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2.5 Molnár: Topik – Thema – Hintergrund

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Auch Molnár (1993) plädiert für eine kategoriale Aufspaltung der klassischen Dichotomie. Sie geht über Hallidays Zwei-Ebenen-Modell (Theme/Rheme vs. Given/New) hinaus und schlägt ein Drei-Ebenen-Modell vor, mit eigenen kategorialen Bestimmungen und terminologischen Festlegungen. Zunächst zu ihrer Terminologie: Anders als Halliday nennt sie die ‚Worüber‘-Kategorie nicht Thema, sondern Topik. Auch bei Molnár ist ‚Fokus‘ kein Komplementärbegriff zur ‚Worüber‘-Kategorie, steht jedoch auch nicht der Givenness gegenüber, sondern bildet die Komplementärkategorie zum sogenannten Hintergrund. Hierdurch ergeben sich in Molnárs Modell drei Dichotomie-Ebenen – Topik/Kommentar, Thema/Rhema und Hintergrund/Fokus – für deren Unterscheidung funktionale und ausdrucksseitige Kriterien geltend gemacht werden. Für die funktionale Unterscheidung der drei Ebenen greift Molnár auf die Bühler’schen Sprachfunktionen ‚Ausdruck‘, ‚Appell‘ und ‚Darstellung‘ zurück (Molnár 1993, 164). Die „sachbezogene“ Ebene der ‚Darstellung‘ bezieht sich auf die Gliederung der Äußerung in Topik (im Sinne des ‚Worüber‘) und den darauf bezogenen Kommentar. Die „empfängerbezogene“ Ebene des ‚Appells‘ zielt auf den „Kenntnisgrad des Adressaten“ ab. Relevant hierfür ist das Kriterium ‚bekannt vs. neu‘, wofür in Molnárs Modell die Termini Thema und Rhema reserviert sind. Auf der „senderbezogenen“ Ebene des ‚Ausdrucks‘ unterscheidet Molnár zwischen Hintergrund und Fokus.1

Ausdrucksseitig korrelieren die drei Ebenen mit jeweils spezifischen „Formmitteln“. Für den Ausdruck der Kategorie des ‚Worüber‘ auf der Topik/Kommentar-Ebene ist ihrer Meinung nach das syntaktische Kriterium der Satzinitialität charakteristisch. Die Verwendung voller und komplexer oder pronominaler Ausdrücke kann auf die ‚bekannt/neu‘-Unterscheidung der Thema-Rhema-Ebene zurückgeführt werden. Und für die Fokus-Hintergrund-Gliederung macht Molnár – wohl in Anlehnung an Halliday – intonatorische Ausdrucksmittel geltend, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass hier auch „das komplizierte Verhältnis zwischen Prominenz und Fokusinterpretation“ zu beachten sei (1993, 164). Hier spielt sie wohl auf einen Sachverhalt an, den schon Halliday angesprochen hat: dass nämlich die Fokusdomäne oft über den Bereich der intonatorisch hervorgehobenen Elemente hinausgeht. In einer zusammenfassenden Übersicht ergibt sich so das folgende Schema:

Darstellung: Topik – Kommentar (Aboutness)
Empfänger: Thema – Rhema (bekannt vs. neu)
Sender: Hintergrund – Fokus (Relevanz)

Bemerkenswert an Molnárs Drei-Ebenen-Modell ist zunächst, dass sie den Fokusbegriff nicht auf der Basis des Kriteriums der ‚Neuheit‘ bestimmt. Die Unterscheidung von Fokus und Hintergrund beruhe vielmehr auf einer „vom Sender entschiedenen ‚Relevanz‘ […], die vom Kenntnisgrad des Adressaten relativ unabhängig ist“ (1993, 164). Ein Hinweis darauf, was Molnár damit meint, findet sich ihrer Bemerkung, dass die kommunikative Strukturierung wesentlich auf einer „zweifachen Anforderung“ beruhe, nämlich „Kohärenz und Informativität“ in „bestmöglicher Weise“ zu erfüllen (ebd., 164f.). In einer Fußnote hierzu (vgl. ebd., 165) beruft sie sich auf zwei von Strawson formulierte Prinzipien der Kommunikation, nämlich (i) das „principle of the presumption of knowledge“ und (ii) das „principle of relevance“ (vgl. Strawson 1971a). Kohärenz und Informativität ist sichergestellt, wenn der Sprecher – wie in dem in der Literatur zur Informationsstruktur immer wieder bemühten prototypischen Fall – an etwas Bekanntes anknüpft, worüber er dann etwas Neues mitteilt.2 Dass Molnár ihren Fokusbegriff dennoch nicht über das ‚bekannt/neu‘-Kriterium bestimmt und zwischen Rhema und Fokus unterscheiden möchte, rechtfertigt sie mit der Beobachtung, dass offensichtlich auch vorerwähnte und damit bekannte (d.h. in Molnárs Terminologie thematische) Diskursreferenten fokussiert sein können. Molnár führt für einen solchen Fall u.a. das folgende Beispiel an (vgl. Molnar, 1993, 171):

(20) Wer spielt Klavier, Peter oder Eva?
[PEter] Thema = Fokus spielt Klavier. Wenn ich mich nicht täusche, spielt EVa GEIge.

Die Subjekt-Konstituente muss wegen der Vorerwähntheit ihres Referenten im vorangegangen Fragesatz als thematisch gelten. Über den Status von Prädikat und Objekt wird nichts gesagt – rhematisch im Sinne ihres Verständnisses können sie nicht sein, da beides vorerwähnt ist. Damit bleibt ihre Analyse im Großen und Ganzen auf die Fokus-Hintergrund-Ebene beschränkt: Die Subjekt-Konstituente ist Fokus und fällt mit dem Thema zusammen, der Rest des Satzes ist Hintergrund.3 Die durch die Fokussierung indizierte ‚Relevanz‘ der vorerwähnten Subjekt-Konstituente ergibt sich aus der für diesen Satz geltenden Funktion des Fokus als Alternativenausschluss. Relevant im Sinne des Kriteriums der Informativität ist das fokussierte Element, weil es indiziert, welche der beiden (in der vorangegangenen Frage genannten) Personen Klavier spielt. Da Ersterwähnung somit keine notwendige Bedingung für die Möglichkeit der Fokussierung von Diskursreferenten ist, möchte Molnár die Fokus-Kategorie nicht auf der Basis des ‚bekannt/neu‘-Kriteriums bestimmen: Die Fokuskategorie ist nämlich insofern „relativ unabhängig“ (s.o.) vom Kriterium der Neuheit, als „die vom Sender beabsichtigte Relevanz des Gliedes innerhalb der Aussage […] entweder mit der ‚Neuheit‘ des Gliedes selbst oder nur mit seiner ‚neuen‘ Beziehung zur Umgebung korreliert“ (Molnar 1993, 172). Es gibt also zum einen den Zusammenfall von Ersterwähnung (neu = rhematisch) und Fokussierung, zum anderen aber auch den Zusammenfall von Vorerwähnung (bekannt = thematisch) und Fokussierung.4

Molnárs Unterscheidung zwischen Fokus/Hintergrund (Relevanz) und Thema/Rhema (bekannt/neu) erinnert an eine Unterscheidung, die Gundel (1988a) vorgeschlagen hat: die Unterscheidung zwischen referentieller Givenness/Newness und relationaler Givenness/Newness (siehe auch Gundel/Fretheim 2004). Gundel führt diese Unterscheidung ein, um – ähnlich wie Molnár – Fälle angemessen beschreiben zu können, in denen vorerwähnte Elemente fokussiert sind. Peter in Beispiel (20) ist in Gundels Terminologie referentiell ‚given‘ – aufgrund der Vorerwähntheit seines Referenten – und relational ‚new‘ – aufgrund des Status des Ausdrucks als relevante Information in Bezug auf die vorangegangene Frage.

Die Ähnlichkeit mit Gundels Unterscheidung bleibt allerdings auf den Aspekt der ‚Newness‘ beschränkt, die Unterscheidung zwischen referentieller und relationaler ‚Givenness‘ hat in Molnárs Terminologie keine Entsprechung. Zwar lässt sich Molnárs Thema-Begriff mit Gundels Verständnis von referentieller Givenness gleichsetzen; für Gundels Begriff der relationalen Givenness, in dessen inhaltliche Bestimmung ihr spezifisches Verständnis von Aboutness einfließt, das ausdrücklich an das Kriterium der hörerseitigen Zugänglichkeit bzw. Bekanntheit gebunden bleibt, gibt es bei Molnár keine Entsprechung. Weder Molnárs Topik-Kategorie noch ihr Hintergrund-Begriff lassen sich mit Gundels relationaler Givenness gleichsetzen.5

Um zeigen zu können, warum dies so ist und welche Konsequenzen sich daraus für Molnárs Ansatz ergeben, muss zunächst noch ein weiterer Punkt in ihrem Drei-Ebenen-Modell angesprochen werden, nämlich ihre Auffassung zum Verhältnis von Topik und Fokus. Ebenso wie Thema und Fokus sind auch Topik und Fokus für Molnár keine Komplementärkategorien. Allerdings ist die Fokus-Fähigkeit des Topiks bei ihr an bestimmte Bedingungen der Fokus/Hintergrund-Gliederung gebunden. Die Fokus-Fähigkeit des Topiks hat für Molnár zur Voraussetzung, dass sich der Fokus-Bereich über mehr als nur eine „minimal fokussierte“ Konstituente erstreckt (1993, 168). Dies ist etwa der Fall in diskursinitialen Sätzen, die nach Molnár als Ganzes den Fokus bilden, da sie aufgrund ihrer Diskursinitialität über keine Hintergrund-Elemente verfügen. Diskursinitialen Sätzen kann nach Molnár aber auch eine Topik/Kommentar-Gliederung zugesprochen werden (vgl. Molnár 1993, 167). Um die Diskursinitialität im folgenden Beispiel plausibel zu machen, bindet sie den Satz in einen Fragekontext ein:6

(21) Steht was Neues in der Zeitung?
[[Politisch Verfolgte] Topik [genießen Asylrecht.] Kommentar ] Fokus

Ein weiteres – von Molnár konstruiertes – Beispiel (ebd.) verfügt zwar über einen Hintergrund, weil dort bestimmte Gehalte der vorausgesetzten Frage in der Antwort wieder aufgegriffen werden; der Antwortsatz hat aber mehr als nur eine fokussierte Konstituente, weswegen auch dort die fokussierte Subjekt-Konstituente als Topik in Frage kommen kann:

(22) Was ist das für eine Demonstration?
[[Umweltschützer] Fokus ] Topik [[demonstrieren] Hintergrund [gegen den Brückenbau.] Fokus ] Kommentar

Demgegenüber ist die vorangestellte, ‚topikalisierte‘ Objekt-Konstituente in (23) (vgl. Molnár 1993, 168) kein Topik, da sie den „einzigen minimalen Fokus“ des Satzes bildet:

(23) Wen besucht Peter in Bonn?
[Seinen BRUder] Fokus [besucht er.] Hintergrund

Dieser Fall eines „minimalen“, satzinitialen Fokus, der nicht topikfähig ist, verhält sich ihrer Meinung nach analog zu den folgenden Beispielen aus Gundel (1988b, 34), die über die vorangestellte ‚What about?‘-Frage für diese Fälle die Inkompatibilität von Topik und Fokus belegen sollen:7

(24) What about Archie?
(a) *ARchie rejected the proposal.
(b) *It was Archie who rejected the proposal.

Hier sind es das durch Kontrastakzent fokussierte Subjekt in (a) und die Fokussierung durch Linksspaltung in (b), die als einzige und damit „minimale“ Foki die Topik-Fähigkeit unterbinden. Dass die fokussierten Elemente nicht als Topiks gelten können, hängt mit dem Fragekontext zusammen, in den sie eingebettet sind: Auf eine Frage, die auf Informationen über Archie abzielt, kann nur eine Antwort folgen, in der Archie genauso die Rolle desjenigen innehat, über den etwas mitgeteilt wird. Anders als in (24) sind die in (22) von Molnár als Topik ausgewiesenen Umweltschützer nicht schon in der Frage als Gegenstand vorausgesetzt, über den Informationen erbeten werden, sondern gehören zu den weiterführenden Details, die über die Art der Demonstration Auskunft geben.8

Fassen wir zusammen: Neben dem Zusammenfall von Topik und Hintergrund gibt es nach Molnár auch die Möglichkeit des Zusammenfalls von Topik und Fokus. Fokusfähig sind Topiks in Sätzen, die aufgrund ihres diskursinitialen Charakters keinen Hintergrund haben – so wie in (21) – oder in Sätzen, in denen das ‚fokussierte‘ Topik nicht das einzige fokussierte Element des Satzes ist – so wie in (22), wo neben dem Subjekt auch Elemente fokussiert sind, die zur Prädikation gehören.

Lässt es sich aber überhaupt rechtfertigen, in Fällen wie in (21) und (22) eine Topik/Kommentar-Gliederung anzunehmen, die unabhängig von der auf sprecherseitige Relevanz abzielenden Fokus/Hintergrund-Gliederung operiert? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir noch einmal auf Molnárs Explikation der Topik-Kategorie eingehen und zu klären versuchen, worin sich die ihrem Verständnis nach „sachbezogene“ (s.o.) Ebene der Topik/Kommentar-Gliederung von der auf den Aspekt der „Relevanz“ abzielenden Fokus/Hintergrund-Gliederung unterscheiden soll.

Auch Molnárs Topik-Begriff orientiert sich am klassischen Aboutness-Konzept. Durch die Topik/Kommentar-Gliederung wird der Satz hinsichtlich seines „Mitteilungsaspekts“ aufgeteilt in (i) das „worüber etwas gesagt wird“ und (ii) das, „was darüber ausgesagt wird“ (1993, 162). Des Weiteren möchte sie Topikalität als ein „grundsätzlich pragmatisches Konzept“ (1993, 163) verstehen: Mit Verweis auf T. Reinharts (1981) Begriff der „pragmatic assertion“ 9 deutet sie das Topik als „eine der Komponenten der im pragmatischen Sinne gedeuteten Prädikation, wobei es sich um eine satzinterne Relation zwischen Satzgegenstand und Satzaussage handelt“ (ebd.). Neben dieser auf den Satz bezogenen Explikation weist Molnár noch darauf hin, dass „bestimmte Aspekte der Topikalität […] nur durch den Bezug auf einen größeren Diskurszusammenhang zu klären [sind]“ (ebd.).

Wie sieht im Verhältnis dazu ihr Verständnis der Fokus/Hintergrund-Gliederung aus? Wie oben ausgeführt wurde, fußt Molnár die Fokus-Kategorie auf ihr Konzept der „vom Sender entschiedenen Relevanz“ (s.o.). Molnárs knappe Ausführungen hierzu legen nahe, dass sie sich hierfür auf zwei von Strawson formulierte Prinzipien bezieht: das „principle of the presumption of knowledge“ und das „principle of relevance“. Diese Prinzipien tragen nach Molnár wesentlich zur Herstellung von Kohärenz und Informativität in der Kommunikation bei: Der Sprecher knüpft an etwas Bekanntes an (presumption of knowledge), worüber (!) er dann etwas Neues und damit für den Hörer Relevantes mitteilt (principle of relevance).10

Hier zeigt sich: die zwei von Molnár für die Fokus/Hintergrund-Gliederung ins Spiel gebrachten Prinzipien zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Aboutness-Relation, die sie der Topik/Kommentar-Gliederung zugrunde legt, außerordentlich ähnlich sind. Strawsons Prinzipien können nämlich genauso gut auch auf die Ebene der Topik/Kommentar-Gliederung angewendet werden – mit dem Topik als dem ‚Worüber‘ der „im pragmatischen Sinne gedeuteten Prädikation“ (s.o.). Was über dieses ‚Worüber‘ ausgesagt – „pragmatisch assertiert“ – wird, sichert dann die Informativität der Äußerung im Sinne der Strawson’schen ‚presumption of ignorance‘.11

Wenn aber die im Sinne der ‚presumption of ignorance‘ zum Fokusbereich zählenden Subjektkonstituenten in (21) und (22) zu dem gehören, was in diesen Sätzen pragmatisch assertiert wird, wie können sie dann zugleich Gegenstand der Satzaussage im pragmatischen Sinne sein? Der zentrale Widerspruch in Molnárs Drei-Ebenen-Modell ist also, dass sie fokussierte Topiks in der Konsequenz sowohl als Satzgegenstand als auch zur Satzaussage gehörig deutet. Nun ist es aber dennoch so, dass sich die satzinitialen Konstituenten in (21) und (22) – anders als in (23) – durchaus als ‚Gegenstand‘ der Prädikation deuten lassen – jedoch nicht, wie Molnár meint, „im pragmatischen Sinne“ (s.o.). In Kap. 5.2 werde ich darum dafür plädieren, zwischen der semantischen und der pragmatischen Ebene der Prädikation zu unterscheiden. Diese Unterscheidung erlaubt es, auch in Fällen wie in (21) und (22) von einer auf die jeweiligen Subjekt-Konstituenten abzielenden Prädikation zu sprechen, die dort jedoch kontextbedingt nicht auf einer Relation zwischen „pragmatic assertion“ und „pragmatic presupposition“ (Lambrecht 1994) beruht. Wie ich im nächsten Kapitel zeigen möchte, ist es aber genau diese Unterscheidung, auf deren Basis sich das Konzept der Aboutness explizieren lässt.

Pragmatische Bedingungen der Topikalität

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