauf. „Schön, deine hässliche Visage wiederzusehen. Also, ich muss schon sagen, von hier unten siehst du praktisch aus wie ein Riese.“
„Ein Grund mehr für dich, möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen“, entgegnete Zac darauf.
„Hallo …?“, begrüßte ihn jetzt Tante Trudy aus dem Hintergrund. „Ich weiß ja, dass ich nur die alte Tante bin, aber bin ich vielleicht auch mal an der Reihe?“
Riley lächelte in ihre Richtung und streckte ihr seinen Arm entgegen. „Na, dann komm doch mal her, Tantchen.“
Sie zwängte sich zwischen Beau und Paige und umarmte ihn. Sie roch nach Zitronen und Stärke, und ihre schmalen Schultern und dünnen Arme fühlten sich zerbrechlich an. Doch das täuschte. Wenn es darauf ankam, konnte sie mit nur einem Blick eine ganze Armee aufhalten.
„Du liebe Güte, du bist ja breiter als der Stuhl. Haben jetzt auch deine Muskeln noch Muskeln bekommen?“
„Ja, so in etwa“, sagte er, als sie sich wieder von ihm gelöst hatte.
„Wie war denn dein Flug?“, erkundigte sich jetzt Beau. „Konntest du ein bisschen schlafen?“
Riley schaute verstohlen zu Paige hinüber, die sich noch einmal die Augenwinkel wischte, und antwortete dann: „Ja, ein bisschen.“ Dann schaute er wieder zu Tante Trudy und sagte: „Also, was ich jetzt wirklich gebrauchen könnte, wäre ein großes Stück von deinem berühmten Braten. Und zwar je eher, desto besser.“
„Na, da hast du aber Glück“, erklärte sie. „Es steht nämlich tatsächlich schon ein Topf mit einem großen Braten in Paiges Wohnung bereit.“
„Dazu Maisbrot, Kartoffelbrei und Paiges Pekannusskuchen“, fügte Zac noch hinzu.
Riley hielt sich den Bauch. „Oh Mann, ihr bringt mich ja um. Ich kann gar nicht sagen, was am schlimmsten war – die Fertiggerichte beim Einsatz, das Krankenhausessen oder der Fraß im Flieger.“
„Muss noch Gepäck abgeholt werden, das du eingecheckt hattest?“, fragte Tante Trudy jetzt, trat hinter seinen Rollstuhl und löste die Bremsen.
„Nur mein Rollstuhl. Diesen hier muss ich zurückgeben.“ Dann klatschte er ein Mal in die Hände und erklärte: „Okay. Dann lasst uns mal aufbrechen. Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, etwas Gutes zu essen und dann in meinem eigenen Bett zu schlafen.“ Sein Zuhause war ein Zimmer im hinteren Teil von Zacs Restaurant, das er gemietet hatte – nicht groß, aber seins.
Zac und Beau erstarrten beide ganz kurz und tauschten vielsagende Blicke, Paige trat von einem Bein aufs andere, und Tante Trudy kramte in ihrer Handtasche herum, als suchte sie etwas – sodass er plötzlich ein mulmiges Gefühl im Bauch hatte. „Was ist denn? Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?“
„Äh, also …“, Zac konnte ihm nicht in die Augen sehen, als er erklärte: „Also dein altes Zimmer gibt es leider nicht mehr. Ich habe im Winter die Küche vergrößert, und eigentlich hatten Lucy und ich vor, dir dafür das Gästezimmer oben zu überlassen, wenn du wieder nach Hause kommst, aber …“ Er sprach nicht weiter, sondern schaute auf Rileys Bein.
Klar, mit nur einem Bein ging das nicht. Er hätte es mithilfe der Krücken vielleicht geschafft, die Treppe hinaufzukommen, aber jede Bewegung war mühsam und tat weh. Und das Allerletzte, was er gebrauchen konnte, war ein Sturz, der ihn wieder zurückwarf.
Sein Magen fühlte sich in diesem Moment an wie ein Ballon, aus dem alle Luft entwich. So viel dann also zu seinem Bedürfnis nach ein bisschen Privatsphäre im eigenen Zimmer. „Na, dann werde ich ja wahrscheinlich auf der Farm untergebracht, oder? Das ist doch völlig in Ordnung“, sagte er, so locker er konnte.
Tante Trudy hatte sich vor einiger Zeit das Bein gebrochen, und daraufhin war das ehemalige Esszimmer für besondere Anlässe zu einem Schlafzimmer umgestaltet worden. Er versuchte, sich seine Sorge darüber nicht anmerken zu lassen, dass Tante Trudy sieben Tage die Woche rund um die Uhr um ihn herumwuseln würde, aber da setzte Zac bereits an: „Äh, also …“ Er rieb sich den Nacken in sichtlichem Unbehagen und fuhr fort: „Auf der Farm wird zurzeit renoviert.“ Dabei schaute er Riley auf eine Art an, dass bei ihm alle Alarmglocken losgingen.
„Wir haben gerade angefangen“, sagte Beau. „Das war Tante Trudys Hochzeitsgeschenk für Eden und mich, und deshalb herrscht momentan im gesamten Erdgeschoss das pure Chaos.“
„Und es dauert noch mindestens einen Monat, bis alles fertig ist“, erklärte Tante Trudy.
„Aber mach dir keine Sorgen“, mischte sich jetzt Paige ein und tätschelte ihm die Schulter. „Ich habe ihnen von Anfang an gesagt, dass ich dich gern bei mir aufnehmen würde. Ich habe doch das hübsche große Schlafzimmer im Erdgeschoss. Das ist perfekt für dich. Die alten Türen sind schön breit, und deine Brüder haben schon eine Rampe mit Handläufen aufgebaut.“
Um ihn her verschwamm alles, und seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Er sollte bei Paige wohnen? Sein Blick ging zu Zac, der ihm eine Art telepathischer Entschuldigung schickte, und dann wieder zurück zu Paige, der die Worte auf den Lippen erstarben … wahrscheinlich wegen seiner Miene.
Sie sah ihn irritiert an und fragte: „Ist … ist das nicht in Ordnung? Möchtest du lieber woanders wohnen?“ In der Tiefe ihrer blauen Augen blitzte ganz kurz etwas Verletztes auf – aber nur ganz kurz –, bevor sie ihn mit einem Lächeln bedachte, das er ihr aber nicht abnahm. Dazu kannte er sie einfach schon zu lange.
Verdammt, jetzt saß er in der Klemme. Er zwang sich, ebenfalls zu lächeln, und sagte: „Ja. Ich meine, nein. Das ist toll. Echt fantastisch. Aber ich kann dich doch unmöglich aus deinem eigenen Schlafzimmer vertreiben. Wenn ich bei dir unterkomme, dann schlafe ich natürlich auf dem Sofa.“
Da richtete Paige sich etwas auf und entgegnete: „Das kommt gar nicht infrage. Außerdem habe ich meine Sachen schon nach oben geräumt.“
Sein Blick ging daraufhin noch einmal kurz zu Zac, bevor er wieder Paige anschaute, immer noch lächelnd, was gar nicht so einfach war mit dem völlig verkrampften Kiefer. „Du bist ein echter Kumpel, Warren. Hey, wieso geht ihr nicht schon mal los und holt den Wagen, und Zac hilft mir, meinen Rollstuhl zu holen und umzusteigen? Wir treffen uns dann gleich draußen am Ausgang.“
Zac trat hinter ihn, schob Tante Trudy beiseite und bemerkte: „Je früher wir zu Hause sind, desto früher bekommen wir was von dem leckeren Braten.“
„Ja, genau das habe ich auch gerade gedacht“, erklärte Riley.
Die anderen gingen also Richtung Ausgang, und Zac setzte den Rollstuhl Richtung Gepäckabholung in Bewegung. Mit zitternden Fingern rieb sich Riley über den Mund und versuchte den Sturm zu beschwichtigen, der sich in seinem Inneren zusammenbraute. Wie sollte er es schaffen, die nächsten Wochen – wie viele es auch immer werden mochten – so eng mit Paige zusammen zu überstehen?
Aber hatte er denn eine Wahl? Es war ja nicht so, dass er jede Menge Erspartes auf der Bank gehabt hätte, um sich selbst eine Wohnung oder ein Haus mieten zu können. Und selbst wenn, wäre er ja gar nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen – so gern er das auch geleugnet hätte.
Schon allein der Gedanke, dass sie den ganzen Tag um ihn herumwuselte, ihm beim Anziehen half und bei anderen Dingen, bei denen er Hilfe brauchte …
Willst du mich jetzt etwa hier umbringen, Gott? Kannst du mir nicht wenigstens ein ganz klein wenig Würde lassen? Ist das wirklich zu viel verlangt?
So viel also zu seinen Plänen, für genügend Abstand zu seinen Lieben zu sorgen. Er würde auf 55 Quadratmetern im Erdgeschoss eines Bungalows festsitzen, und zwar ausgerechnet zusammen mit Paige.
Und das war alles Zacs Schuld. Riley klammerte sich jetzt so intensiv an den metallenen Armlehnen des Rollstuhls fest, dass es wehtat und er Mühe hatte, die Fassung zu wahren, während er seiner Familie beim Verlassen der Ankunftshalle nachschaute. Dann wandte er sich an Zac und fragte: „Was um Himmels willen habt ihr euch dabei gedacht, mich bei Paige unterzubringen? Ist dir eigentlich klar, was du da angerichtet hast?“
„Jetzt aber mal langsam“, sagte Zac und blieb vor dem Kofferkarussell stehen. „Erstens war das eine Gemeinschaftsentscheidung, also ist es nicht …“
„Aber du bist der Einzige, der es weiß. Ich habe gedacht, dass du mir Rückendeckung gibst, Mann.“
„So viele Möglichkeiten gab es ja nicht, Riley“, verteidigte sich Zac.
„Aber jede andere wäre besser gewesen als diese!“
„Jetzt beruhige dich doch erstmal. Ich hab’s ja kapiert.“ Zac stellte die Bremse des Rollstuhls fest und fuhr fort: „Aber vielleicht könntest du das Ganze ja auch als Chance betrachten, oder?“
„Als Chance wozu? Dass Paige mir beim Wechseln der blutigen Verbände und beim Duschen hilft und mich wie einen verdammten Krüppel versorgt? Hast du an diese Art Chance gedacht? Ich war eigentlich ziemlich sicher, dass mein Stolz schon den Bach runter ist, aber wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja, ihn noch ein bisschen weiter abwärtszutreiben.“
Zac, der jetzt ziemlich zerknirscht dreinschaute, nahm den zusammengefalteten Rollstuhl vom Gepäckkarussell und klappte ihn auseinander. „Du hast eine Menge durchgemacht, Riley, das habe ich ja kapiert, aber sie ist deine beste Freundin und möchte dir helfen. Es fühlt sich wirklich sehr viel besser an, dir ganz praktisch helfen zu können, als zu wissen, dass du Tausende von Kilometern entfernt bist, und völlig ohnmächtig zu sein. Vielleicht bringt euch das Ganze ja auch näher zusammen. Vielleicht ist das deine Chance.“
Riley stieß ein trockenes, freudloses Lachen aus. „Ja, klar. Ich bin genau das, was sie sich immer erträumt hat – ein Krüppel.“
Ganz kurz flackerte daraufhin etwas in Zacs Blick auf, und er sagte: „Aber du bist doch immer noch derselbe Mensch, Riley.“
Nicht annähernd. Nicht äußerlich und schon gar nicht innerlich. Er presste die Lippen kurz ganz fest aufeinander, bevor er es aussprach.
Nichts würde jemals wieder so sein, wie es gewesen war. Paige hatte nur das Beste verdient, und das war ganz sicher nicht er.
Zac musterte Riley jetzt mit leicht zusammengekniffenen Augen und fragte: „Was ist mit deinem breiten Grinsen passiert, Bruderherz?“
Daraufhin presste Riley die Kiefer nur noch fester aufeinander und drehte sich zu dem Gepäckband um, das quietschend seine Endloskreise zog. „Schieb den Stuhl bitte hier rüber“, sagte er nur.
„Wieso habe ich nur das Gefühl, dass es dir nicht halb so toll geht, wie du behauptest?“, fragte Zac jetzt.
Riley brauchte eine ganze Weile, bis er daraufhin seine Fassung zurückgewonnen hatte, und sagte: „Mir geht es gut. Ich wollte nur … ach, eigentlich hatte ich vor, ein bisschen mehr Abstand zu Paige zu bekommen. Und jetzt sitze ich ausgerechnet bei ihr fest.“ Er sah Zac mit versteinertem Blick an und fuhr fort: „Wenn ich versuche, aus der Nummer herauszukommen, dann werde ich ihr wehtun, oder sie merkt, dass etwas im Busch ist, und das wäre noch schlimmer.“
Der Argwohn wich langsam aus Zacs Blick, während er den Rollstuhl heranschob und die Bremse feststellte. „Aber das wäre doch auch kein Weltuntergang, oder?“, fragte er.
„Vergiss es“, antwortete Riley.
Er würde es einfach über sich ergehen lassen müssen, indem er sich bis zur Erschöpfung in seine Übungen und Therapien reinhängte, um möglichst schnell eine Prothese zu bekommen und wieder selbstständig leben zu können. Je früher er wieder allein zurechtkam, desto schneller könnte er wieder aus Paiges Leben – und aus Summer Harbor – verschwinden, und zwar endgültig.