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I. Die Entwicklung des strafrechtlichen Vermögensschutzes

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Das deutsche Strafrecht schützt das Vermögen in seinen unterschiedlichen Ausprägungen vor ganz verschiedenen Angriffsformen. Wenngleich auch das Römische Recht, die Constitutio Criminalis Carolina (1532) und das Preußische Allgemeine Landrecht (1794) vermögensschützende Straftatbestände kannten, ist die heutige Konzeption des Vermögensschutzes im deutschen Strafgesetzbuch von diesen Vorläufern weitgehend unbeeinflusst.[1] Das Römische Recht bestrafte das „furtum“, womit jedes „unredliche Antasten in gewinnsüchtiger Absicht, sei es der Sache selbst oder sei es auch des Gebrauches oder des Besitzes“[2] gemeint war. In diesem Generaltatbestand wurden, ohne Differenzierung nach Handlungsweise oder Sanktionsandrohung, neben dem Diebstahl auch heutige Formen der Unterschlagung, des Raubes und des Betruges erfasst. Darüber hinaus unterfielen dem Delikt des „furtum“ heute nicht strafbare Angriffe gegen das Vermögen, wie die rechtswidrige Besitzstörung oder der vertragswidrige Gebrauch. Eine differenziertere Regelung sah die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) zumindest für den Bereich des Diebstahls vor. In den Art. 157–175 wurde eine Vielzahl von Diebstahlsformen normiert, die sich etwa nach dem Wert des Gestohlenen oder der Art des Gewahrsamsbruchs unterschieden. Eine Strafbarkeit des Betruges kannte die CCC hingegen nicht.[3] Demgegenüber sah das Preußische Allgemeine Landrecht (PrALR) bereits verschiedene Kategorien der Vermögensbeeinträchtigung vor. In seinem 2. Teil, 20. Titel finden sich die folgenden, insbesondere nach der Motivlage des Täters gegliederten Abschnitte: „Von der Beschädigung des Vermögens überhaupt und von der Entwendung inbesonderheit“ (14. Abschnitt), „Von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz und Betrug“ (15. Abschnitt), „Von Beschädigungen des Vermögens aus Rache, Bosheit und Muthwillen“ (16. Abschnitt) sowie „Von Beschädigungen mit gemeiner Gefahr“ (17. Abschnitt). Bis Anfang des 19. Jahrhunderts boten Regelung und Dogmatik der Vermögensdelikte jedoch „ein Bild jämmerlicher Verworrenheit“[4], das als Vorbild für die Gestaltung des Strafgesetzbuches wenig Nutzen versprach.[5] In den 1820er Jahren begann ein Reformprozess, in dessen Zuge Struktur und Inhalt des strafrechtlichen Vermögensschutzes grundlegend neu gestaltet wurden.[6] Bereits der zweite von insgesamt zehn Entwürfen zum Preußischen Strafgesetzbuch[7] vollzog eine Abkehr von der motivbezogenen Einteilung der Vermögensdelikte und orientierte den strafgesetzlichen Aufbau an den Handlungsformen und der Natur des Schadens. Die Regelungen des im Jahr 1851 in Kraft getretenen Preußischen Strafgesetzbuchs bilden die historisch wichtigste Grundlage des heutigen Vermögensstrafrechts. Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund von 1870 und später das Reichsstrafgesetzbuch aus dem Jahr 1871 übernahmen die Bestimmungen beinahe wortgleich.

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Im 20. Jahrhundert änderten sich die Vorzeichen des strafrechtlichen Vermögensschutzes: Waren einst „Haus und Hof, Pferd, Kuh, Hühner und Kaninchen“[8] Gegenstand der Vermögensdelikte, so kam nun zunehmend Aktien, Anwartschaften oder dem geistigen Eigentum wirtschaftliche Bedeutung zu. Mit den wachsenden Möglichkeiten der Informationstechnologie wurde das Vermögen durch Hacker-Angriffe oder Datenmanipulationen bedroht. Der Handel mit Vermögenswerten erfolgte zunehmend transnational und mit der Europäischen Union entstand ein neuer Akteur mit eigenen Vermögensinteressen. Infolge der technischen Entwicklungen und internationaler Einflüsse hat der Vermögensschutz des Strafgesetzbuchs (StGB) eine Vielzahl von Änderungen erfahren. So wurden mit dem 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (WiKG) von 1976[9] die Tatbestände des Subventions- und des Kreditbetruges eingeführt; das 2. WiKG[10] ergänzte das StGB um Vorschriften zum Schutz des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (§§ 152a, 266b StGB), von Kapitalanlegern (§ 264a StGB) und vor Computerkriminalität (§ 263a StGB). Weitere Neuerungen folgten insbesondere durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität von 1992[11] (§ 261 StGB), das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 1997 (§§ 298, 299 StGB) sowie zahlreicher Regelungen im Nebenstrafrecht (etwa die Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums im Patent-, Urheber- oder Geschmacksmustergesetz).[12]

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Auch in Zukunft wird sich das Vermögensstrafrecht wandeln müssen, um den Herausforderungen der Digitalisierung und dem Einsatz moderner Technologien gerecht zu werden. In Anbetracht neuer Erscheinungsformen von Vermögen (etwa virtuelle Währungen oder digitale Gegenstände) und bislang wenig bekannter Kriminalitätsräume (wie das Darknet) stehen Strafrechtswissenschaft und -politik vor der Aufgabe, die traditionellen Vermögensdelikte im Lichte des technischen Fortschrittes fortzudenken und neu zu gestalten.[13]

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