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Oskar war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich bei seiner Verfolgung nicht erwischen zu lassen, als dass er sich auch noch Gedanken darüber hätte machen können, wie er denn nun weiter zu Werke gehen sollte. Er war den beiden ominösen Computerdieben mit einigem Abstand gefolgt – zunächst in die Taunusanlage, dann mit der S-Bahn zum Südbahnhof und von dort aus weiter zu Fuß ins Malerviertel, wo das Duo in der Rubensstraße in einem schicken dreistöckigen Bürohaus verschwand. Nun stand Oskar unentschlossen wenige Meter davon entfernt auf dem Nachbargrundstück und hatte nicht die geringste Idee, was er als nächstes tun sollte. Die Polizei konnte er nicht einschalten, ohne sich lächerlich zu machen. Was hatte er denn zu melden außer einen ziemlich dubiosen Austausch von Computern?

Zudem gab es einen weiteren Grund, der Oskar davon abhielt, die Polizei einzuschalten. Als er vor vier Jahren aus dem Rodgau nach Frankfurt gezogen war, hatte er klammheimlich die Wohnung eines Freundes übernommen. Dem Vermieter hatten sie nichts erzählt, weil Oskar Angst hatte, dass der die Gelegenheit eines Mieterwechsels für eine Mieterhöhung nutzen würde. So lebte der Jungjournalist nach wie vor mit der offiziellen Adresse einer Wohngemeinschaft in einem Haus im Rodgau, das bereits seit zwei Jahren leerstand.

Wenn er sich an die Polizei wandte, musste Oskar damit rechnen, dass seine Personalien aufgenommen würden – und dass in diesem Zusammenhang seine jahrelangen Falschangaben auffliegen würden. Das könnte wiederum reichlich Ärger mit dem Einwohnermeldeamt und mit seinem Vermieter nach sich ziehen – und sogar mit dem Finanzamt, denn unterm Strich profitierte er bei seiner Steuererklärung davon, dass er unrechtmäßigerweise einen beachtlichen Kostenaufwand als Pendler geltend machte. Kurzum: Der Gang zur Polizei war eigentlich keine Option.

Oskar hatte sich, um nicht aufzufallen, in eine benachbarte Einfahrt begeben, von wo aus er einen ausgezeichneten Blick auf das Haus hatte, in das die beiden Laptop-Diebe verschwunden waren. In den oberen Stockwerken waren die Rollläden heruntergelassen, dort hielt sich also vermutlich aktuell niemand auf. Im ersten Stock hingegen schienen Personen anwesend zu sein. Jedenfalls waren zwei Fenster angesichts der Dauerhitze sperrangelweit geöffnet – und ein weiteres, das zur Seite hin, stand immerhin einen Spaltbreit offen.

Oskar trat aus der Einfahrt hervor und schritt langsam zum Eingang des Bürohauses. Neben der Tür präsentierte eine weiße Anzeigentafel die Namen der Firmen, die hier beheimatet waren. Die oberen Stockwerke standen leer, in der zweiten Etage residierten zwei Großhandelsfirmen mit japanischen oder koreanischen Namen und im ersten Stockwerk war eine Gesellschaft für Finanzberatung und Vermögensverwaltung namens Momentum zu Hause. Die Glastür spiegelte zwar das helle Sonnenlicht, aber mit etwas Geschick konnte man von außen erkennen, was sich im Hausflur tat. An dessen Ende war ein Fahrstuhl, über dem eine digitale Anzeige die jeweilige Etage anzeigte, in der sich der Fahrkorb gerade befand. Oskar drückte die Nase an die Scheiben und konnte gerade noch registrieren, wie die Ziffer von null auf eins sprang und dort stehenblieb. Allem Anschein nach gehörten die beiden Diebe also zu jener Unternehmung, die sich als Momentum Finanzberatung ausgab.

„Wen suchen Sie?“, fragte eine scharfe Stimme hinter ihm.

Oskar erschrak. Ein etwa 25-jähriger Mann mit langen Haaren, die sein halbes Gesicht verdeckten, musterte ihn streng und erwartete eine Antwort. „Ich suche die Geschäftsstelle des Handwerksverbands“, log Oskar, weil ihm so schnell nichts Gescheiteres einfiel. Er bemühte sich, möglichst gelassen dreinzuschauen. „Das ist doch hier Rembrandtstraße 32, oder?“.

„Nein, das hier ist nicht die Rembrandt-, sondern die Rubensstraße. Die Rembrandt ist ein ganzes Stück von hier entfernt“, entgegnete ihm sein Gegenüber, dessen Blick noch stechender wurde.

Oskar bedankte sich für die Auskunft und wollte sich schnell zum Gehen wenden, als der fremde Mann nochmals nachhakte: „Und Sie suchen hier ganz sicher nichts anderes, Herr O’Bowman?“

Verdammt, das Namensschild! Oskar hatte ganz vergessen, dass er es immer noch gut lesbar auf seiner Brusttasche trug. Er schüttelte nur rasch den Kopf, kehrte dem misstrauischen Fragesteller den Rücken und machte sich aus dem Staub. Dabei hörte er, wie der Mann hinter ihm eilig eine Nummer ins Handy tippte und wenig später telefonierte. Oskar war bereits zu weit entfernt, um alles zu verstehen, aber es war herauszuhören, dass der Anrufer gereizt war und drängelte: „Ich bin es, Hakan … Ja, jetzt sofort … beeil dich … verdammt nochmal.“

Oskar hatte die nächste Querstraße erreicht und wagte einen kurzen Blick nach hinten zu werfen. Der Mann, der ihn ausgefragt hatte, war nicht mehr allein. Aus dem Haus waren zu ihm der blonde Riese sowie der kleine dicke Südländer gestoßen – und außerdem ein weiterer Mann, der ein strenges Gesicht hatte, was wahrscheinlich auch an den vielen Narben lag, die es durchzogen. Sie hatten sich in Bewegung gesetzt und die Verfolgung aufgenommen.

Oskar spürte einen kalten Schauer auf seinem Rücken, er hatte plötzlich panische Angst. Er machte noch zwei Schritte um die Ecke in eine kleine Seitenstraße, dann rannte er los, so schnell er konnte. Nach nur zehn Metern bog er in einen Stichweg ab und sprang im Hürdenschritt über einen hüfthohen Gartenzaun in ein Grundstück. Er durchquerte unbemerkt den privaten Garten und kletterte an dessen Ende über eine Holzwand. Von dort aus führte ihn ein kleiner Trampelpfad zurück auf eine verkehrsberuhigte Straße, die er zunächst 200 Meter entlangspurtete, bevor er es ein weiteres Mal wagte, sich umzublicken. Hinter ihm war niemand, er hatte sie abgehängt – zumindest für dieses Mal.

Doch er ahnte, dass er sich von nun an häufiger umdrehen würde.

Tod im Bankenviertel

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