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Kapitel 2: Unsicherheit

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Am frühen Nachmittag telefonierte Noah mit Jacob. Ich hatte eine weitere Textnachricht an Brenda verschickt, aber noch immer keine Antwort erhalten.

„Und? Wie läuft´s?“ fragte ich meinen Mann, der zurück ins Wohnzimmer kam.

„Jacob sagt, dass alles okay ist und wir uns keine Sorgen machen müssen. Er hat die Lieferung der neuen Blu – Ray´s bereits angenommen, sodass wir sie morgen nur noch sortieren und einräumen müssen.“

„Waren viele Kunden da?“ erkundigte ich mich.

„Er meinte, dass es heute ziemlich ruhig gewesen ist, aber er hat einige Filme verkaufen können, was für die Monatsmitte ja auch eine Leistung ist.“

Da pflichtete ich ihm bei. Cryptal City war zwar eine moderne Stadt und deren Einwohner verdienten gut, doch sie waren sparsam und tätigten meist nur zu Monatsanfang besondere Ausgaben. Mittlerweile war ich froh, dass mein Mann Jacob eingestellt hatte. Nachdem wir in der Vergangenheit regelmäßig aneinander geraten waren und er plötzlich eine Ausbildung bei der Polizei in Grave´s Garden hatte absolvieren wollen, war mir bewusst geworden, dass wir in den Stoßzeiten sowie in den Ferien auf eine Aushilfe angewiesen waren. Doch wir hatten ihn davon überzeugen können, neben seinem Dienst in der Nachbarstadt ab und an weiter bei uns auszuhelfen. Diese lag acht Meilen von Cryptal City entfernt, doch Jacob machte es nichts aus, die Strecke dorthin zu pendeln. Dennoch ließ er sich hin und wieder von Noah dazu überreden, ihn mit dem Wagen nach Grave´s Garden zu fahren, was neben seinem Gehalt einen zusätzlichen Dank für seine Mitarbeit darstellte.

„Brenda und Angie haben sich noch immer nicht gemeldet“ sagte ich besorgt.

„Keine Angst, die beiden sind bestimmt noch auf dem Weg nach Washington.“

„Vielleicht hast du recht“ erwiderte ich. „Aber auch von John kam noch kein Lebenszeichen. Zumindest er sollte doch gelegentlich eine Pause machen, da er es nicht gewohnt ist, einen Transporter zu steuern.“

„Liebling, du machst dir zu viele Sorgen“ erkannte Noah. „Nur weil John einige Jahre bloß seinen Streifenwagen gefahren ist, heißt das doch nicht gleich, dass er keine anderen Fahrzeuge mehr bedienen kann.“

Es munterte mich zwar nicht auf, aber ich war erleichtert darüber, dass Noah so dachte. Wir hatten John Jones während den Ermittlungen zu Linda´s Tod kennengelernt. Damals war ich noch Single gewesen und hatte mich ein wenig in den Detective verliebt, der mir mit seiner reifen Art – ganz anders wie Noah damals – imponiert hatte. Doch trotz seiner ebenfalls romantischen Gefühle für mich, war nie mehr wie ein Kuss zwischen uns geschehen. Noah war zu dieser Zeit extrem eifersüchtig auf John gewesen – ähnlich wie es mir später mit Jacob ergangen war – doch im Laufe der Zeit hatte es sich gelegt und mittlerweile waren sie zu guten Freunden geworden.

Nach dem Abendessen legte ich mich müde ins Bett. Immer wieder hatte ich auf meinem Display nachgesehen, obwohl ich den Benachrichtigungston extra laut gestellt hatte und eine Nachricht sofort gehört hätte. Ich machte mir eben Sorgen um meine Freunde und fand es komisch, dass sie so lange nichts von sich hören ließen. Doch meine Augen waren irgendwann zu schwer, sodass ich einschlief. Noah beschäftigte sich derweil im Arbeitszimmer mit seinen Tarotkarten, welche er im Internet bei einem Antiquitätenhändler gekauft hatte. Erst später hatten wir erfahren, dass es die Karten des Sirius – Ordens waren – jenem Orden, dem unsere Eltern angehört hatten. Vielleicht war dies lediglich ein großer Zufall gewesen, vielleicht aber auch Bestimmung, immerhin handelten wir nun im Namen Sirius´ und waren seit Evelyn Warner´s Ritual ein fester Bestandteil der weißen Magie.

Am Morgen erwachte ich traumlos. Verschlafen rieb ich mir die Augen und nahm sofort mein Smartphone zur Hand. Noah kam ins Schlafzimmer hinein und brachte mir einen Orangensaft, der nach Ingwer roch. Diesen Tipp hatte er aus einer Zeitschrift, weshalb er dem Saft immer etwas von der geriebenen asiatischen Gewürzknolle beigab. Das war ein wenig kurios, aber es war gesund und schmeckte. Er drückte mir das Glas in die Hand, wofür ich ihm einen Kuss gab.

„Noch immer keine Nachricht?“ fragte er, als unsere Lippen sich voneinander lösten.

„Nein. Das ist doch nicht normal...“

Nun sah auch er etwas besorgt aus.

„Vielleicht gibt es dort schlechten Netzempfang.“

Ich legte meinen Kopf zur Seite, woraufhin Noah lächelte.

„Okay, das ist in unserem Zeitalter eher unwahrscheinlich. Dann hatten sie einfach noch keine Zeit zu antworten“ vermutete er.

„Das glaube ich nicht. Sie wissen doch, dass ich mir Sorgen mache.“

Noah´s Hand glitt an meinem Gesicht entlang.

„Es wird schon alles gutgegangen sein“ baute er mich auf.

Wir sprachen noch ein wenig über unsere Freunde und machten nebenbei das Frühstück, ehe wir einige Zeit später vor der Videothek standen. Inzwischen prangte auch mein Name auf dem Schild.

Noah´s and Jake´s Movies, stand in pinkfarbener Aufschrift über der Eingangstür.

Jacob war derweil auf der Polizeischule in Grave´s Garden, weshalb mein Mann den Schlüssel aus seiner Hosentasche zog und das Geschäft öffnete. Ich schaltete die Tageslichtbeleuchtung ein, da sich das einzige Fenster im Hinterzimmer befand. Die Videothek wirkte aufgeräumt, unser Freund hatte ganze Arbeit geleistet. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen. Es war noch kein Jahr her, als mich ein Mitglied des Omega – Ordens hier überfallen hatte und missbrauchen wollte. Doch Brenda war glücklicherweise dazwischen gekommen und hatte mir geholfen.

Ich kam einigermaßen gut mit der Sache zurecht und war gleich nach der Tat wieder arbeiten gegangen, um kein Trauma zu entwickeln. Seit dem Überfall hatte Noah aber ein Überwachungssystem installiert, welches regelmäßig gewartet wurde. Nie wieder sollte es zu einem solchen Übergriff kommen.

Vor einigen Wochen hatten wir die Videothek etwas umgestaltet. Wir strichen die Regale in einem matten Rotton und frischten die weiße Wandfarbe auf. Zudem entfernten wir ein paar der Werbeposter, was einigen Ärger mit den Verleihfirmen nach sich zog. Aber Noah hatte so lange auf sie eingeredet, bis sie zugaben, unsere Videothek in der letzten Zeit mit Postern, Pappaufstellern und sonstigem Werbematerial bombardiert zu haben. Eigentlich war Noah chaotisch – dementsprechend sah es auch hinter der Leihtheke aus – aber seitdem ich ebenfalls in der Videothek arbeitete, färbte mein Sinn für Ordnung ein wenig auf ihn ab. Ich ging hinter die Theke, wo ich den flachen Monitor einschaltete, um einen Überblick über den gestrigen Tag zu erhalten. Noah ging ins Hinterzimmer, welches mittels eines Vorhangs vom Rest des Geschäftes abgetrennt war. Noch bevor ich den PC hochgefahren hatte, kam er mit einigen schweren Kartons heraus, die er neben dem Monitor abstellte.

„Meine Güte, so viele neue?“ fragte ich erstaunt.

„Freue dich doch. Bald ist Sommer und bei den meisten Studios Drehpause. Jetzt geben die Produzenten noch einen Film nach dem anderen in den Verleih.“

Ich holte einige Blu – Ray´s heraus und sah mir die Cover an.

„Sind ziemlich viele Comedy – Filme dabei“ sagte Noah.

„Ich merke es... und Horrorfilme.“

Gelegentlich sah ich mir die gruseligen Streifen an, doch ich erschrak fast immer und hielt mir bei den schlimmsten Szenen stets die Augen zu, was meinen Mann zum Lachen brachte. Was Horrorfilme anging war er abgehärtet, hatte er doch sämtliche Filme seines Bestandes selbst gesehen, um seine Kunden optimal beraten zu können.

„Sieh´ dir den an“ meinte er und reichte mir eine Hülle.

„Oh, Göttin. Wie konnten die von diesem geilen Film bloß ein Remake machen?“ fragte ich laut.

Der Film handelte von einem Mädchen, welches in der Schule terrorisiert wurde und sich mit telekinetischen Fähigkeiten an ihren Peinigern rächte. Es war ein großartiger Film und ich beschloss, ihn mir bald mal wieder anzusehen.

„Wollen wir ihn heute Abend anschauen?“ fragte Noah, doch mein Blick verriet ihm die Antwort.

„Schatz, du kennst doch auch das Original und weißt, dass dieser computeranimierte Mist niemals an die damaligen Effekte anknüpfen kann – von den Schauspielern ganz zu schweigen...“

Noah seufzte.

„Ja, ich weiß. Der Film von 1976 ist einfach unschlagbar, aber es war ja nur ein Vorschlag...“

Wir öffneten die Videothek um zehn Uhr. Da noch keine Kunden reinkamen, blieb mir noch etwas Zeit, um die neuen Filme einzuräumen.

„Jacob hat sie sogar schon sortiert. Ich bin begeistert, dass er das neben seiner Ausbildung noch geschafft hat.“

„Tja, er sucht halt einen Ausgleich neben der langweiligen Theorie. Er sagte mir, dass er bisher noch nicht einmal auf Streife gehen durfte, sondern nur irgendwelche Gesetze auswendig lernen musste. Da ist die Arbeit hier und der Kontakt mit den Kunden natürlich abwechslungsreicher“ antwortete Noah von dem PC aus.

Er war gerade dabei, einige Rechnungen der Verleiher per Onlinebanking zu bezahlen. Dies machte er immer über den Computer im Laden, da er die Arbeit nur ungern mit nach Hause nahm. Dank der Überwachungskamera sowie der ständig aktuell gehaltenen Software brauchte er sich um die sensiblen Daten auch keine Sorgen mehr zu machen.

„Wie viel haben wir gestern eingenommen?“ fragte ich, nachdem ich den ersten Karton in ein Regal eingeräumt hatte.

„Dank einiger zusätzlicher Filmverkäufe knapp zweihundert Dollar. Jacob hat sie zur Bank gebracht, mir die Summe aber aufgeschrieben.“

„Er entwickelt sich allmählich zu einem Verkaufstalent“ lobte ich ihn stolz.

Einige Zeit später kamen die ersten Kunden. Sie stürzten sich gleich auf die neu eingetroffenen Filme, welche wir schon vor Wochen im Schaufenster angekündigt hatten. Wenige Stunden nach Ladenöffnung waren diese bereits alle ausgeliehen, sodass ich so manchen Kunden auf die nächste Woche vertrösten musste, wenn die ausgeliehenen Exemplare zurückgegeben wurden.

Inzwischen hatte ich mich mit dem Ausstellen von neuen Kundenkarten intensiver beschäftigt, früher hatte mir dies noch einige Schwierigkeiten bereitet, besonders, weil es mir nicht immer gelungen war, die Daten auf dem Leihausweis auch der richtigen Person zuzuordnen. Mit der Zeit aber hatte ich es tatsächlich gelernt, was einem kleinen Wunder gleichkam. Ich ging kurz ins Hinterzimmer und trank einen Schluck Wasser. Mein Mobiltelefon lag auf einem Regal, ich nahm es in die Hand und suchte den Bildschirm vergeblich nach einer neuen Nachricht ab.

Wo steckt ihr nur?, fragte ich mich innerlich. Ihr müsstet doch schon längst in Washington angekommen sein.

Ich spürte eine Hand, welche an meinem Rücken entlangfuhr.

„Da scheint echt etwas faul zu sein“ gab Noah nun zu.

„Es scheint fast so, als wenn sie spurlos vom Erdboden verschwunden wären.“

Cryptal City 3

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