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2. Der Besitz
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Zivilrechtlich wird der – mittelbare und unmittelbare – Besitz an einer Sache durch §§ 823, 1007 BGB sowie die Vorschriften über Besitzstörung in §§ 859 ff. BGB gewährleistet. Der strafrechtliche Besitzschutz ist hingegen fragmentarisch und uneinheitlich. Die Eigentumsdelikte des StGB schützen den Besitz als solchen nicht. Wenngleich der Gewahrsam vereinzelt als geschütztes Rechtsgut des § 242 StGB angesehen wird,[29] so bleibt sein Schutz doch unvollkommen. Die bloße Sachentziehung genügt für eine Strafbarkeit des Täters wegen Diebstahls nicht; die Wegnahme muss vielmehr mit dem Vorsatz erfolgen, den Berechtigten dauerhaft zu „enteignen“, ihm den Besitz an der Sache also nicht nur vorübergehend zu entziehen.[30] Eine Ausnahme bildet § 248b StGB, der die Gebrauchsanmaßung bei Kraftfahrzeugen und Fahrrädern unter Strafe stellt. Außerhalb dieser eng umgrenzten Spezialregelung ist der temporäre Besitzentzug, das „furtum usus“, jedoch nicht strafbar.[31] Mit der sogenannten „Sachwerttheorie“ wird der Versuch unternommen, Strafbarkeitslücken in Fällen der vorübergehenden Besitzanmaßung zu schließen. Hiernach soll eine Zueignungsabsicht im Sinne von § 242 StGB auch dann vorliegen, wenn der Täter dem Berechtigten den spezifischen Wert der Sache, das „lucrum ex re“, entziehen möchte.[32] Ein weiteres Korrektiv[33] soll der Umfang der Nutzung der weggenommenen Sache darstellen: Ist der Sachwert um mehr als 50 % vermindert oder wird eine Teilfunktion der Sache vollständig entzogen (etwa die Eigenschaft eines Buchs als neuwertig)[34], so erhalte der Eigentümer letztlich eine andere als die ursprüngliche Sache zurück und sei daher „enteignet“.[35] Beide Ansätze heben die Unterscheidung zwischen strafloser Besitzanmaßung und strafbarer Zueignung nicht auf, sondern verschieben lediglich ihre Trennlinie. So bleibt es bei einem nur fragmentarischen Schutz des Besitzentzugs – es wird weiterhin nicht bestraft, wer etwa einem Geiger unmittelbar vor dessen Konzert die Violine entzieht, um sie ihm am nächsten Morgen zurückzugeben –, während gleichzeitig neue Abgrenzungsschwierigkeiten (wann liegt eine hinreichende Wertminderung vor?) und Widersprüche (der vorübergehende Entzug eines neuwertigen Buches soll § 242 StGB erfüllen, der eines gebrauchten hingegen nicht) entstehen. Darüber hinaus überdehnen beide Korrektive den Begriff der Zueignung und lassen sich mit dem Wesen des Eigentumsschutzes nicht sinnvoll in Einklang bringen. Die Gleichsetzung einer Sache mit dem in ihr verkörperten Wert ist weder mit der zivilrechtlichen Eigentumsdogmatik zu vereinbaren noch wird sie den Wertungen des § 242 StGB gerecht. Da die Strafnorm die uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit des Eigentümers über eine Sache unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert schützt, kann die tatbestandlich vorausgesetzte Zueignung nicht ohne Systembruch auf eben diesen wirtschaftlichen Sachwert bezogen werden.[36] Ähnlichen Bedenken begegnet die Annahme von Zueignungsabsicht in Fällen der Sachwertminderung. Hier wird das Unrecht der Sachbeschädigung zu einem Diebstahlsunrecht hochgestuft. Wer die Sache des Eigentümers durch intensive Nutzung in ihrem Wert mindert, der fügt ihm einen Schaden zu, „enteignet“ ihn aber nicht.
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Anders gestaltet sich der Schutz des Besitzes in Straftatbeständen, die das Vermögen als Ganzes erfassen. Wird dem Berechtigten der Besitz nicht durch Wegnahme, sondern durch Täuschung oder Drohung entzogen, so hängt die Strafbarkeit davon ab, ob durch das Handeln des Täters ein Vermögensschaden eingetreten ist. Grundsätzlich gehört jedenfalls der berechtigte mittelbare oder unmittelbare Besitz zum Vermögen und wird damit von §§ 263, 253 StGB geschützt.[37] Während der dauerhafte Besitzverlust einer werthaltigen Sache ohne weiteres einen Schaden darstellt, ist dies bei nur zeitweiliger Entziehung der Sache zweifelhaft. Ein Schaden liegt trotz späterer Rückgabe der Sache dann vor, wenn sie durch die vorübergehende Nutzung in ihrem Wert gemindert, verbraucht oder beschädigt wurde.[38] Ebenso ist von einem Vermögensschaden auszugehen, wenn die Überlassung des Besitzes an dem Gegenstand üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgt. Wird der Besitzer etwa um die Mietzahlung gebracht, so ist er durch die nicht kompensierte Hingabe der Sache geschädigt.[39] Damit ergibt sich folgendes Bild: Hat die Sache einen kommerzialisierbaren Nutzungswert, so ist der temporäre Besitzentzug durch Täuschung oder Drohung strafbar, durch Wegnahme (außerhalb von § 248b StGB) hingegen straflos. Diese wenig schlüssige Differenzierung im Schutz des Besitzes offenbart Mängel in Konsistenz und Systematik des Vermögensstrafrechts:[40] Die unterschiedliche (und bislang nicht harmonisierte) Konzeption von Eigentumsdelikten und Vermögensdelikten im engeren Sinne führt dazu, dass der gleiche Vermögenswert vor einer Angriffsform (Täuschung) geschützt wird, vor einer anderen (Wegnahme) hingegen nicht. Trotz dieses Befundes wird über die Einführung eines allgemeinen Straftatbestandes des unerlaubten Besitzentzuges bislang nicht ernsthaft diskutiert.