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a) Zweck, Prinzipien, Leitlinien

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Compliance- und Risikomanager beschreiben ihre Arbeitsweise oft mit Begriffen aus der Welt der Reiseveranstalter.[1] Wer aus der beruflichen Perspektive heraus vor einer Reise steht, denkt und plant typischerweise vorausschauend in die nahe oder ferne Zukunft über Reisezweck, Reiseziele, Reiseausrüstung, Reiseroute und – wenn er sich an die Reiseergebnisse und -erfahrungen erinnern oder andere darüber informieren möchte – die Berichterstattung über seine Beobachtungen. Bevor die Reise beginnt, sollen möglichst vorausschauend alle Parameter berücksichtigt sein, die aller Voraussicht nach auf der Reise eintreten können, die als Meilensteine den Fortschritt kennzeichnen und als Hindernisse oder gar als Gefahrenpotentiale überwunden werden müssen. Dabei müssen genauso Etappen wie auch Ruhe- und Entspannungszeiten für alle Teilnehmer bedacht sein. Eine unternehmensinterne Aufklärung (Internal Investigation) benötigt im übertragenen Sinne ebenfalls eine solche Reiseplanung. Beispielsweise sind Anfang und Ende der Internal Investigation zu bedenken; nicht nur der Weg der Ergebnisfindung sondern auch die Umsetzungsschritte für den betrieblichen Alltag liegen in der Zukunft. Die Stationen bis zu diesem Ziel sind noch unbekannt oder nur schemenhaft umrissen. Daher sind

Ziele zu formulieren;
Maßnahmen und die dafür benötigen Ressourcen zu planen;
Budgets zu verwalten;
mit den Beteiligten ein regelmäßiger und inhaltlich hochstehender Informations- und Meinungsaustausch zu organisieren;
die Reihenfolge und der Umfang des Vorgehens festzulegen,
die Chancen und Risiken zu analysieren und laufend weiter zu entwickeln;
ein Zeitplan aufzustellen;
eine abschließende Bewertung vorzulegen und schließlich
erforderliche Umsetzungen und/oder Änderungen zu beschreiben, ggf. auch durch das Team, das mit der Internal Investigation beauftragt war, voranzutreiben.

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Unabhängig von Art und Inhalt des Auftrages dient die Internal Investigation keinem Selbstzweck, sondern sie verfolgt auf die jeweiligen Auftraggeberinteressen bzw. das jeweilige Unternehmen bezogene Zwecke, bspw.:

Objektivierung von Behauptungen und Verdächtigungen anhand der legal erreichbaren und verwertbaren Beweise als Grundlage für Management-Entscheidungen oder eine externe Berichterstattung (bspw. in Ad-Hoc-Mitteilungen, Lage- und Kapitalmarktberichten etc.);
Unterstützung juristisch ausgerichteter Verfahren (Straf-, Verwaltungs-, Aufsichts- und Haftungsprozesse, z.T. auch mediatorische Prozesse);
Risikoidentifizierung, Risikovalidierung und Risikomanagement von rechtlichen, betriebswirtschaftlichen – auch betriebsorganisatorischen – zukünftigen Risiken für eine betroffene Rechtsposition (daher muss – am Ende der Internal Investigation – eine Faktenbasis für diese Aspekte vorliegen);
Selbstreinigung des Unternehmens (was voraussetzt, dass bestimmte Handlungsempfehlungen ausgesprochen, Maßnahmen umgesetzt und deren Implementierung und Wirksamkeit prüfbar belegt werden);
Fortentwicklung eines (zukunftsgerichteten und präventiven) Compliance-Management-Systems (durch Identifikation der Untersuchungsergebnisse, die sich mit Organisation & Prozessen befassen).

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Wer die Internal Investigation als Krisenreaktionsmechanismus des Unternehmens sieht, wird die Frage stellen, ob ein solches Vorhaben überhaupt mit dem Projektgedanken verglichen oder die Leitung und Steuerung der Internal Investigation gar als Projektmanagement mit einer betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen Ausrichtung betrieben werden kann. Wer vom Gedanken einer Rechtspflicht zur Aufklärung her die Pflicht zur Durchführung einer Internal Investigation ableitet, wird möglicherweise Bedenken haben, wenn Wirtschaftlichkeit und Ressourcenknappheit als Kategorien für eine Pflichterfüllung zugelassen werden. Zuweilen wird das mit der Erfahrung begründet, dass gerade wegen dieser Kriterien im Unternehmen unterentwickelte Kontrollen anzutreffen sind und die Regelkonformität darunter leidet. Wenn eine Unternehmensrevision bspw. infolge der personellen und sachlichen Ausstattung nicht in der Lage war, den „Dingen auf den Grund zu gehen“, dann darf eine etwaige darin liegende Aufsichtspflichtverletzung[2] nicht bei einer Internal Investigation, die sich mit dem gleichen Sachverhalt zu befassen hat, wiederholt werden. Es wird daher darauf zu achten sein, nicht etwa den gleichen Fehler beim Start der Untersuchung zu begehen. Von einem fallweisen Erfahrungs- oder Beurteilungsmaßstab darf aber die Frage des Projektmanagements nicht abhängig gemacht werden.

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In der Rechtsprechung sind durchaus Kategorien wie „Wirtschaftlichkeit“ und „Angemessenheit“ oder „Erheblichkeit“ für die Aufklärung von Sachverhalten anerkannt.[3] Auch die Verfahrensordnungen zeigen durch Ermessensvorschriften,[4] dass der Gedanke der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit längst Einzug in die Ergebnisbeurteilung von Aufklärungsanstrengungen aller Art – besonders auch bei juristisch relevanten Fehltritten von Individualpersonen und Unternehmen – gefunden hat.[5] Schließlich sind sich selbst die Befürworter weitestgehender Präventivmaßnahmen in Unternehmen darüber einig, dass schon eine vollständige, lückenlose Prävention nicht zu erreichen ist, ja lebensfremd erscheint.[6] Erst recht muss dies für nachträglich in die Vergangenheit zurückblickende Untersuchungen gelten. Obwohl es unzweifelhaft richtig ist, dass eine Rechtsregel vom Adressaten uneingeschränkte Befolgung erwartet, ist für die Untersuchung einer Rechtsverletzung von der anlassbezogenen Notwendigkeit auszugehen, Entscheidungsgrundlagen für den – über eine personale oder vertragliche Beziehung hinausgehenden – Aufgriff, die Nachverfolgung und die Sanktionierung zu schaffen.[7] In der Folge lassen sich Art, Umfang, Dauer und Beendigung der Internal Investigation von folgenden Faktoren bestimmen:

Bedeutung bzw. Erheblichkeit einer (vermuteten oder verdächtigen) Rechtsverletzung für das betroffene und andere verwandte Rechtsgüter;
Dispositionsmöglichkeiten des Betroffenen, d.h. sowohl des Rechtsgutsträgers, eines Mitberechtigten, als auch die Möglichkeiten des durch die Rechtsverletzung etwaig in seinem Verhalten beeinflussten Dritten (insb. durch Anzeige- und Antragsrechte, Auswahlermessen bei mehreren möglichen Reaktionsweisen, Zustimmungsrechte, Kontrollrechte etc.);
Beurteilung von Aufgriffs- und Verfolgungsfristen (bspw. Strafantragsfristen und Strafverfolgungsverjährung);
Wahrscheinlichkeiten einer Rechtsdurchsetzung bei unterschiedlichen Graden an die eigene und die fremde Beweisführung und reziproke Wirkung einer solchen Eskalation auf das Unternehmen (bspw. die Bindung von Ressourcen, die öffentliche Wahrnehmung etc.);
etwaige prozessuale Gegebenheiten der zuständigen Instanz;
etwaige kulturelle und soziale Verhaltensgebote[8] sowie
bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Beurteilung von Aufgriffs- und Verfolgungswahrscheinlichkeiten aus der Sicht der ausländischen Rechtsordnung.

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Allerdings erfüllt nicht jedes Vorhaben einer „Internal Investigation“ den Projektbegriff. So sind bspw. der Auftrag zur Erstattung eines Rechtsgutachtens oder einer anderen sachverständigen Begutachtung, wie es im Schieds- und Gutachterwesen häufiger vorkommt, keine Projekte. Auch die Prozessvertretung oder die außergerichtliche Beratung stellen unabhängig von Art und Umfang der Aufgabe (noch) keine Anforderungen an eine Projektorganisation. Erst wenn eine vielschichtigere Aufgabe zu erledigen ist, die nicht durch eingeübte Routine einer Linienorganisation bewältigt werden kann, die eine Koordination mehrerer Kompetenzen erfordert, die einer unbekannten, unüberschaubaren oder komplexen Sachlage auf den Grund gehen soll und zudem Personen zusammenarbeiten sollen, die vorher noch nicht viel miteinander zu tun hatten, spricht man von einem „Projekt“.[9] Deshalb ist es richtig, sich sowohl als Auftraggeber der Internal Investigation als auch als Auftragnehmer (selbst-)kritisch die Frage zu stellen, ob angesichts von Art, Umfang, Bedeutung und Wirkung der Aufgabenstellung diese als Projekt verstanden und – dann folgerichtig – auch gestaltet, d.h. „gemanagt“ werden muss. Das schränkt keinesfalls den juristischen Anspruch an eine Klärung von Rechtsvoraussetzungen und Rechtsfolgen ein, sondern gibt – wie auch im staatlichen Verfahrensrecht – Gelegenheit, die im betrieblichen Alltag aufgrund der menschlichen Natur anzutreffenden Eigenheiten, Schwächen, Fehler, Versäumnisse oder Lücken rein tatsächlich von qualifizierten Übertretungen zu trennen.

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