Читать книгу Bis ich dich endlich lieben darf - Denise Hunter, Denise Hunter - Страница 16
KAPITEL 7
Оглавление„Alles in Ordnung? Geht es dir gut?“, fragte Dylan sie.
Paige blickte von dem Lachs auf, an dem sie mit ihrer Gabel herumstocherte, und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja, klar, alles gut. Das Essen ist köstlich.“ Sie aß einen Bissen und erkundigte sich, wie ihm sein Hummer schmeckte.
„Hervorragend“, antwortete er, wischte sich den Mund ab, trank einen Schluck von seiner Cola und fragte sie: „Habt ihr diese Woche irgendein Tier aus dem Tierheim vermitteln können?“
„Nur eine einzige Katze“, sagte sie bedrückt. Sie dachte an all die verlassenen Tiere in den Zwingern und an den riesigen Garten hinter Dylans Haus. Sie sollte ihn dazu überreden, einen Hund aufzunehmen. Die braune Labradorhündin würde gut zu ihm passen, und er hatte auch genügend Platz für sie, doch irgendwie hatte sie nicht die Energie, das Thema anzusprechen.
„Bist du ganz sicher, dass alles okay ist?“, fragte er noch einmal und betrachtete sie eingehend. „Du kommst mir so … still vor heute Abend.“
„Das liegt bestimmt an dem Mittel gegen Seekrankheit. Auf Folly Shoals Essen zu gehen war wirklich eine gute Idee von dir. Ich bin gerne hier, weil es mir immer vorkommt, als lägen Welten zwischen Summer Harbor und der Insel.“
Doch in Gedanken war sie die ganze Zeit auf dem Festland geblieben, und auch während des Fußweges vom Hafen zu dem Lokal mit dem leckeren Essen hatte sie Riley einfach nicht aus dem Kopf bekommen.
So viel Mühe er sich auch gab, jedem ein lächelndes Gesicht zu zeigen, es war nicht zu übersehen, dass es ihm nicht gut ging, und heute Abend war er ziemlich am Ende gewesen. Sie musste gestehen, dass sie Schuldgefühle hatte, weil sie ihn allein gelassen hatte, obwohl ihm deutlich anzumerken gewesen war, dass er mit seiner Situation nicht gut zurechtkam. Und nicht genug damit, dass sie ihn allein gelassen hatte, sie hatte ihn auch noch deutlich ihre Ungeduld spüren lassen.
Wie ein verletztes Tier war er ihr vorgekommen, wachsam und auf der Hut, und als sie versucht hatte, ihm zu helfen, hatte er sie angefaucht. Sie hatte sich schon mit großer Geduld und Fürsorge um so viele Tiere gekümmert und sie nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch getröstet und beruhigt, aber den allerbesten Freund, den sie auf der Welt hatte, hatte sie erst angeschnauzt und dann sich selbst überlassen.
Ganz tief in ihrem Innern war sie immer noch sauer auf ihn, weil er sie verlassen hatte, obwohl ihr klar war, wie dumm das war. Doch dieses Wissen bewirkte nicht, dass das Gefühl verschwand.
Ihre Schuldgefühle setzten ihr jetzt dermaßen zu, dass sie plötzlich absolut keinen Appetit mehr hatte und die Gabel hinlegte.
Da stützte sich Dylan mit den Ellbogen auf die Tischplatte, verschränkte die Hände unter dem Kinn und sagte: „Was ist los, Paige?“
Sie rang sich ein Lächeln ab und antwortete: „Tut mir leid. Ich war mit meinen Gedanken woanders.“
„Ist es etwas, worüber du reden möchtest?“
Sie schaute ihm in seine braunen Augen, die wirklich ein bisschen verträumt aussahen – und nachdenklich. Er war ein guter Zuhörer, und sie hatte auch schon all ihre Sorgen wegen des Tierheims bei ihm abgeladen. Geduldig hatte er zugehört, als sie ihm von Spendenaktionen und Finanzierungslücken erzählt hatte. Wieso sollte sie da nicht auch über ihren besten Freund mit ihm reden? Riley war schließlich ein großer und wichtiger Teil ihres Lebens, besonders jetzt, da er wieder in Summer Harbor war.
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte: „Ach, es ist wegen Riley. Ich mache mir Sorgen um ihn. Er spielt den munteren, gut gelaunten Kumpel und tut so, als wäre alles in bester Ordnung, aber das nehme ich ihm nicht ab.“
Dylan stieß ein ungläubiges Schnauben aus und fragte: „Das war also gut gelaunt und munter?“ Dabei hatte seine Stimme einen sarkastischen Unterton, wie sie ihn zuvor noch nicht bei ihm gehört hatte.
Sie sah ihn daraufhin mit einem vernichtenden Blick an und erklärte: „Er hat ziemlich viel durchgemacht, Dylan. Wenn er nicht aufpasst, wird er manchmal ein bisschen bissig, so wie heute Abend, und ich habe darauf nicht gut reagiert.“ Sie warf die zerknüllte Serviette auf ihren Teller und wiederholte noch einmal: „Ich habe gar nicht gut darauf reagiert.“
„Jetzt sei aber mal nicht so überkritisch mit dir selbst. Schließlich lässt du ihn bei dir wohnen und bist praktisch sein Kindermädchen.“
„Sag das bloß nicht, wenn er dabei ist. Er ist fast schon übertrieben selbstständig. Und natürlich helfe ich ihm. Schließlich ist er mein bester Freund.“
„Bist du sicher?“
Fragend sah sie ihn jetzt an. „Was soll denn dieses Misstrauen?“
Ihre Blicke verhedderten sich ineinander, und in diesem Moment sahen seine braunen Augen kein bisschen verträumt aus, sondern eher hart und zweifelnd.
Ihre Schultern verspannten sich, und ihr wurde heiß.
„Ich meine nur … bist du ganz sicher, dass er nicht mehr für dich ist?“, fragte Dylan nach.
Da setzte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und antwortete: „Ja klar bin ich sicher.“
„Dafür, dass er angeblich nur dein Freund ist, beschäftigt er dich aber ziemlich stark.“
Nachdenklich kniff sie die Augen zusammen und sah Dylan an. War er etwa einer von diesen eifersüchtigen, besitzergreifenden Typen? War seine Frage ein Warnsignal, oder machte er sich wirklich nur Gedanken? Auf der Highschool hatte es ein paar Jungen gegeben, die ihre Freundschaft mit Riley nicht verstanden und deshalb seltsam reagiert hatten, wenn sie Zeit mit ihm verbrachte. Aber Dylan und sie waren erwachsene Menschen und deshalb über solche pubertäre Unsicherheit und die daraus resultierenden Spielchen hinaus.
Sie schob ihren Teller zurück und sah ihn direkt an. „Hör mal, Dylan, Riley und ich sind schon sehr lange befreundet. Er ist wie ein Bruder für mich. Ich würde alles für ihn tun, und das gilt auch umgekehrt. Wenn es dir unangenehm ist, dass ich einen so engen männlichen Freund habe …“
Beschwichtigend hob Dylan darauf die Hände und sagte: „Nein, nein. Tut mir leid, ich wollte wirklich nicht besitzergreifend rüberkommen. Er ist dein Freund, und du willst für ihn da sein. Ich hab’s kapiert.“
„Na, dann ist es ja gut.“
Als sie jedoch seine Miene sah, in der keinerlei Bedauern zu erkennen war, fragte sie sich, ob er es wirklich kapiert hatte.
Jedenfalls war der Zauber bei diesem Date sehr schnell erloschen, und plötzlich wollte sie nur noch nach Hause zu Riley, wollte sich bei ihm entschuldigen, dass sie die Beherrschung verloren hatte, und die Sache zwischen ihnen wieder in Ordnung bringen.
Sie schaute deshalb auf die Uhr und sagte: „Also ich will ja nicht spießig wirken, aber hättest du etwas dagegen, wenn wir die nächste Fähre zurück nehmen? Es war ein langer Tag.“
Sie wusste, dass sie ein wenig angesäuert klang, aber … genau das war sie auch. Sie hatte momentan wirklich genug Stress im Leben, auch ohne einen Mann, mit dem sie sich erst seit Kurzem traf und der schon jetzt eifersüchtig auf Riley war.
Dylan sah sie daraufhin sehr lange an, und mit jeder Sekunde wirkte seine Miene angespannter. Schließlich legte er seine Serviette auf den Teller und sagte: „Also gut, nehmen wir die nächste Fähre.“ Er hob eine Hand, als die Kellnerin vorbeikam, und sagte „Bitte zahlen.“
Was machte er hier eigentlich? Der allerletzte Ort, wo Riley sich hätte aufhalten sollen, war das dunkle Wohnzimmer, in dem er wie ein überbehütender Vater auf Paige wartete. Sogar das Licht auf der Veranda hatte er eingeschaltet, obwohl es noch gar nicht richtig dunkel war.
Dabei war es erstens ja wohl eher unwahrscheinlich, dass sie so früh nach Hause kommen würde, und zweitens: Was wollte er damit eigentlich erreichen? Glaubte er wirklich, dass es ihm besser gehen würde, wenn er dabei zuschaute, wie irgendein Typ sie küsste?
Vielleicht würde er ja dadurch endlich ein für alle Mal kapieren, dass sie für ihn nicht zu haben war.
Oder vielleicht quälst du dich ja auch einfach gern.
Da hörte er den Kies auf der Auffahrt knirschen und schaute durch einen Spalt in der Jalousie. Ein Lichtkegel huschte durch den Raum und erlosch dann.
Sieh mal einer an. Das war ja früh. Angesichts der Tatsache, dass sie nach Folly Shoals gefahren waren, hatte er nicht damit gerechnet, sie vor elf wiederzusehen. Er konnte die Schadenfreude, die in ihm aufstieg, und auch ein Grinsen gerade noch unterdrücken. Ob etwas schiefgelaufen war? Aber vielleicht machte sich der Meisterhummerfischer Dylan Moore ja auch nur Gedanken um seinen Schönheitsschlaf. Dieser Schwachkopf.
Riley hörte, wie eine Autotür zugeschlagen wurde und dann noch eine. Er rutschte auf dem Sofa ein Stückchen weiter zum Fenster hin, damit er sehen konnte, wie sie die Veranda vor dem Haus betraten. Dylan ging etwa drei Schritte hinter Paige, aber als sie bei der Veranda ankamen, schloss er zu ihr auf.
Riley musste sich auf die Knie setzen und vorbeugen, um sie unter dem gelblichen Licht der Verandabeleuchtung sehen zu können.
Paiges Haltung wirkte irgendwie angespannt. Vielleicht lag es an ihren gestrafften Schultern. Nein, es war ihr trotzig vorgeschobenes Kinn. Dylans Gesicht konnte er nicht sehen, weil es im Schatten lag, aber die beiden sprachen jetzt kurz miteinander, und die ganze Zeit schlug Riley das Herz bis zum Hals. Er hielt die Luft an, als könnte er dann besser verstehen, was sie redeten, aber das Haus war zu gut schallisoliert. Wieso hatte er nur nicht daran gedacht, das Fenster einen Spaltbreit offen zu lassen?
Sein Herz stockte kurz, als Dylan sich vorbeugte, aber sein Kopf versperrte ihm gnädigerweise die Sicht, als Dylan Paige offenbar einen Gutenachtkuss gab. Rileys Finger waren fest um ein Sofakissen gekrallt, und er atmete einmal tief durch, um seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Sie gehört dir nicht, Callahan. Doch es schien völlig egal, wie oft er sich das sagte. Sein Herz nahm es ihm einfach nicht ab.
Als dann plötzlich die Tür aufging und Riley möglichst schnell vom Fenster wegwollte, damit Paige nicht merkte, dass er sie beobachtet hatte, blieb er mit dem Beinstumpf am Sofakissen hängen, und das gesunde Bein verfing sich unter ihm, sodass er das Gleichgewicht verlor. Er versuchte noch, sich irgendwo festzuhalten, aber es war zu spät. Er kippte nach vorn und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden.
„Riley!“, rief Paige erschrocken und war schon bei ihm, eh er recht wusste, was passiert war. Er war dunkelrot geworden. Ist das dein Ernst, Gott?
„Alles in Ordnung. Es geht mir gut“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Sein Beinstupf, in dem ein heftiger Schmerz pochte, ragte aufrecht an der Sofakante empor. Er drückte sich hoch auf die Ellenbogen und drehte sich von ihr weg.
Paige packte ihn am Arm und fragte: „Warte. Bist du verletzt? Ich kann dir nicht helfen. Du bist zu schwer. Warte. Ich hole Dylan.“
„Nein!“
Er hatte wirklich schon genug Demütigung erfahren für einen Tag. „Ich brauche seine Hilfe nicht“, sagte er, drückte sich ein Stückchen vom Sofa weg, drehte sich um und stand dann mithilfe seiner Arme und des intakten Beines auf.
Als er dabei ins Straucheln geriet, griff Paige nach seinem Arm, aber er zuckte zurück und sagte schroff: „Lass das. Das schaffe ich schon allein!“
Als er endlich stand, war er völlig außer Atem, sein Rücken war schweißnass, und seine Wangen waren vor Anstrengung gerötet.
„Alles in Ordnung?“ Das Mitleid in ihrem Blick weckte den Wunsch in ihm, gegen irgendetwas zu treten.
„Ja, alles fantastisch“, antwortete er, während er auf einem Bein zu seinen Krücken hinkte.
„Langsam fange ich an, diesen Spruch zu hassen“, sagte sie.
Doch er reagierte nicht darauf, sondern nahm seine Krücken, ignorierte die Schmerzen in seinem Beinstumpf und sagte: „Ich gehe jetzt ins Bett.“
„Ach komm, Riley, lass uns doch reden“, bat sie flehend.
Doch er schwang die Krücken und entgegnete: „Morgen.“
„Bitte!“
Die Dringlichkeit und Bedürftigkeit in ihrem Tonfall waren das Einzige auf der Welt, das ihn in diesem Moment aufhalten konnte. Er blieb also stehen und stieß einen tiefen Seufzer aus, und sein Herz raste, als hätte er gerade fünfzig Liegestütze gemacht.
„Du bist früh zurück“, stichelte er. „Was ist los? Hat der verträumte Dylan Moore deine Erwartungen nicht erfüllt?“
Da ging sie um ihn herum, bis sie ihm direkt gegenüberstand. Das Verandalicht fiel zwischen den Lamellen der Jalousien hindurch, sodass ihr Gesicht fast golden leuchtete … und diese hellblauen Augen … jedes Mal saugten sie ihn wieder förmlich auf. Sein Blick ging flackernd zu ihrem Mund … zu den Lippen, die gerade eben erst von Dylan Moores berührt worden waren.
Bei diesem Gedanken presste er Ober- und Unterkiefer fest zusammen und dachte: Was hast du denn erwartet, Callahan? Dass sie sich für einen Mann aufspart, der nicht einmal allein vom Boden aufstehen kann?
In dem Moment berührte sie seinen Arm, aber er zuckte zurück, als wäre er vom Blitz getroffen worden, sodass sie ihn sofort wieder losließ. „Tut mir leid, wie ich mich vorhin benommen habe. Ich war … ungeduldig und unbeherrscht. Ich hätte mehr Geduld haben sollen.“
„Ich brauche dein Mitleid nicht, Paige“, sagte er darauf nur, woraufhin sie ihn mit hartem Blick ansah und erklärte: „Das ist kein Mitleid, sondern Mitgefühl. Ich hab dich doch lieb, du alter Esel.“
Darauf stieß er ein freudloses Lachen aus und sagte: „Ja, klar.“
„Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?“, fragte sie ratlos, aber er hinkte einfach davon. „Wohin gehst du denn?“
„Ins Bett.“
Wieder ging sie von hinten um ihn herum und stellte sich ihm in den Weg. Das war ja wirklich super. Jetzt konnte ihn schon so ein 50-Kilo Persönchen ausmanövrieren. Damit war ein neuer Tiefpunkt erreicht.
Er sah sie finster an und verbot es sich, unter ihrem Blick weich zu werden.
„Du kannst mich wegschubsen, so viel du willst“, sagte sie. „Ich gehe nicht.“
Den Blick, mit dem sie ihn dabei ansah, hatte er schon oft bei ihr gesehen. Es war der Blick, den sie auch bekam, wenn es im Tierheim einen Notfall gab. Ein Blick, der ausdrückte, dass sie eine Mission zu erfüllen hatte, die sie vor eine echte Herausforderung stellte.
Als er jetzt merkte, dass er schon wieder rot wurde, sträubte sich alles in ihm dagegen.
Er biss die Zähne zusammen, beugte sich zu ihr hinunter, bis er ihren Atem spürte, und sagte: „Ich bin nicht eines von deinen Tieren, Paige. Du brauchst mich nicht zu retten.“
Dann sah er ihr so lange in die Augen, bis er sicher war, dass dieser Punkt an ihn ging, schob sie mit einer der Krücken zur Seite und drängte sich an ihr vorbei in sein Zimmer. Dann stieß er mit der Krücke die Tür hinter sich zu, sodass sie krachend ins Schloss fiel.