Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich, Dennis Bock - Страница 34
b) Strafbarkeit abstrakter Vermögensgefährdungen
Оглавление40
Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Tatbestände geschaffen, die bereits abstrakte Gefahren für vermögenswerte Güter unter Strafe stellen. So ist etwa nach § 264a StGB strafbar, wer in einem Verkaufsprospekt falsche Angaben zu Wertpapieren macht; selbst wenn die Wertpapiere tatsächlich nie veräußert werden.[142] Ebenso setzt der Kreditbetrug in § 265b StGB den Eintritt eines Schadens nicht voraus; es genügt die Angabe falscher Daten gegenüber dem kreditgebenden Unternehmen.[143] Noch weiter reicht § 265 StGB, der bereits Vorbereitungshandlungen für die Begehung eines Versicherungsbetruges unter Strafe stellt.[144]
41
Die Wissenschaft steht diesem „Trend zum abstrakten Gefährdungsdelikt als Prototyp des Wirtschaftsstrafrechts“[145] überwiegend kritisch gegenüber.[146] In der Tat kann die Ausweitung des Strafrechts auf das Vorfeld tatsächlicher Rechtsgutsverletzungen rechtspolitischen (und möglicherweise auch verfassungsrechtlichen) Bedenken begegnen. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesetzgeber durch die Pönalisierung lediglich abstrakt gefährlichen Verhaltens kein selbstständiges Unrecht normieren, sondern jene Beweisprobleme umgehen möchte, die üblicherweise mit Erfolgsdelikten verbunden sind.[147] Richtigerweise kann ein Verhalten nur dann unter Strafe gestellt werden, wenn ihm typischerweise eine Gefährdung für das Rechtsgut innewohnt. Welche Anforderungen an die Darlegung der abstrakten Gefährlichkeit an den Gesetzgeber zu stellen sind, ist noch ungeklärt; bloße Spekulationen ohne empirische oder evidenzbasierte Grundlage dürften jedenfalls nicht genügen.
42
Eine Vielzahl der Tatbestände, die abstrakte Gefährdungen von Vermögenswerten beschreiben, dienen jedoch in Wahrheit auch oder vorrangig dem Schutz von Institutionen.[148] So gewährleisten die eben genannten §§ 264a, 265 und 265b StGB nicht in erster Linie Vermögensrechte von Personen, sondern den Bestand gesellschaftlicher Institutionen wie des Versicherungs- und Kreditwesens oder des Kapitalmarktes.[149] Besonders deutlich zeigt sich dieses Phänomen im Bereich der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben. Hiernach macht sich strafbar, wer als Sportler oder Trainer einen Vorteil dafür annimmt, dass er den Verlauf oder das Ergebnis eines berufssportlichen Wettbewerbs in wettbewerbswidriger Weise zugunsten des Wettbewerbsgegners beeinflusst. Nach der Begründung des Gesetzgebers geht von Manipulationen „eine erhebliche Gefahr für das Vermögen anderer aus“; bei „hochklassigen Wettbewerben mit berufssportlichem Charakter“ könnten „die am Wettbewerb beteiligten ehrlichen Sportler sowie Sportvereine, Veranstalter und Sponsoren Vermögensschäden erleiden“.[150] Sieht man den Regelungszweck des § 265d StGB im Schutz des individuellen Vermögens von Sportlern und Vereinen,[151] so muss die Gestaltung der Norm berechtigter Kritik begegnen. Eine Vermögenseinbuße wird tatbestandlich weder vorausgesetzt, noch ist sie notwendige Folge einer Manipulation sportlicher Wettbewerbe; schließlich ziehen sportliche Niederlagen nicht notwendigerweise unmittelbare wirtschaftliche Verluste nach sich. Eine Deutung des § 265d StGB als Vorfelddelikt zum Wettbetrug in § 265c StGB würde hingegen zu weit führen: Die Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe in § 265d StGB weist nach ihrem Wortlaut keinen Bezug zur Durchführung von Sportwetten auf und kann ganz anderen Zielen – etwa dem Klassenerhalt – dienen. Legitimiert wird § 265d StGB daher richtigerweise nicht durch individuelle Vermögensinteressen, sondern durch die Gewährleistung von Fairness und Integrität des Sports als sozialer Institution.[152] Der Schutz von Vermögen ist hier allenfalls ein erwünschter Reflex des Institutionenschutzes, nicht aber Wesensmerkmal der Norm.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 28 Der Schutz des Vermögens im deutschen Strafrecht › E. Fazit: Zur Struktur des Vermögensstrafrechts