Читать книгу Fidibus und die dänische Fibel - Denise Remisberger - Страница 5
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ОглавлениеIm Kloster Sankt Gallen war der Teufel los. Drei Mönche und fünf Novizen waren damit beschäftigt, im Gästehaus, welches von der Klosterschule und einer eigenen kleinen Küche mit Bäckerei und Brauerei flankiert wurde und sich ausserhalb der Klausur befand, das Zimmer für den hohen Besuch aus Bayern herzurichten. Abt Craloh stand mürrisch herum, liess seine säuerlichen Ausdünstungen in aller Nasen steigen und giftete wieder einmal mehr seinen Cellerar Fidibus an, der, fröhlich ein Liedchen pfeifend, gemütlich auf einem Schemel hockend an der Wand lehnte, die kurzen Beine von sich streckte und die Liste der Waren kontrollierte, die heute eingetroffen waren.
«Merkst du überhaupt, wenn etwas fehlt, so wie du dasitzt?», pflanzte sich der bösartige Abt vor ihm auf.
«Aber sicher doch», meinte Fidibus und holte gleich noch zu einer frommen Erklärung aus, wobei er den ironischen Unterton wohlweislich vermied: «Wenn die Säfte im Körper ungehindert fliessen können, sehe ich besser. Darum hat unser Herr im Himmel uns dergestalt geformt, auf dass alles in uns in Einklang gebracht werden kann. Durch eine entspannte Sitzhaltung.»
«Was du dir immer für Ausreden ausdenkst, Fidibus. Aber vielleicht stimmt es ja. Ich werde mich jetzt in meine Pfalz begeben und überlasse dir die Aufsicht über dieses Durcheinander hier. Ich hoffe, dass ich mich vor der grosszügigen Spenderin aus Bayern nicht schämen muss.»
«Sie wird sich bei uns wohl fühlen», versicherte der Cellerar.
«Sie soll sich nicht wohl fühlen, sondern von der geistigen Grösse unseres Klosters beeindruckt sein.»
«Das gewiss auch, werter Abt.»
Nachdem sich Abt Craloh in seine Pfalz, die gleich neben der Schule lag, zurückgezogen hatte, atmeten alle erleichtert auf. Novizenmeister Karl setzte sich neben Fidibus auf den gut gefüllten Strohsack, den die Novizen nachher in die Holzkiste legen würden, die der Dame als Bettstatt dienen sollte. Die Binsen auf dem Lehmboden des niedrigen Raumes waren zwar nicht ganz frisch im Februar, doch hatte Infirmar Kunibert einige seiner getrockneten Kamillenblüten rausgerückt, um sie unter die Binsen zu mischen, so dass es nun angenehm nach Sommer roch, obwohl es eisig kalt war in dem einzelnen Zimmer. Eine gemauerte Feuerstelle drückte sich im Refektorium des Gästehauses an die Wand mit der winzigen Öffnung für den abziehenden Rauch und war zu dürftig, um ihre Wärme im ganzen Gebäude zu verbreiten.
«Die Kamillenblüten sind regelmässig auf dem Boden verteilt», meldete Novize Bertram seinem Meister Karl.
«Schön. Habt ihr das wertvolle Bildnis der Heiligen Jungfrau gegen das weniger wertvolle ausgetauscht und den Betschemel wieder davorgestellt? Nein, ich sehe ihn nicht», drehte sich Karl in die besprochene Richtung.
«Das Bildnis haben wir ausgetauscht. Wo ist denn nun der Schemel?»
«Oh», sprang Fidibus aus seiner bequemen Ecke in die Mitte des Raumes. «Da ist er», deutete er auf den von ihm persönlich angewärmten niedrigen Hocker, der unter seiner voluminösen Figur versteckt gewesen war.
«Wieso kniet die werte Dame eigentlich nicht auf einem einfachen hölzernen Bänkchen vor dem heiligen Bildnis, wie alle anderen auch?», posaunte der freche Novize Hans quer durch die Kammer.
«Weil sie’s anscheinend an den Knien hat, die Arme», erklärte Karl.
«Also arm ist die bestimmt nicht», grinste Hans, hob den mit weichem Fell umwickelten Schemel auf und stellte ihn genau vor das kleine Bild, das nun die Wand zierte.