Читать книгу Fidibus und die Gemme der Venus - Denise Remisberger - Страница 6

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Fidibus, Mönch und Cellerar des Klosters Sankt Gallen, sass vor einem ansehnlichen Krug Wein und streckte seine immer noch schmerzenden Glieder unter dem langen Holztisch aus. Eberhard, bei dem er genächtigt hatte, war ein Freund von früher und vor allem war er Weinbauer. Und zwar aus Farniwang im Rheingau, das den besten Rebensaft weit und breit kultivierte. Natürlich hätte Fidibus auch zum einheimischen Laienpriester gehen können, um einen Strohsack für die Nacht zu kriegen, doch hier, im Hause seines Freundes, war es wesentlich gemütlicher. Und es hatte mehr Platz. Und mehr Wein sowieso. Gestern hatte er den lieben langen Tag damit verbracht, von Sankt Gallen bis hierher zu wandern. Grauenhaft war es gewesen. Beim ersten Sonnenstrahl waren sie aufgebrochen, er und ein uraltes Männlein, das ihn über Stock und Stein geführt hatte. Allein hätte Fidibus den Weg nie gefunden. Vom Kloster aus hatten sie den ersten, eher leicht ansteigenden Hügel schräg aufwärts erklommen, waren dann durch flaches Gebiet gelaufen und mussten kurz danach ein steiles Tobel hinunter, um die wilde Goldach zu überqueren. Beim Hinunterklettern war Fidibus trotz seines genagelten Schuhwerks auf einem feuchten Grasbüschel, das zwischen den Felsen garantiert auf ihn gewartet hatte, ausgerutscht und hatte ein gutes Stück der Strecke auf seinem Allerwertesten zurückgelegt. Laut gekreischt hatte er auch noch dabei. Das Männlein hatte nur leise gekichert. Der war natürlich nicht ausgerutscht. Der kannte anscheinend jeden Abschnitt dieses furchtbaren Weges ganz genau. Wahrscheinlich stand er mit sämtlichen Waldgeistern im Bunde. Auch beim Passieren der Goldach und aller anderen Bäche und Bächlein wusste der Kauz immer, wo sich die beste Stelle zum Hinüberwechseln befand. Und dann war die Steigung durch dichten Wald richtig übel geworden. Die Wildwechsel, auf denen sie bis zum Kaien hochgekraxelt waren, nur einmal durch ein kurzes flaches Stück und ein schnell hinunterführendes unterbrochen, waren von weiteren Bächlein und auch noch von Wurzeln durchzogen. Und das Blätterwerk der bodendeckenden Waldpflanzen, das sich an Fidibus’ Kutte geklammert hatte, hatte auch nicht wesentlich zum Trockenbleiben beigetragen. Ausserdem war dem runden Mönch der Schweiss die Stirne hinuntergelaufen, dass nicht mal mehr sein immer bereites Leinentüchlein zum Abtupfen geholfen hatte. Als sie zur Sext endlich, nach einem kurzen flacheren Stück, oben auf dem hohen Berg angekommen waren, hatte das flinke Männlein dem armen Fidibus eine Pause gegönnt. Die einzige übrigens im Verlaufe dieser Wanderung. Sie hatten mit eingekochtem Lauch gefüllte Pasteten und schrumpelige Äpfel aus ihren ledernen Beuteln ausgepackt, die Schuhe ausgezogen und ein bisschen geruht. Nach der Rast hatten die fussbreiten Pfade steil hinuntergeführt, dann doch tatsächlich nochmals hinauf und schliesslich wieder steil, nur durch ein kurzes Flachstück und später einen schnellen Aufstieg gelindert, bis zu den Rebhängen von Farniwang hinunter. Fidibus war noch zweimal auf dem Hintern gelandet, seine Kutte war von oben bis unten durchnässt gewesen und seine Laune hatte nur der Farniwanger Rheinwein wieder besänftigen können. Und nun war ein frischer Morgen angebrochen, an dem er zum nahen Hof Au mit der Anlegestelle Mon­stein wandern würde, um dort ein Floss zu besteigen, das ihn nach Höchst bringen würde, wo er dringend etwas zu erledigen hatte.


Fidibus und die Gemme der Venus

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