Читать книгу Fidibus und die Gemme der Venus - Denise Remisberger - Страница 5
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Оглавление«Oh, Mann!», verdrehte Burgfräulein Siegelinde die Augen und starrte entnervt in Panzerreiter Blages Gesicht. «Wieso um alles in der Welt müssen wir diesen neuen Imker empfangen?! Das könnte auch unser Hausdiener machen.»
«Eure Tante ist halt ausgerechnet heute ausser Haus. Und der Hausdiener hat sie begleitet.»
«Der ist auch weg?»
«Ja. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf den Mann zu warten.»
«Und das bei diesem schönen Juniwetter. Warm ist es. Und die Vöglein pfeifen. Ich würde viel lieber ausreiten.»
«Die eine oder andere Pflichtübung wird Euch nicht schaden», schmunzelte Blage und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, sodass die Plättchen an seinem Schuppenpanzer leise klingelten. Sie befanden sich im Hof von Burg Falkenhorst in der Nähe Obergoldachs im Herzogtum Schwaben, Blage an der Holzwand lehnend, Siegelinde, die Füsse demonstrativ von sich gestreckt, auf einer hölzernen Bank in der Sonne sitzend, während der Wächter auf der Hurde nach dem Neuen Ausschau hielt, der auf dem Weglein, das von der Sankt Galler Strasse abzweigte und zur Burg führte, daherkommen musste. Ausser er würde die Wildwechsel benutzen, die sich überall im angrenzenden Wald befanden. Doch das würde er wohl nicht tun, denn er kam nicht aus dieser Gegend und kannte sich somit noch nicht gut aus.
Da tauchte sie also vor ihm auf. Burg Falkenhorst. Seine neue Arbeitsstelle. Niedlich. Eher niedlich. Aber hübsch. Durchaus angenehm. Ah ja. Und gleich neben dem Weglein sah er die Bäume. Nadelige Tannen und Föhren, laubtragende Weiden und eine grosse Linde. Gut.
«Was ist dein Begehr?», schallte es über seinem Kopf von der Hurde herunter.
«Ich bin der neue Zeidler und komme, meine Arbeit anzutreten», rief er zum Wächter hinauf, der daraufhin die paar Stufen – mehr konnten es nicht sein – herabstieg und das kleinere der beiden Tore öffnete.
«Oh, Mann!», flüsterte Siegelinde in Richtung Blage.
«Stattlich, was?!», grinste Blage zurück.
«Geht so», tat sie ihren Ausruf gleich wieder ab.
«Ihr werdet Euch doch wohl nicht verlieben? Ihr, die Ihr auf keinen Fall heiraten wollt?»
«Witzig! Erstens, mein lieber Blage, hat Verliebtsein eher wenig mit heiraten zu tun, wenn ich mir diese Welt so ansehe, und zweitens gehört der Herr Imker da vorne nicht gerade meinem Stand an», rümpfte das vom eberhardingerischen Adelsgeschlecht aus dem Zürichgau abstammende Burgfräulein ihr hochwohlgeborenes Näschen.
«Nein, bestimmt nicht», lachte der adelige Panzerreiter. Es war nicht ganz klar, welche der beiden Anführungen Siegelindes er meinte. Nicht, dass er die Frauen wahnsinnig gut kannte, schliesslich war er mehr im Kampf mit Männern ausgebildet denn in der Liebe zu einer Frau. Doch dass er in diesem Fall vermehrt auf sein Fräulein aufpassen musste, war klar. Denn Siegelinde hatte die nervenaufreibende Angewohnheit, sich nicht besonders besonnen zu verhalten. Wer weiss, was sie in ihrem Übermut mit diesem armen Imker anstellen würde, wenn er, Blage, sie nicht daran hinderte. Nachdem er vor zwei Jahren auf dem Lechfeld für König Otto gegen die Magyaren gekämpft und gewonnen hatte, war ihm von Tronhilde, der Tante Siegelindes, die Begleitung ihrer bewegungsfreudigen Nichte angeboten worden. Was hiess, dass er darauf aufpassen musste, dass dem werten Fräulein nichts passierte. Und diese Aufgabe nahm er sehr ernst.
«Ich bin Bertram, der Zeidler», stellte sich der Mann vor, nachdem er quer über den Burghof gekommen war. Siegelinde hatte sich inzwischen von ihrer Bank erhoben und Blage stand aufrecht neben ihr.
«Sei willkommen», sprach Siegelinde. «Ich bin Siegelinde, Nichte der Burgherrin Tronhilde, und das ist Blage, Panzerreiter und Freund der Familie. Wir zeigen dir zuerst dein Gemach in der Burg.» Und Siegelinde lief voraus, an der Küche vorbei zu den Räumen der Bediensteten, die zwar nicht so gross waren, doch alle ein schmales Fenster mit einem Holzladen aufwiesen. Ein gut gefüllter Strohsack lag auf einem gezimmerten Kistenbett bereit, daneben stand ein Schemel und unter dem Fenster ruhte eine Truhe. Die einzige Wärmequelle in diesem Teil der Burg befand sich in der Küche, die gleichzeitig die Stube der Kräfte auf Burg Falkenhorst war. Eigentlich waren die ganzen Diensträumlichkeiten recht grosszügig angelegt. In anderen Burgen oder auch Bauernhöfen schliefen sie alle in einem Zimmer, oft in der Küche selbst, und in derselben Bettstatt. Hier nicht. Hier gab es neben seiner noch weitere niedrige Holztüren, die gerade offen standen und so, wie es aussah, zu den Kammern der anderen führten. Wie die Leute wohl waren, welche sie bewohnten? Nachdem Bertram seine Tasche abgeladen hatte, gingen sie hinaus, um ihm das Stück Wald zu zeigen, das seine zukünftige Arbeitsstelle sein würde.