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In der Eingangshalle der Alten Oper drängelten sich jede Menge Banker in ausgesessenen blauen oder anthrazitfarbenen Anzügen. Auch in den Bankentürmen gab es mitten im August so gut wie nichts zu tun. Da war jeder froh um ein wenig Abwechslung – und wenn es auch nur ein Fachkongress mit einem ausgesprochen unlustigen Thema war. Die hochsommerlichen Temperaturen forderten ihren Tribut. Es roch nach Schweiß – und nach süßlichen Rasierwassern, mit denen der Schweißgeruch zu überdecken versucht wurde.

Oskar Willemer war wie immer spät dran. Es war schon Viertel nach zehn, der Oberbürgermeister hatte bereits seine Grußworte gesprochen. Oskar wartete ungeduldig in der Schlange vor einem der Akkreditierungsschalter. Die meisten um ihn herum sahen tatsächlich so aus, wie er sich Banker vorstellte. Blau-weiße Hemden, goldene Armbanduhren, Seitenscheitel, Haargel, frischrasiert – seine Mutter würde sagen: geschniegelt. Keine Nickelbrillen, keine wilden Locken – und auch keine langen Koteletten, wie Oskar sie hatte. Und natürlich besaß in der ganzen Oper an diesem Vormittag auch niemand einen Dreitagebart wie er. Der hätte den anderen um ihn herum allerdings auch wirklich nicht gestanden. Bei Oskar hingegen passten die Bartstoppeln zum markanten, schmalen Gesicht. Mit seinen funkelnden grün-blauen Augen und dem vollen dunkelblonden Schopf war der schlanke 32-Jährige ohnehin einer, der es einfach hatte, Frauen zu gefallen. Selbst seine zerzausten Haare, die bei anderen ungepflegt gewirkt hätten, schienen ihn eher noch interessanter zu machen.

Endlich kam er an die Reihe. „Guten Morgen, ich bin leider nicht vorangemeldet, aber ich habe meinen Presseausweis dabei. Oskar Willemer vom Finanzblatt.“

„Tut mir leid, aber ohne vorherige Akkreditierung kommen Sie heute leider nicht rein. Wir haben erhöhte Sicherheitsstufe“, entgegnete ihm eine ganz in Gelb gekleidete Hostess ebenso freundlich wie bestimmt.

„Hören Sie“, versuchte es Oskar mit seinem freundlichsten Lächeln. „Ich verstehe absolut, dass Sie hier auf Nummer sicher gehen müssen, aber ich kann mich ausweisen und muss unbedingt …“

„Nein, tut mir leid“, fiel ihm die Hostess ins Wort. „Es besteht nicht die geringste Chance. Wenn Sie mir Ihre Visitenkarte geben, kann ich den Pressesprecher der Bankenaufsicht bitten, Ihnen die Reden zuzumailen. Mehr ist beim besten Willen nicht drin.“

Oskar ahnte, dass es die junge Frau mit dem gouvernanten Ton ernst meinte. Wahrscheinlich wäre das dann die erste Frankfurter Bankenkonferenz seit dem Zweiten Weltkrieg ohne Beteiligung eines Korrespondenten des Finanzblatts.

„Ich bitte Sie inständig. Meine Zeitung schmeißt mich raus, wenn ich hier nicht reinkomme.“

„Und wir“, entgegnete ihm die Frau in Gelb ungerührt, „schmeißen Sie raus, sollten Sie es dennoch versuchen. Bitte haben Sie Verständnis. Ich würde ungern den Hausdienst bemühen.“

Oskar hatte nicht die geringste Lust, Bekanntschaft mit den Saaldienern zu machen. Ein Rausschmiss wäre für ihn noch peinlicher, als es die Situation ohnehin schon war. Er schnappte sich deshalb nur noch rasch ein Programm und verschwand nach draußen.

Am Brunnen vor der Oper machte er halt und kühlte sich die Hände. Verdammt nochmal, selbstverständlich war es seine schuld. Natürlich hatte ihm Ressortchef Schlosser aufgetragen, sich anzumelden. Aber da waren die vielen anderen Aufgaben gewesen, die er in seinen ersten Dienstwochen hatte erledigen müssen. Und darüber hatte er die Anmeldung schlicht vergessen.

„Mein lieber Kokoschinski, so lässt sich’s aushalten“, sagte eine heitere, tiefe Stimme.

Oskar blickte sich erschrocken um und entdeckte nur wenige Meter entfernt vom Opernbrunnen Benjamin, einen seiner ältesten Freunde und Rugby-Kumpel, der jetzt als Reporter für die Nachrichtenagentur Worldnews arbeitete.

„Erst mal ’ne Stunde Sonnenbad, dann die dreistündige Mittagspause. Und am späten Nachmittag schreibst du dann 80 Zeilen aus unserem Tickermaterial zusammen. Mannomann, du hast ein scheißfaules Leben, Oz.“

Oz war Oskars Spitzname in der Rugby-Mannschaft.

Benjamin Beckmann war der geborene Rugby-Stürmer. Ein groß gewachsener Kerl mit der Figur eines Tiroler Bauernjungen, mit kräftigen Oberarmen und Schenkeln, die in keiner Jeans genug Platz fanden. Dazu forsch im Auftritt, unverzagt, kühn. Zugleich war er der Prototyp des Agenturreporters. Ein Jäger und Sammler, der alle möglichen Informationen aufsaugte, um sie gefiltert wieder auszuspucken, wenn es dafür einen Anlass gab. Ständig unter Strom, nie abgeschaltet – ein Leben im Stand-by-Modus. Oft den Kragen verdreht, das Hemd hinten aus der Hose, den Schlips viel zu locker und stets ein wenig übernächtigt.

„Ich habe bereits drei Geschichten auf dem Draht“, gab Benjamin keine Ruhe. „Du hingegen hast dich wahrscheinlich eben erst aus dem Bett gepellt und machst trotzdem gleich mal Siesta am Opernbrunnen.“

Oskar war heilfroh, seinen Kumpel zu sehen. „Ben, du musst mich irgendwie in die Oper schleusen“, flehte er ihn an. „Das gibt sonst ein riesiges Ballyhoo beim Finanzblatt.“

Benjamin beruhigte seinen Rugby-Teamkollegen: „Keine Bange. Das kriegen wir schon hin. Worldnews hat wie immer vorsorglich Ersatzleute angemeldet. Du gehst einfach mit dem Ticket unseres Amerikaners rein, Tim O’Bowman.“ Mit diesen Worten legte er ihm freundschaftlich seinen Arm um die Schulter und führte ihn wieder Richtung Opern-Eingang. „Ich bin mir allerdings sicher, Oz, dass du das bereuen wirst. Spätestens beim zweiten Vortrag. Denn vergnügungssteuerpflichtig ist das ganz sicher nicht, was da geboten wird.“

Tod im Bankenviertel

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