Читать книгу Mörderisches Schwerin - Diana Salow - Страница 10

Kapitel 5

Оглавление

»Sie sind Hauptkommissar Thomas Berger, nicht wahr?«, fragte Verena Wilke. Sie beobachtete genau, wie der Polizist sein gerade eingeparktes Fahrzeug vor der Dienststelle abschloss. Durch Zufall hatte sie genau den Mann getroffen, den sie gesucht hatte.

»Ja, das bin ich«, erwiderte Berger etwas unwillig. Er war müde, da er nur ein paar Stunden geschlafen hatte. Der Polizeieinsatz am Theater hatte noch bis in die frühen Morgenstunden gedauert. Die Hitze der Nacht ließ ihn danach auch nicht in einen erholsamen Schlaf fallen. »Woher kennen Sie meinen Namen?«

Die attraktive, elegant gekleidete Frau, schätzungsweise Ende vierzig, blickte ihn an. »Ich kenne Sie aus der Schweriner Volkszeitung. Sie sind Hauptkommissar und haben schon ziemlich viele Fälle erfolgreich gelöst.«

Berger fühlte sich geschmeichelt. So ein Lob am frühen Morgen tat gut. »Haben Sie auf mich gewartet oder ist das Zufall?«, fragte er noch immer irritiert, aber gleich etwas freundlicher.

»Ich wollte zu Ihnen kommen.«

»Was möchten Sie denn von mir?«

»Ich möchte gern eine Anzeige aufgeben.«

»Das können Sie gern machen. Kommen Sie bitte mit! Ich zeige Ihnen, wo ein Beamter Ihre Anzeige aufnimmt.« Berger wies grob den Weg zum Haupteingang.

»Ich möchte die Anzeige aber gern bei Ihnen aufgeben. Wäre das möglich?«

»Um was handelt es sich denn, Frau …?«

»Wilke. Mein Name ist Verena Wilke. Ich möchte gern eine Vermisstenanzeige aufgeben.«

»Frau Wilke, warum möchten Sie die Vermisstenanzeige denn unbedingt bei mir aufgeben?«, hakte Berger nach.

»Weil ich nur Ihnen vertraue«, antworte sie mit gesenktem Kopf.

»Na, dann kommen Sie! Ich mache einmal eine Ausnahme. Ansonsten bin ich dafür nicht zuständig. Das bearbeiten andere, auch sehr kompetente Kolleginnen und Kollegen.« Berger hielt ihr die Tür des Gebäudes auf.

»Dankeschön, Herr Hauptkommissar.«

Sie gingen schweigend durch das Gebäude. Wenn Kollegen entgegenkamen, rutschte ihm ein leises »Guten Morgen« heraus. Dies wurde meistens kopfnickend erwidert.

»Dann nehmen Sie bitte Platz, Frau Wilke!« Berger schob ihr einen Stuhl entgegen. Seinen Rechner fuhr er noch nicht hoch. Er wollte erst einmal die Anzeige aufnehmen und dann wie gewöhnlich in den Tag starten. »Erst einmal benötige ich Ihren vollständigen Namen, Geburtsdatum und Wohnanschrift. Verena ist Ihr Vorname, so sagten Sie, nicht wahr?«

»Ja. Verena ist mein Vorname. Ich wurde am 17. September 1966 geboren und wohne in der Möwenburgstraße 18 in Schwerin.«

»Das ist eine schöne Wohngegend, da zwischen Ziegelinnen- und Ziegelaußensee. Und mein Lieblingsrestaurant – das China-Japan Restaurant No. 1 – gleich gegenüber, stimmt’s?«

»Ja. Da gehen wir oft abends Sushi essen. Die Maki-Sushi mit Lachs sind unfassbar lecker.«

»Entschuldigen Sie, ich wollte Sie keinesfalls unterbrechen!« Berger schaute sie an.

»Kein Problem, Herr Hauptkommissar. Ich vermisse meinen Mann seit gestern«, sagte sie traurig. »Meine Freundin Dörte hat mir geraten, gleich zur Polizei zu gehen. Ich war die ganze Nacht wach und habe kein Auge zubekommen. Mein Mann Jan war gestern zu einem Event im Schweriner Theater eingeladen und ist von dort nicht nach Hause gekommen.«

Berger sah, dass sie gleich beginnen würde zu weinen. »Wirklich?« Er war überrascht und wurde hellhörig. »Er war bei dieser Tragödie gestern dabei?«

Wilke holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. »Ja. Er ist Architekt und war anlässlich der Welterbe-Veranstaltung ins Theater eingeladen worden. Ich war morgens noch sauer auf den Veranstalter, weil die Einladung nur für meinen Mann galt. Sonst durfte ich ihn immer zu derartigen Anlässen begleiten.«

»Er ist also bei der Gala im Theater gewesen und seitdem vermissen Sie Ihren Mann?«

»Ja!« Sie schluchzte los. »Ich liebe meinen Mann und kann mir das überhaupt nicht erklären. Ich habe gestern laufend bei der Polizei angerufen. Aber die Leitungen waren ständig besetzt.«

»Ja, das war eine absolute Ausnahmesituation. Eine Katastrophe für unsere Stadt. Sämtliche Medien in Schwerin und deutschlandweit berichten darüber. Aber fahren Sie fort, bitte weiter!«

»Ich habe dann meine Freundin Dörte angerufen. Wir sind nachts noch zum Klinikum gefahren und haben nachgefragt, ob mein Mann aufgenommen wurde. Nichts. Jan wurde weder dort eingeliefert noch ärztlich behandelt, wurde mir versichert. Jedenfalls nicht in Schwerin.«

»Es gab zwei schwer verletzte Männer, aber deren Identität ist geklärt. Jan Wilke heißt keiner von beiden.«

»Ja, aber wo ist denn mein Mann? Kann es sein, dass er einen Schock hat und vielleicht orientierungslos durch die Gegend irrt?«

»Das ist möglich. Ich werde das gleich prüfen, das verspreche ich Ihnen.« Berger lächelte sie mitfühlend an – mit genau dem Lächeln und seiner charmanten Art, die viele Frauen anziehend fanden.

»Geben Sie jetzt eine Vermisstenanzeige heraus? Benötigen Sie ein Foto? Ich habe alles dabei.« Sie kramte ihr Smartphone heraus und wischte auf dem Display hektisch hin und her. »Hier. Das ist ein aktuelles Foto vom vergangenen Wochenende. Da haben wir mit meiner Freundin Dörte und ihrer Tochter bei uns zu Hause im Garten gegrillt.«

»Frau Wilke, wir müssen leider noch etwas abwarten. Vielleicht ist ihr Mann ja schon zu Hause, während Sie hier bei mir sind?«

»Nein, auf keinen Fall. Ich habe ihm ein paar Nachrichten geschrieben und zu Hause einen Zettel hinterlassen und ihn gebeten, sich sofort bei mir zu melden.«

»Wir müssen trotzdem noch etwas Zeit verstreichen lassen. Ihr Mann ist volljährig und kann sich aufhalten, wo er möchte. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch …« Berger rutschte auf seinem Stuhl nervös hin und her.

»Und wenn er mit einem Schock irgendwo gestürzt ist und Hilfe benötigt? Bitte, Herr Hauptkommissar, es muss ihm was zugestoßen sein!« Die Frau war zwischenzeitlich aufgestanden und lief mittlerweile hektisch in Bergers Büro auf und ab. »Genau deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Ich dachte, Sie könnten mir helfen. Ansonsten hätte ich auch eine Anzeige bei der Polizei im Internet aufgeben können. Sie haben doch bisher schon so viele Fälle gelöst!«

»Ja, aber …«

Sie stand nun vor Berger und sah ihm tief in die Augen. »Bitte, Herr Hauptkommissar! Ich flehe Sie an. Finden Sie meinen Mann Jan!«

Ihn begann die Förmlichkeit in der Anrede »Herr Hauptkommissar« langsam auf den Geist zu gehen. »Frau Wilke, ich werde sehen, was ich machen kann. Sie haben ja recht, es war gestern eine Ausnahmesituation und vielleicht ist ihm doch etwas im Nachhinein passiert? War er denn mit dem Auto unterwegs?«

»Das ist der nächste Punkt, Herr Hauptkommissar. Auch das wollte ich Ihnen noch unbedingt sagen. Das Auto steht nirgends am Theater. Der Audi ist verschwunden und das Handy ist ausgeschaltet. Das kenne ich von meinem Mann nicht. In seinem Büro meldet sich auch niemand. Alles sehr merkwürdig, finden Sie nicht?«

»Wie erreiche ich Sie, Frau Wilke?«

»Hier. Ich gebe Ihnen meine Visitenkarte.«

Berger nahm die Karte entgegen und warf einen Blick auf die goldglänzende Schrift. »Sie sind Schmuckdesignerin?«

»Ja, gelernte Goldschmiedin – ›mit ganz viel Herz und Engagement‹«, antwortete sie stolz und lächelte.

Während sie dies sagte, fand Berger den Slogan der Handwerkerin auch auf der Rückseite ihrer Visitenkarte: Ihre Goldschmiedin mit ganz viel Herz und Engagement.

»Schauen Sie mal, Herr Hauptkommissar. Das ist unser Ehering seit 25 Jahren. Den habe ich für meinen Mann und mich selbst entworfen und angefertigt.« Sie drehte den Ring am Finger.

›Herr Hauptkommissar, Herr Hauptkommissar‹, dachte Berger, brachte aber nur ein »Wunderschön!« heraus, das der Herr Hauptkommissar immerhin ehrlich meinte. »Frau Wilke, ich kümmere mich jetzt um Ihren vermissten Mann und melde mich bei Ihnen, wenn ich etwas erfahre. Sollte Ihr Mann auftauchen, rufen Sie mich bitte gleich an!«

»Natürlich, Herr Hauptkommissar. Vielen Dank! Ich weiß, dass Sie meinen Jan finden werden. Wenn Sie ihn nicht finden, dann findet ihn auch kein anderer.« Sie reichte Berger die Hand und verließ mit einem hoffnungsvollen Lächeln dessen Büro.

Mörderisches Schwerin

Подняться наверх