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3.3 Gundel: referentielle vs. relationale Givenness/Newness

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Eine der zentralen Herausforderungen für eine adäquate Bestimmung des Aboutness-Begriffs besteht in der Beantwortung der Frage, auf welche Einheiten – bzw. auf welche Ebenen – die Aboutness-Relation zu beziehen ist. Reinhart fasst den Unterschied zwischen ihrer Explikation und anderen, auf Diskursreferenten bezogenen Deutungen folgendermaßen zusammen:

[…] while the first (aboutness) views topichood as a relation between an argument and a proposition relative to a context, the second (old information) views it as a property of the referents denoted by linguistic expressions in a given context. (Reinhart 1981, 61)

Reinharts Gegenüberstellung erinnert an eine Unterscheidung, die J. Gundel vorgeschlagen hat: die Unterscheidung zwischen referentieller und relationaler Givenness/Newness (vgl. Gundel 1988a; Gundel/Fretheim 2004). Anders als Reinhart expliziert Gundel die Aboutness-Relation wieder in größerer Nähe zu Strawson auf der Basis des Sprecher-Hörer-Verhältnisses. Hierfür greift sie auf die traditionelle Given/New-Dichotomie zurück, differenziert dabei jedoch zwischen zwei verschiedenen Arten der Givenness bzw. Newness (vgl. Gundel 1988a; Gundel/Fretheim 2004): Während referentielle Givenness/Newness auf die Beziehung zwischen sprachlichem Ausdruck und außersprachlichem Referenzgegenstand im Hinblick auf hörerseitige Zugänglichkeit abzielt (Gundel/Fretheim 2004, 176f.), beinhaltet relationale Givenness/Newness

a partition of the semantic/conceptual representation of a sentence into two complementary parts, X and Y, where X is what the sentence is about […] and Y is what is predicated about X. […] Relational givenness-newness thus reflects how the informational content of a particular event or state of affairs expressed by a sentence is represented and how its truth value is to be assessed. […] Topic and focus […] are thus relationally given and new, respectively. (Gundel/Fretheim 2004, 177)

Die referentiell/relational-Unterscheidung wird zunächst mit dem mittlerweile vertrauten Argument begründet, dass es problematisch ist, Topikalität allein auf der Basis des (referentiellen) Kriteriums der Zugänglichkeit zu bestimmen, da Ausdrücke, in Bezug auf deren Referenten hörerseitige Zugänglichkeit besteht, nicht selten zum Bereich der Prädikation über ein X gehören (vgl. das folgende Beispiel aus Gundel/Fretheim 2004, 177):

(5) A: Who called
B: Pat said SHE called.

Das Pronomen she, das den Subjekt-Referenten anaphorisch wiederaufnimmt und ihn damit als maximal zugänglich ausweist, gehört hier zur Prädikation. In der Terminologie von Gundel ist der Referent an dieser Stelle darum referentiell ‚given‘, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Prädikation jedoch relational ‚new‘.

Nach Gundel/Fretheim ist referentielle Givenness von relationaler Givenness insofern klar abgrenzbar, als referentielle Givenness allein über das Wissen und den Aufmerksamkeitszustand (attention state) des Adressaten bestimmt ist – und nicht über ihre Rolle innerhalb der Aboutness-Relation. Als Kategorie hörerseitiger Zugänglichkeit sei referentielle Givenness darum kein spezifisch sprachliches Phänomen:1

Thus, one can just as easily characterize a visual or non-linguistic auditory stimulus, for example a house or a tune, as familiar or not […]. In contrast, the topic-focus partition can only apply to linguistic expressions, specifically sentences or utterances and their interpretations. (Gundel/Fretheim 2004, 178)

Allerdings findet sich die referentielle Perspektive auch auf der relationalen Ebene wieder. So ist die ‚topic-focus partition‘ laut Gundel/Fretheim zwar nur auf „sentences or utterances and their interpretations“ anwendbar, aber Gundels Definition der Topik-Kategorie, die sie im Sinne der relationalen Givenness versteht und entsprechend als Bestandteil der pragmatischen Aboutness-Relation bestimmt, ist ebenfalls mit klarem Bezug auf den Referenten formuliert:

An entity, E, is the topic of a sentence, S, iff in using S the speaker intends to increase the addressee’s knowledge about, request information about, or otherwise get the addressee to act with respect to E. (Gundel 1988a, 210)

Einerseits also ist relationale Givenness/Newness auf Äußerungen von Sätzen und deren Interpretationen bezogen und somit als satz- bzw. äußerungsinterne Relation formuliert. Aber andererseits wird das Topik selbst als eine auf (außersprachliche) Entitäten bezogene Statuskategorie expliziert, die angibt, in Hinblick auf welchen Diskursgegenstand der Sprecher (aktuell) hörerseitigen Wissenszuwachs bewirken möchte. Unscharf bleibt in Gundels Bestimmung also die genaue Natur der Aboutness-Relation: Handelt es sich um eine Relation zwischen Diskursgegenständen und (Äußerungen von) Sätzen? Handelt es sich um eine Relation zwischen Diskursgegenständen und Lesarten (interpretations) von (geäußerten) Sätzen? Oder handelt es sich um eine Relation zwischen Elementen von Sätzen?

Bezogen auf den Begriff der relationalen Newness führt die Vermengung referentieller und relationaler Perspektiven sogar zu einem konzeptionellen Widerspruch. Dies wird deutlich, wenn wir das Konzept der relationalen Newness auf das Beispiel Reinharts anwenden, das hier der Übersicht halber noch einmal aufgeführt ist:

(4) A: Who did Felix praise?
B: Felix praised HIMSELF.

Wenn wir relationale Newness, analog zur relationalen Givenness, auf den Diskursreferenten beziehen und sagen, der Referent von himself – dem aufgrund des vorausgesetzten Fragekontextes ja auch Topikstatus zukommen soll – sei in relationaler Hinsicht neu, dann hat das zur Konsequenz, diesem Diskursgegenstand (aktuell) sowohl Topik- als auch Fokus-Status zuschreiben zu müssen.

Bedeutet dies nun, dass Reinharts Skepsis gegenüber referenzorientierten Explikationen doch berechtigt ist? Zumindest kann bis hierhin festgehalten werden, dass Gundels Unterscheidung zwischen referentieller und relationaler Givenness bzw. Newness offensichtlich nicht dazu in der Lage ist, Reinharts Beispiel widerspruchsfrei zu analysieren. Dass Gundels Unterscheidung an Reinharts Beispiel scheitert, liegt allerdings weniger an ihrer unscharfen Bestimmung der Aboutness-Relation, sondern vielmehr daran, dass die Vermengung referentieller und relationaler Perspektiven unausgesprochen auch ihrem Begriff der relationalen Newness zugrunde liegt. Dies muss zu widersprüchlichen Status-Zuschreibungen führen, solange unklar bleibt, worüber Fokussiertheit ausgesagt wird und der Fokus-Begriff unausgesprochen auch auf die Referenten fokussierter Ausdrücke bezogen ist. Schauen wir uns nun an, welche Lösung sich in Lambrechts Ansatz (vgl. Lambrecht 1994) für dieses Problem findet.

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