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a) Kritik an dem Claims-Made-Prinzip – Mögliche Unangemessenheit im Rahmen von § 307 BGB

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In der versicherungsrechtlichen Literatur wird deshalb die Frage erörtert, ob das Claims-Made-Prinzip überhaupt wirksam dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt werden kann. Dagegen wird vorgebracht, seine Anwendung führe zu einer unbilligen Benachteiligung der versicherten Organmitglieder, weil diese auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme keinen Einfluss hätten und der Zeitraum zwischen Pflichtverletzung und Anspruchserhebung häufig weit auseinanderfalle.[30] Auch wird mit gewichtigen Argumenten die Auffassung vertreten, dem gesetzlichen Modell der Haftpflichtversicherung, wie sie seit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes in § 100 VVG Einklang gefunden hat, liege das Verstoßprinzip zugrunde, so dass die Vermutung der Unangemessenheit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingreifen könne.[31]

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Nachdem die Frage, ob denn das Claims-Made-Prinzip als „unangemessen“ im Rahmen des AGB-Rechtes anzusehen sei, von den Obergerichten zunächst divergierend beurteilt worden ist, hat der BGH zwischenzeitlich einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Zunächst hatte das OLG Frankfurt[32] über einen Versicherungsfall entschieden, dem das Claims-Made-Prinzip zugrunde lag, ohne Zweifel an der Wirksamkeit zu hegen.[33] Das OLG München[34] dagegen betonte – ganz in Einklang mit den oben aufgeführten Kritikern aus der Literatur –, dass das Claims-Made-Prinzip „erhebliche Nachteile“[35] für den Versicherungsnehmer mit sich bringe, die jedenfalls kompensiert werden müssten, um dann insgesamt eine Benachteiligung der Beteiligten auszuschließen.[36] Der BGH hat den bestehenden Disput darüber, ob denn das Claims-Made–Prinzip tatsächlich zu einer Benachteiligung des Versicherungsnehmer/Versicherten führen kann, nicht entschieden. Vielmehr vertritt er die Auffassung, die Versicherungsfalldefinition als solche sei als „essentialia negotii“ einzuordnen und damit einer AGB-rechtlichen Prüfung entzogen. Denn die Frage, ob eine vertragliche Regelung den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB Stand hält, kann erst und nur dann gestellt werden, wenn die Regelung das bestehende Vertragsverhältnis und die zwischen den Parteien vereinbarten Rechte und Pflichten näher ausgestaltet. Eine Bestimmung, die den Gegenstand des Vertrages beschreibt oder seinen Leistungsinhalt erst festlegt, kann dagegen einer Inhaltskontrolle nicht unterworfen werden.[37] Entsprechend hat der BGH auch in seiner aktuellen Entscheidung zur D&O-Versicherung[38] den bestehenden Disput über die Wirksamkeit des Claims-Made-Prinzips nicht mehr aufgegriffen.

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Unabhängig davon, dass der Streit über die Wirksamkeit des Claims-Made-Prinzips mit den vorgenannten Entscheidungen des BGH wohl sein Ende gefunden haben dürfte, kann durchaus hinterfragt werden, ob die geäußerte Kritik an dem Claims-Made-Prinzip überhaupt berechtigt ist. Es ist nämlich zu bedenken, dass es sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt. Im Rahmen einer von § 307 BGB geforderten Interessenabwägung kommt es jedoch grundsätzlich nur auf die Interessen des Vertragspartners – vorliegend also der Gesellschaft – an. Drittinteressen sind unbeachtlich, weil die Inhaltskontrolle der Kompensation einer gestörten Aushandlungsparität dient.[39] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, soweit es dem Vertragspartner des Verwenders erkennbar darauf ankommt, Drittinteressen in den Vertrag zu integrieren. Deshalb kann es gerade bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter[40] oder bei einem Vertrag zugunsten Dritter[41] notwendig sein, auf die Interessen des geschützten Dritten abzustellen.

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Indessen führt dies nicht dazu, dass existierende Interessen des Vertragspartners unberücksichtigt bleiben dürfen. Häufig mögen diese Interessen bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter keine Rolle mehr spielen, weil keine unmittelbaren Interessen des Vertragspartners gegenüber dem Verwender bestehen.[42] Doch ist zu beachten, dass es dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes widersprechen würde, vorhandene Interessen des Vertragspartners gegenüber dem Verwender auszublenden, nur weil „auch“ Drittinteressen berührt werden. Aus der Tatsache, dass es sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt, darf also nicht gefolgert werden, dass vorhandene Interessen der Gesellschaft als Vertragspartner des Versicherers im Rahmen von § 307 BGB benachteiligt werden dürften und nunmehr ausschließlich auf die Interessen der versicherten Organmitglieder abzustellen wäre.[43] Diese Interessenlage der Gesellschaft hat der BGH nun ausdrücklich betont.[44] Es ist streng betrachtet verfehlt, zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen des versicherten Organmitgliedes im Sinne eines „Entweder-Oder“ zu differenzieren. Richtig ist es, eine Gesamtbewertung der Interessen der Gesellschaft vorzunehmen, bei der den Interessen der versicherten Organmitglieder eine tragende Rolle zukommen kann. Die Drittinteressen werden nämlich zu den Interessen des Versicherungsnehmers, wenn er den Vertrag erkennbar aus diesem Grunde abschließt.[45] Mit Abschluss des Versicherungsvertrages stellt die Gesellschaft sicher, dass in Zukunft Versicherungsschutz besteht, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben sollten, dass ein Organmitglied seine Pflichten verletzt hat und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin hat also ein erhebliches Eigeninteresse an dem Abschluss der D&O-Versicherung. Durch die D&O-Versicherung stellt das Unternehmen sicher, dass mögliche Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis auf Grundlage von § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG auch werthaltig sind und damit – um an die Worte des BGH zu erinnern – eine „Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens“[46] stattfinden kann. Die Interessen der Gesellschaft dürfen also auch bei der Frage nach der Angemessenheit des Claims-Made-Prinzips nicht unberücksichtigt bleiben. Unter Berücksichtigung einer solchen Gesamtbewertung der Interessen kann aber nicht verkannt werden, dass das Claims-Made-Prinzip auch Vorteile mit sich bringt. Diese Vorteile liegen dabei gerade darin, dass auch Deckung für Pflichtverletzungen gewährt werden muss, die sich vor (!) Beginn des Versicherungsschutzes ereignet haben, wenn nur die Inanspruchnahme innerhalb des Vertragszeitraumes erfolgte. Jedenfalls aus Sicht der Gesellschaft besteht folglich für das Claims-Made-Prinzip durchaus ein Bedürfnis.

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