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1. Vermögensschaden und Dispositionsfreiheit
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Tatbestände zum Schutz des Vermögens im engeren Sinne setzen voraus, dass dem Opfer ein Vermögensschaden zugefügt wird (vgl. §§ 253, 263, 266 StGB). Die Bestimmung des Vermögensschadens ist in Rechtsprechung und Schrifttum hoch umstritten. Uneinigkeit besteht hier sowohl mit Blick auf die grundlegende Interpretation des Vermögensbegriffs (Rn. 11 ff.) als auch hinsichtlich einer Vielzahl von Einzelfragen der Saldierung und der Anerkennung spezieller Schadensarten, etwa beim Sportwettbetrug, dem Erfüllungs- oder dem Anstellungsbetrug.[115]
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Nach fast einhelliger Meinung ist der Vermögensschaden objektiv zu bemessen: Ein Schaden ist anzunehmen, wenn nach einer Saldierung der vermögenswerten Zu- und Abflüsse eine Minderung des Gesamtvermögens eingetreten ist.[116] Von §§ 263, 266 StGB nicht geschützt ist damit die Dispositionsfreiheit des Betroffenen über sein Vermögen,[117] solange kein negativer Saldo entsteht oder der Zugriff auf das Vermögen vollständig entzogen[118] wird. Das Erfordernis einer rechnerischen Vermögenseinbuße führt zu nicht unwesentlichen Einschränkungen des strafrechtlichen Schutzes vor Täuschungen. Veranlasst der Täter einen Anderen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Abschluss eines Vertrages, so macht er sich nach § 263 StGB nur strafbar, wenn sich Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich nicht entsprechen. Die Täuschung über Umstände, die den Verkehrswert der Sache entscheidend mitbestimmen, erfüllt daher für sich genommen nicht den Tatbestand des Betruges. Verkauft der Täter etwa ein Plagiat als Original,[119] so liegt ein Schaden allein dann vor, wenn die übergebene Sache den vereinbarten Preis nicht wert ist; dass sie im Wert hinter dem versprochenen Original zurückbleibt, ist hingegen irrelevant, da das Ausbleiben eines erhofften Gewinns keinen Schaden darstellt.[120] Damit sind Geschäftsmodelle strafrechtlich nicht zu beanstanden, bei denen dem Kunden bewusst irreführend ein besonders günstiges Angebot suggeriert, aber das Produkt letztlich zum marktüblichen Preis verkauft wird.
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Dieses Ergebnis wird von den Vertretern der personalen Vermögenslehre zu Recht bestritten.[121] Sie verstehen Vermögen als das einer Person zustehende wirtschaftliche Entfaltungspotenzial und damit als Grundlage für die Freiheitsausübung durch finanzielle Mittel.[122] Auf diese Weise verschiebt die personale Vermögenslehre den Schwerpunkt des Vermögensschutzes von dem Erhalt des wirtschaftlichen Bestandes zu einer Gewährleistung individueller Dispositionsfreiheit.[123] Folgerichtig wird der Vermögensschaden nicht auf einen objektiven materiellen Verlust beschränkt, sondern bezieht auch Ausgaben ein, die aus Sicht des Vermögensträgers den vereinbarten Zweck verfehlen. Bei Lieferung eines Aliud wird die verfügungsbedingte Einbuße an wirtschaftlicher Potenz nicht durch einen für den Träger relevanten Gegenwert kompensiert. Seine Ausgabe bleibt eine Fehlinvestition, auch wenn er im Austausch eine zwar finanziell angemessene, aber von ihm nicht gewünschte Gegenleistung erhält.[124]
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Obwohl die herrschende wirtschaftliche Lehre den personalen Vermögensbetriff ablehnt, korrigiert sie in besonders gravierenden Fällen die Ergebnisse der objektiven Saldierung durch den Gedanken des „persönlichen Schadenseinschlags“.[125] Trotz eines marktgerechten Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung soll ein Vermögensschaden dann vorliegen, wenn (1) „dem Opfer Mittel entzogen werden, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind“, (2) „das Opfer zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird“ oder (3) „das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann.“[126] Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beschränken sich jedoch auf wenige Ausnahmekonstellationen. So soll es auch bei dem Erwerb ungeeigneter Leistungen (Fallgruppe 3) an einem Vermögensschaden fehlen, wenn der Geschädigte für eine ihm unter Androhung von Gewalt verkaufte Sache „mit zumutbarem Einsatz“ einen kompensatorischen Gegenwert erzielen könnte.[127] Damit wird aber dem Opfer der Tat aufgegeben, den ihm zugefügten Nachteil durch eigeninitiative Weiterveräußerung des für seine Zwecke nutzlosen Gegenstandes abzuwenden.
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Der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre wird vorgehalten, dass sie durch die Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag entgegen ihrer theoretischen Grundannahme die individuelle Dispositionsfreiheit schützen.[128] Zwar rekurriert das Modell auf wirtschaftliche Elemente, letztlich wird der Vermögensschaden jedoch durch die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Geschädigten subjektiviert; die gleiche Verfügung kann bei einer Person als Herbeiführung eines Schadens bewertet werden (etwa wenn sie zur Finanzierung einen Kredit aufnehmen muss), bei einer anderen hingegen nicht.[129] Durch die Korrektur der rein wirtschaftlichen Schadensbestimmung hat die Rechtsprechung die Prämissen der Saldierungstheorie partiell aufgegeben, ohne dass sie sich jedoch zu einer konsequenten Neudeutung und Erweiterung des Schadensbegriffs hätte entschließen können.