Читать книгу Tod im Bankenviertel - Detlef Fechtner - Страница 7
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ОглавлениеIm zweiten Anlauf war alles glatt gegangen mit der Akkreditierung. Oskar hatte in der Eingangshalle der Alten Oper einen Haken um den Meldeschalter geschlagen, an dem er zuvor gescheitert war. Schließlich wollte er auf gar keinen Fall der Hostess in Gelb in die Arme laufen, die ihn beim ersten Versuch abgewiesen hatte. An einem der Anmeldeschalter auf der anderen Seite hatte er sich als Tim O’Bowman von der Nachrichtenagentur Worldnews ausgegeben und sofort dessen Einlasskarte bekommen, ohne einen Ausweis vorzeigen zu müssen. Keine zwei Minuten später war er durch alle Kontrollen durch und endlich im Foyer der Alten Oper, wo sein Rugby-Kollege Benjamin auf ihn wartete.
„Du bist dir hoffentlich sicher“, fragte Oskar nach, während er sich die Einlasskarte mit dem fettgedruckten Namensschild am Revers seines Sakkos feststeckte, „dass dein Kollege O’Bowman nicht doch noch hier auftaucht und sich darüber wundert, dass ich seinen Namen spazieren führe?“
Benjamin schüttelte den Kopf: „Nein, nein, das kann nicht passieren. Ich bin mir ganz sicher. Er ist heim in die Staaten, nach Atlanta. Ich selbst habe ihn in seinem Wagen zum Terminal rausgefahren, und zwar in einem schwarzen Alfa Bertone. Verstehst du, Oz, was das bedeutet: Ich habe für eine Woche einen Alfa Bertone!“, jubelte Benjamin und sah Oskar mit großen, funkelnden Augen an. „Na sag schon, Oz, ist das Leben nicht herrlich! Wenn du willst, dann kurven wir gleich noch ein wenig mit dem Bertone durch die Stadt und pfeifen fremden Mädchen hinterher – yup! Jedenfalls sobald dieser ganze Unfug hier in der Oper vorbei ist und wir endlich Feierabend machen können.“ Benjamin Beckmann grinste über das ganze Gesicht. Er schien wirklich beneidenswert gute Laune zu haben.
Im Vorbeigehen begrüßte Ben ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und den Finanzchef der Landesbank Hessen, gerade so als wären sie zwei Rugby-Spieler aus einem gegnerischen Sturm oder der eigenen Dreiviertelreihe. Das war typisch für Agenturleute. Während die Zeitungsjournalisten einen betont höflichen Umgangston mit Bankern und Managern pflegten, gingen die rasenden Reporter der Agenturen geradezu kumpelhaft mit der Finanzmarktprominenz um. Aber das rabaukenhafte Benehmen und ihre hemdsärmelige Art wurde ihnen nachgesehen. Ständig herumzupoltern und alle anzuquatschen, die in der Finanzbranche einen Namen hatten, gehörte einfach zu ihrem Geschäft dazu. Schließlich war es die Aufgabe dieses journalistischen Fußvolks, mit der Tür ins Haus zu fallen. Keine langen Einleitungen, keine umständlichen Fragen, keine langatmige Konversation. Kein ausholendes ‚Ja, das sind tatsächlich spannende Zeiten‘ und kein fachsimpelndes ‚Neulich habe ich etwas ganz Interessantes gelesen‘. Viel eher ein kerzengerades ‚Was werden Sie jetzt tun?‘ oder ein verhörerisches ‚Macht Ihnen der Wechselkurs Sorgen?‘, wenn nicht sogar ein provokatives ‚Denken Sie über einen Rücktritt nach?‘. Weder der Deutsche-Banker noch der Helaba-Manager hatten an diesem Tag irgendetwas zu berichten, was für Benjamin Beckmann von Interesse war. Über die NordwestLB wollte ihm der Landesbanker aus Hessen nichts sagen – und konnte es wahrscheinlich auch nicht. Und sonst gab es derzeit ja wenig, worüber es Informationen einzusammeln lohnte.
Nach einer kurzen Unterhaltung verabschiedete sich Benjamin deshalb von den Bankmanagern und wandte sich wieder Oskar zu. „Eigentlich bin ich ganz froh drum, dass es heute wenig Neuigkeiten gibt“, erklärte Ben, „denn ohne O’Bowman – also ich meine ohne den echten O’Bowman – muss ich alle Meldungen selbst schreiben. Zumal ich mich ja auch noch um diesen blöden Selbstmörder bei der Hypo-Union kümmern muss.“
„Ach, du meinst den Toten, den sie vor dem Hypo-Union-Hochhaus gefunden haben? Ich bin noch längst nicht überzeugt, dass das ein Selbstmörder war – ich habe da eine ganz andere Vermutung“, entgegnete Oskar.
„Von der musst du mir später erzählen, Oz“, brach Benjamin die Plauderei mit ihm jäh ab, denn auf der Gegenseite des Foyers gaben ihm die Kollegen von apx und Realtime gerade das Signal, dass er sich sputen müsse. „Verdammt, ich habe mich sowieso schon verquatscht. Es ist fast Viertel nach elf, ich muss runter zum VIP-Eingang. Berenbrink ist im Anflug und wir müssen ihn gleich am Eingang abfangen, sonst kriegen wir heute keine vernünftige Zeile mehr von Mister Bundesbank“, verabschiedete er sich von Oskar. „Oben im zweiten Stock findest du einen Presse-Arbeitsraum für die Agenturen, da wird alles auf Leinwand übertragen, was dich interessiert“, rief er Oskar noch rasch zu. „Und außerdem gibt es da oben eiskalte Cola, belegte Brötchen und Redemanuskripte. Und keine Hostessen in Gelb, die einen rausschmeißen wollen.“ Mit diesen Worten war Benjamin in der Menge der Banker verschwunden.
Oskar drehte sich um, schritt zu den Aufzügen und machte sich auf den Weg in die zweite Etage.