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Kapitel 5: Erklärungsversuche

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Angie und Brenda kamen die Treppe hinunter.

„Guten Morgen. Wie habt ihr geschlafen?“ erkundigte ich mich nach ihrem Befinden.

Angie fuhr sich durch das zu einem Bob geschnittene, dunkelbraune Haar. Sie hatte sich erst vor wenigen Wochen blonde Strähnen machen lassen, die allerdings bereits verblasst waren.

„Unruhig“ antwortete sie.

„Euer Bett ist wirklich gemütlich, aber unter diesen Umständen...“ ergänzte Brenda.

Sonst war sie immer perfekt gestylt, trug die neueste Mode, die meist aus knalligen Farben bestand. Noah hatte bei seiner Kleiderwahl nicht ganz das Richtige getroffen, denn sie trug nun eine weiße Bluse mit buntem, gesprenkeltem Motiv. Ihre dünnen Beine steckten in einer etwas weiten, hellblauen Leggins. Ich schätzte, dass meine beste Freundin sich in diesem Outfit unwohl fühlte, aber sie war so nett sich nicht zu beschweren – immerhin gab es momentan wichtigeres, denn sie waren nur knapp dem Tod entkommen. Ihr halblanges, ebenfalls braunes Haar hing platt und durcheinander herunter. Sie hatte sich natürlich nicht schminken können, aber wäre sie in einer besseren Verfassung gewesen, hätte sie auch ohne Make – up gut ausgesehen. Ihr farbiger Nagellack war abgeblättert. Brenda liebte den großen Auftritt, zudem hatte sie ein großes Mundwerk – die Zwanzigjährige sprach oft Dinge aus, welche ich nicht im Traum zu sagen wagte. Vielleicht waren es diese Unterschiede, die uns so eng zusammenwachsen ließen.

Angie hatte es da einfacher. Zwar war auch ihre Frisur zerzaust, aber durch den Bob fiel das nicht so sehr auf. Sie achtete auf ihre Figur und war etwas schlanker, als meine beste Freundin. Zudem wählte sie farblich passende Kleidung, während Brenda gerne experimentierte.

Noah hatte ihr eine dunkle Schlafhose und ein cremefarbenes Oberteil besorgt, welches ihr sogar ein wenig stand, wäre es nicht im Brustbereich etwas zu groß gewesen. Zwar schminkte sich auch die Einundzwanzigjährige im Normalfall, aber sie nutzte Make – up eher um ein ebenmäßiges Hautbild zu kreieren und verzichtete darauf, allzu viele auffällige Akzente zu setzen. Noah besorgte frische Brötchen und kam kurze Zeit später zurück. Er war ein wenig verschwitzt.

„Was ist mit dir geschehen?“ fragte Brenda, während sie mir beim Decken des Tisches half.

„Mein Mann joggt ab und zu, das hält ihn körperlich fit“ sagte ich leicht spöttisch und zwinkerte ihm zu.

„Ich will mich ja nicht beschweren, aber einer von uns beiden muss ja etwas für seine Figur tun“ meinte er.

Ich nahm mein Handtuch und schleuderte es ihm entgegen. Noah scherzte gerne einmal, daran hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Als ich Angie´s traurigen Blick sah, beendete ich den Spaß aber und holte Marmelade sowie Agavendicksaft aus dem Kühlschrank.

Wir aßen ohne ein Wort zu sagen. Wäre die Stimmung fröhlicher gewesen, hätte es sich fast so angefühlt, als wäre nichts geschehen. Aber Angie und Brenda hatten nur wenige Stunden zuvor eine Todesangst verspürt und mich machte die Ungewissheit über John Jones´ Schicksal halb wahnsinnig.

Unsere Gäste halfen beim Abwasch, ehe wir uns auf die lilafarbene Couch setzten.

„Wie soll es jetzt weiter gehen?“ fragte ich langsam.

„Wir werden Anzeige gegen John erstatten“ sagte Angie entschlossen.

Aufgeregt hielt ich die Luft an.

„Unsere Möbel und alle unsere Sachen sind vermutlich für immer weg. Wir müssen uns alles neu kaufen!“ fügte ihre Partnerin hinzu.

„Wenn ihr das Geschehene als Unfall bei der Versicherung meldet, bekommt ihr vielleicht eine Entschädigung. Ich meine, der Transporter war ja nur geliehen. Vielleicht nimmt das John auf sich, wenn...“

Noah sprach nicht weiter. Angie und Brenda machten ein ratloses Gesicht.

Ich legte meine Hand auf das Knie meiner besten Freundin.

„Wenigstens habt ihr noch keinen Käufer für das Haus gefunden, sonst hättet ihr natürlich weiter bei uns wohnen bleiben können.“

Wie es bei mir und Noah der Fall war, hatte auch Brenda ein eigenes Haus besessen. Ihre Eltern hatten jedoch etwas weniger in die Lebensversicherung eingezahlt, beziehungsweise hatte Brenda gewusst, wie man ein gutes Leben führte. Sie war sich aber nicht zu schade gewesen, im Friseursalon zu arbeiten. So hatte sie ihr eigenes Geld verdient, welches ihr die Fortführung ihres ausschweifenden Lebensstil ermöglichte. Ich reichte ihr mein Mobiltelefon.

„Erkundige dich doch mal im Salon, vielleicht bekommst du die Stelle wieder.“

Brenda nickte und wählte eine Nummer. Wenig später legte sie jedoch leicht niedergeschlagen auf.

„Keine Chance, sie haben bereits einen neuen Mitarbeiter“ meinte sie. „Aber ich wollte Angie sowieso bei ihren Büchern helfen.“

„Brenda, Jake hat recht. Irgendwie müssen wir etwas verdienen. Bis mein neues Buch verkauft wird, dauert es noch eine Weile.“

Ihr erstes Werk hatte sie vor Kurzem veröffentlicht, welches zumindest jeden Monat ein paar Tantiemen abwarf.

„Was ist eigentlich mit deinem Manuskript? Es war doch im Wagen...“

„Ich habe es zuvor in eine Cloud hochgeladen, so habe ich von überall Zugriff darauf“ erwiderte Angie. „Wenn das jetzt auch noch weg wäre, würde ich durchdrehen.“

Unser Gespräch wurde von einem Türklingeln unterbrochen. Ich stand auf, um sie zu öffnen, da traf mich der Schlag: John stand vor mir! Er hatte einige Kratzer und schwarze Flecken im Gesicht und sah ziemlich fertig aus. Augenscheinlich war ihm ebenfalls Schreckliches widerfahren. Sofort umarmte ich ihn, er tat es mir gleich.

„Du lebst...“ sprach ich zwar erleichtert, aber mit versagender Stimme.

„Um ein Haar wäre dem nicht so gewesen“ entgegnete er etwas außer Atem.

„Komm´ erst mal rein“ sagte ich ohne nachzudenken.

Ich freute mich so sehr, ihn lebend wiederzusehen. Offenbar fehlte ihm nicht viel. Als wir das Wohnzimmer betraten, wichen Angie und Brenda unwillkürlich zurück.

„Wieso hast du den da reingelassen?“ wollte die Einundzwanzigjährige von mir wissen.

„Angie, er ist unser Freund...“

„Freunde ermordet man nicht“ belehrte mich Brenda mit herablassendem Blick.

Noah sah zu uns auf und lief auf John zu. Ungeachtet der Stimmung nahm er ihn in den Arm.

„Wir dachten, du wärst tot! Was ist geschehen?“

„Hallo, Noah. Darf ich mich setzen?“ fragte John ruhig.

Die jungen Frauen hielten einigen Abstand zum neuen Bürgermeister von Cryptal City. Ich bedeutete ihm, auf der Couch Platz zu nehmen. Sein Gesichtsausdruck war etwas verzweifelt. Falten hatten sich um seine Stirn gebildet.

„Hört mal“, begann der Achtundzwanzigjährige, „ich weiß, wie das auf der Straße auf euch gewirkt haben muss. Aber ihr müsst wissen, dass ich euch nicht umbringen wollte!“

„Wie würdest du das dann nennen?“ zischte Angie mit verachtendem Blick.

Auch Brenda schien den Respekt ihm gegenüber verloren zu haben.

„Der Wagen wurde manipuliert. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte...“ erklärte John ruhig.

„So nennt man das also“ meinte Brenda. „Beinahe hättest du unser Leben ausgelöscht!“

„Ich weiß und das tut mir unendlich leid! Ihr müsst fürchterliche Angst gehabt haben, aber es war nicht meine Schuld, wirklich! Wieso habt ihr den Wagen denn nicht verlassen?“

„Das haben wir – zum Glück, sonst wären wir jetzt nicht hier“ antwortete Angie kühl. „Du hast Einfluss auf den Wagen genommen. Ihn zum Stillstand gebracht und die Türen verriegelt. Dann hast du den Transporter beschleunigt und wolltest uns überfahren!“

„Nein, so etwas könnte und würde ich nie tun! Angie, ihr kennt mich doch!“

Ich merkte, dass dies zu nichts führte, weshalb ich das Thema in eine andere Richtung lenken wollte.

„Wie bist du eigentlich aus dem Transporter herausgekommen?“

John sah in meine Richtung, schaute mir aber nicht in die Augen, sondern starrte ins Leere. Offenbar dachte er an den schrecklichen Moment zurück, weswegen ich meine Frage sofort bereute.

„Die Steuerung des Transporters hatte versagt. Er raste mit immer höherer Geschwindigkeit auf den liegengebliebenen Wagen von Brenda und Angie zu. Ich trat auf die Bremse, doch nichts tat sich. Kurz vor dem Aufprall war es mir endlich gelungen, das Lenkrad herumzureißen. Mit letzter Kraft war ich hinausgesprungen und unsanft auf dem Boden aufgekommen. Bevor ich bewusstlos geworden war, hatte ich die beiden noch wegrennen sehen.“

„Du Armer...“ entfuhr es der Schriftstellerin spöttisch. „Sollen wir jetzt auch noch Mitleid haben?“

„Wie bist du dann zurückgekommen?“ fragte Brenda mit gelockerter Miene und überging damit die sarkastische Frage ihrer Lebensgefährtin.

„Ich vermute, genauso wie ihr. Nachdem ich wieder zu mir gekommen bin, fuhr ich per Anhalter hierher, weshalb ich auch erst so spät komme. Ich konnte nicht anrufen, da sich mein Smartphone im Fahrzeug befand und wie alles beim Aufprall zerstört wurde.“

„Was ist mit unseren Sachen?“

„Die Wagen brannten lichterloh, als ich aufwachte. Ich dachte, dass bald jemand am Unfallort vorbeikommen würde, weshalb ich mich von der Stelle entfernte. Natürlich war das nicht richtig und gegen alles, was mir im Dienst als Detective beigebracht wurde – aber es war eine Kurzschlussreaktion. Es tut mir so leid, Brenda...“

Ich glaubte John. Alles passte zusammen und ich spürte einfach, dass er die Wahrheit sagte.

„Ich wäre fast selbst gestorben. Das Lenkrad war plötzlich durch irgendetwas blockiert worden und die Geschwindigkeit des Transporters ließ sich nicht drosseln. Es hatte mich einige Kraft gekostet, dagegen anzukämpfen. Aber es war keinesfalls ein technischer Defekt gewesen...“

„Was meinst du?“ wollte ich wissen.

„Da war Magie im Spiel. Schwarze Magie.“

„Omega“ flüsterte Brenda.

Eine Träne lief ihre Wange hinunter, dann lief sie auf unseren Freund zu und umarmte ihn.

„Liebling, was tust du da?“

„Angie, er kann es nicht gewesen sein!“ rechtfertigte sich die Braunhaarige, die John fest an sich drückte.

Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Das stimmt. Ich habe wirklich keine Schuld an dem Vorfall. Ich bin euer Freund und würde euch nie etwas antun!“

Einige Zeit später hatten wir uns alle ein wenig beruhigt. Noah telefonierte mit Jacob, wodurch er erfuhr, dass dieser einen freien Tag hatte. Auf seine Bitte hin, kümmerte er sich um die Videothek, da uns verständlicherweise nicht der Kopf danach stand. Wir saßen alle um den braunen Esstisch herum. Angie hatte sich widerwillig dazugesetzt.

„Du denkst also, dass der Transporter unter dem Einfluss von Omega stand?“ fasste sie zusammen.

John nickte.

„Das denke ich nicht – so war es!“

Brenda´s Freundin überlegte.

„Es wäre wirklich möglich, dazu bedarf es aber einer Menge Energie, über welche der Orden nicht verfügen kann. Ihr habt ihn bereits zuvor einige Male zerschlagen und nun hat er erneut keinen Anführer.“

„Vielleicht ja doch...“ meldete sich Brenda zu Wort.

Mir lief ein kalter Schauer den Rücken herunter und ich wollte erst gar nicht wissen, wer sich als nächstes als Schwarzmagier und Anführer des Ordens entpuppte.

„Du denkst, es hat sich in der kurzen Zeit bereits jemand für Nick´s Nachfolge gefunden?“

Auch diese Frage bereute ich gleich, da John bei dem Namen seines ehemaligen Freundes aufhorchte.

„Nick...“ flüsterte er traurig.

„Er ist tot“ erinnerte ich ihn. „Eindeutig.“

„Das ist wahr, Schatz. Nick ist im Feuer umgekommen. Die Polizei fand neben den anderen auch seine Leiche. Omega muss einen neuen Anführer haben, anders kann ich mir ihre Kraft nicht erklären“ antwortete Noah.

„Eine Anführerin“ erwiderte John Jones leise.

„Was?“ fragten Brenda und ich erstaunt.

„Da war... eine Frau... kurz vor dem Zusammenprall. Ich konnte ihr Gesicht nicht deutlich sehen, aber sie sah mich an. Sie ist dafür verantwortlich!“

Er sah nachdenklich durch den Raum.

„Eine Frau? Wie sah sie aus?“ erkundigte sich Noah.

„Ihre Konturen waren verschwommen, sie schien eine Art Gewand zu tragen. Schwarz... so wie die Anführer von Omega. Aber unter dem Stoff kam etwas helles zum Vorschein. Blonde Haare...“

Ich sah meinen Mann an. Sofort ging ich alle Personen durch, welche ich kannte. Evelyn, die mit unseren Eltern befreundet war, hatte blondes Haar gehabt, doch sie war von Omega getötet worden und hätte niemals etwas zu unserem Schaden getan. Cecilia Combe, die den Orden nach Miss Kaminsky´s Ableben geführt hatte und für zahlreiche weitere Verbrechen verantwortlich gewesen war, schied aufgrund ihres Todes ebenfalls aus. Mir fiel nur noch eine Frau ein, welche am Leben war, mit Magie zu tun hatte und blondes Haar trug: Amy Beckett.

Cryptal City 3

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