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II. Der Streit um den strafrechtlichen Vermögensbegriff

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Bei der Definition des Vermögensbegriffs handelt es sich um eines der wohl umstrittensten Probleme des Strafrechts; im Schrifttum existiert eine fast unüberschaubare Meinungsvielfalt und auch die Rechtsprechung ist bislang zu keiner vollständig konsistenten Auslegung gelangt. Neben dem traditionellen juristischen, dem rein wirtschaftlichen und dem gemischt „juristisch-ökonomischen“ Vermögensbegriff werden in der Literatur personale Vermögenslehren sowie funktionale Ansätze zur Beschreibung strafrechtsrelevanten Vermögens vertreten (ausführlich hierzu → BT Bd. 5: Urs Kindhäuser/Kay H. Schumann, Betrug, § 33 Rn. 42–65).[41]

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Für die Rechtspraxis von besonderer Relevanz ist das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen und normativen Aspekten bei der Bewertung einer Position als Vermögen. Kann es ein strafrechtlich geschütztes Vermögen außerhalb der (Zivil-)Rechtsordnung geben oder ist das Vermögen „geronnenes Recht“[42], dessen Definition sich nicht in Widerspruch zu den Wertungen des Rechts setzen darf? Die Frage nach der Normativierung ökonomisch werthaltiger Positionen wurde im Jahre 2016 durch einen Anfragebeschluss des 2. Strafsenats neu aufgeworfen,[43] der die grundsätzlichen Divergenzen zwischen dem ökonomischen und dem juristischen Begriffsverständnis deutlich macht.[44] Gegenstand der Anfrage war die Entscheidung des Senats, den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nicht dem Vermögen im strafrechtlichen Sinne zuzurechnen. Damit widersprach der 2. Strafsenat der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts;[45] beide gingen seit der Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 14. Dezember 1910[46] von einem wirtschaftlichen Verständnis des Vermögens aus. Begründet wird die ökonomische Betrachtungsweise in erster Linie kriminalpolitisch: Ein „von vornherein schutzunwürdiges Vermögen“ dürfe im Strafrecht nicht existieren, da anderenfalls rechtsfreie Räume (etwa im „Ganovenumfeld“) geschaffen würden und es der Justiz versagt bliebe, angemessen auf die „Gefährlichkeit“ der Täter zu reagieren.[47] Daher sei auch der strafbare Besitz dem Vermögen zuzuordnen, wenn ihm ein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann; bei illegalen, auf dem Schwarzmarkt gehandelten Betäubungsmitteln sei dies der Fall.[48] Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise hält der Bundesgerichtshof allerdings nicht konsequent durch. Arbeits- und Dienstleistungen, die aufgrund eines verbotenen oder sittenwidrigen Vertrages erbracht werden, sollen dem strafrechtlichen Vermögensbegriff nicht unterfallen; ihnen komme kein anerkannter Marktwert zu.[49] So blieb etwa bis zum Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes straffrei, wer eine Prostituierte durch Vorspiegelung von Zahlungsbereitschaft um ihren Arbeitslohn betrog.[50] Die Begründung des Bundesgerichtshofs liest sich hier wie eine Abkehr vom wirtschaftlichen Vermögensbegriff: „Das Strafrecht würde sich in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung setzen, wenn es im Rahmen des Betrugstatbestandes nichtigen Ansprüchen Schutz gewährte, die aus verbotenen oder unsittlichen Rechtsgeschäften hergeleitet werden.“[51] Nach dieser Argumentation kann auch der Verlust des strafbaren Besitzes von Drogen keinen Vermögensschaden begründen. Anderenfalls würde die Rechtsordnung den Besitz gleichzeitig bestrafen (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG) und als Vermögenswert schützen.[52] Den strafbaren Besitz zum geschützten Rechtsgut zu erheben, erscheint nicht nur rechtssystematisch widersinnig, sondern stellt auch eine „faktische Anerkennung des Unrechtsverkehrs“[53] dar.[54] Ein „rechtsfreier Raum“ entsteht durch eine normative Begrenzung des Vermögensschutzes nicht: Wird der illegale Besitz durch Gewalt oder Drohungen entzogen, so macht sich der Täter wegen Freiheits- oder Körperverletzungsdelikten strafbar; in anderen Fällen (wie der bloßen Täuschung) muss das Strafrecht als „ultima ratio“ hingegen nicht zum Schutz einer rechtswidrigen Position eingreifen.[55]

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Diese Konsequenz wurde von den übrigen Senaten des Bundesgerichtshofs[56] sowie einer anderen Sitzgruppe des zweiten Strafsenats[57] indes nicht geteilt. Sie halten an der bisherigen Rechtsprechung insbesondere mit der Begründung fest, dass die Versagung des vermögensstrafrechtlichen Schutzes Diskrepanzen im Verhältnis zu den Eigentumsdelikten auslöse.[58] Werden illegale Betäubungsmittel mit der herrschenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung als „fremde Sachen“ und damit als taugliche Tatobjekte der Eigentumsdelikte bewertet,[59] so ist ihre gewaltsame Wegnahme als Raub zu bestrafen, während ihre erzwungene Herausgabe nach der Auffassung des 2. Strafsenats nicht unter §§ 253, 255 StGB (sondern lediglich unter § 240 StGB) fiele.[60] Die hiermit verbundene erhebliche Abweichung im Strafmaß ist mit dem zufälligen äußeren Erscheinungsbild, das der Abgrenzung zwischen § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB zugrunde liegt, allerdings nicht sinnvoll erklärbar.

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An dieser Stelle zeigt sich erneut eine Schwäche des strafrechtlichen Vermögensschutzes, der Eigentums- und Vermögensdelikte im engeren Sinne nicht parallel ausgestaltet (Rn. 10). Die Eigentumsdelikte schützen den Eigentümer einer „beweglichen Sache“ vor Wegnahme, nicht aber vor Täuschung oder Bedrohung, die zum Besitzverlust führen. Diese Lücke wird regelmäßig durch die Vermögensdelikte im engeren Sinne geschlossen, die eben diese Angriffsformen unter Strafe stellen. Ein Schutzvakuum entsteht jedoch dann, wenn die Sache keinen Vermögenswert hat[61] (wie Gegenstände mit rein immateriellem Affektionswert[62]) und damit nicht von §§ 253, 263 StGB erfasst wird. Divergenzen in der Bestrafung von Wegnahme und Weggabe sind jedoch in der Inkongruenz von Eigentums- und Vermögensbegriff angelegt[63] und unvermeidbare Folge ihrer unterschiedlichen Schutzkonzepte.[64] Eine mögliche Lösung hat der 2. Strafsenat aufgezeigt: Die Diskrepanz ließe sich durch eine restriktive Auslegung der Eigentumsdelikte überwinden, derzufolge das Eigentum an illegalen Betäubungsmitteln nicht als vollwertige Eigentumsposition anerkannt und vom strafrechtlichen Schutz teleologisch ausgenommen wird.[65] Eine solche Reduktion des Eigentumsbegriffs wäre zwar ein Novum im strafrechtlichen Eigentumsschutz. Die teleologische Einschränkung wäre jedoch sinnvoll: Das Verständnis von Eigentum würde von der geltenden, strengen Zivilrechtsakzessorietät entkoppelt[66] und stattdessen im Lichte zivilrechtlicher Wertungen (hier: die zentralen zivilrechtlichen Eigentumsrechte nach §§ 903, 985 ff. BGB stehen dem Drogenhersteller wegen § 29 BtMG nicht zu[67]) einer eigenständigen strafrechtlichen Bewertung unterzogen.

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens§ 28 Der Schutz des Vermögens im deutschen Strafrecht › C. Vermögensschützende Tatbestände

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