Читать книгу Mörderisches Schwerin - Diana Salow - Страница 13

Kapitel 8

Оглавление

Ich wäre gern abends mal so müde wie morgens, hatte Berger um sechs Uhr auf dem Abrisskalender in seiner Küche gelesen. ›Was für ein passender Spruch‹, dachte er, als er in seinem Büro Platz nahm.

Seine Sekretärin kündigte ihm eine junge Frau an, die ihn unbedingt sprechen wollte.

›Hoffentlich nicht schon wieder eine Vermisstenanzeige‹, dachte er. »Guten Morgen, Hauptkommissar Thomas Berger«, stellte er sich vor und reichte der jungen Frau die Hand.

»Guten Morgen, mein Name ist Sandra Rethel.« Die sportliche Frau in kurzem Jeansrock und hellem T-Shirt legte ihren kleinen Rucksack ab und setzte sich ohne Aufforderung an den Besuchertisch in Bergers Büro. Sie hatte kurze, dunkle Haare, die zu ihrem sehr burschikosen Auftritt passten.

»Was kann ich für Sie tun, Frau Rethel?«

Die junge Dame senkte ihren Kopf. »Ich habe heute Morgen in der Schweriner Volkszeitung gelesen, dass eine Frau bei diesem schrecklichen Anschlag im Theater ums Leben gekommen ist.« Sie wurde plötzlich rot im Gesicht und begann zu zittern. »Ich habe solche Angst, dass es meine Freundin Caroline ist.«

»Wie kommen Sie darauf?« Berger wurde hellhörig und war erfreut, dass die Vermisstenanzeige mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt einen ersten Ermittlungserfolg liefern würde.

Sandra Rethel putzte ihre Nase und versuchte, sich zu beruhigen. »Es muss meine Caroline sein. Ich erreiche sie nicht, weder auf ihrem Handy, noch auf ihrer Arbeit. Seit dem Abend, an dem sie ins Theater wollte, hatten wir keinen Kontakt mehr. Ich will es nicht wahrhaben, dass es Caro ist. Aber sie muss es sein«, redete sie sich mehrfach ein. »So viele Zufälle gibt es doch nicht, oder?«

»Erzählen Sie bitte weiter, Frau Rethel!«, ermutigte Berger sie.

»Caroline und ich waren Mittwochnachmittag im Fitnessstudio im Belasso in Krebsförden. Dann erhielt sie in der Umkleide einen Anruf. Ich hörte nur, wie sie sagte: ›Ja, okay. Das ist toll. Ich gehe hin. Dankeschön.‹ Dann beendete sie das Gespräch und hatte es echt eilig. Sie wolle sich noch aufbrezeln, sagte sie mir.«

Berger guckte die Dame an: »Hat sie gesagt, dass sie ins Theater will?« Er überlegte, ob Frau Rethel und Caroline vielleicht ein Paar sein könnten.

»Ja. Ich habe Caro gefragt und sie meinte, sie wolle ins Theater gehen. Dort fände eine Gala statt, weil das Schweriner Residenzensemble zum Welterbe ausgerufen werden soll.«

»Wollte sie dort allein hin oder in Begleitung?«

»Das weiß ich nicht. Aber wenn sie sich, wie sie sagte, aufbrezeln wollte, vermute ich mal, dass sie nicht vorhatte, dort allein hinzugehen.«

»Wo arbeitet denn ihre Freundin Caro?«

»Sie ist die Assistentin eines Architekten in Schwerin.«

»Beim Architekten Jan Wilke?«, schoss es aus Berger wie aus der Pistole heraus.

»Ja, genau. So heißt er.«

Berger war fassungslos. Er ging ins Vorzimmer und bat seine Sekretärin darum, sofort Lars Paulsen in sein Büro zu schicken. Ein paar Minuten später stand sein Kollege vor ihm. »Lars Paulsen, mein Kollege. Und das ist Sandra Rethel. Eine wichtige Zeugin in unserem Fall«, machte er beide miteinander bekannt. »Frau Rethel vermisst ihre Freundin, die Jan Wilkes Assistentin ist. Sie war an dem besagten Abend vermutlich im Theater und ist mit großer Wahrscheinlichkeit …« Berger zögerte und verschluckte den Rest des Satzes mit Blick auf Rethel.

Die begriff in dem Moment, in dem sie selbst laut ergänzte: »… das weibliche Opfer. – Meinen Sie wirklich, Herr Berger?« Sandra Rethel schluchzte laut los.

»Hat Caroline – Wie heißt sie weiter? – keine Verwandten in Schwerin?«

»Sie heißt Holm. Ihre Eltern wohnen in Donaueschingen im Schwarzwald. Ihr Bruder arbeitet in der Schweiz. Die Familie ist zerstritten. Es ging ums Erbe, ein Testament, um sehr viel Geld. Caroline hat keinen Kontakt zu ihnen.«

»Frau Rethel, wir müssen die Familienangehörigen ausfindig machen … oder würden Sie sich zutrauen …?«, setzte Berger vorsichtig die Frage an.

»Nein, bitte nicht. Verlangen Sie nicht, dass ich Caro identifizieren soll. Das mache ich keinesfalls«, flehte sie.

»Vielleicht finden wir eine andere Möglichkeit«, mischte sich Paulsen ein.

»Es reicht doch, wenn Sie eine DNA-Probe machen! Das sehe ich jeden Sonntag im ›Tatort‹«, schlug sie vor, um Bergers Bitte zu umgehen.

»So einfach ist der Abgleich nicht. Frau Holm ist vermutlich nicht wegen einer Straftat in unserer Datenbank registriert.«

»Aber man kann doch mit einem Zahnstatus auch herausbekommen, wer die tote Frau ist. Caro hat die gleiche Zahnärztin wie ich. Soll ich Ihnen den Namen geben?«

Berger bemerkte, hier saß eine Krimi-Expertin vor ihm.

»Oder noch besser, Herr Berger. Ich habe etwas zu Hause, wovon Sie DNA-Spuren nehmen können!«

Der leitende Kommissar staunte, wie hilfsbereit und aufgeschlossen die junge Frau war, um herauszubekommen, ob es sich bei der Verstorbenen tatsächlich um ihre Freundin Caroline Holm handelte. »Was haben Sie denn als Nachweis?«

»Ich habe Caros Sauna-Tuch. Sie ist an dem Tag so schnell nach Hause geeilt. Da hat sie das Handtuch in der Umkleide liegen lassen. Ich habe es mitgenommen. Heute Abend wollte ich es eigentlich mit meinen Handtüchern mitwaschen. Dann hätte ich ihr das saubere Handtuch beim nächsten Sauna-Besuch zurückgegeben. Aber das ist ja …« Sie fing wieder an zu weinen.

»Frau Rethel, wir könnten das Handtuch bei Ihnen sofort abholen oder uns auch Zutritt zur Wohnung oder zum Büro von Frau Holm verschaffen. Auch über die Zahnärztin wäre ein Abgleich möglich. Aber das Handtuch ihrer Freundin würde uns am schnellsten bei unseren Ermittlungen weiterhelfen.«

»Ja, ich gebe es Ihnen sofort. Dann muss ich nicht in die Rechtsmedizin, oder? Liegt Caro da in einem Kühlfach?«

»Ja, sie ist noch in der Rechtsmedizin. Ich denke, das Saunatuch reicht uns erst einmal aus«, beruhigte Paulsen sie.

»Frau Rethel, ich muss Sie noch etwas fragen.« Berger wartete die Reaktion auf seinen Satz ab.

»Ja, fragen Sie ruhig! Es geht gleich wieder.« Sie schnäuzte noch einmal kräftig in ihr Taschentuch.

»Wenn die tote Frau Ihre Caro ist, haben Sie sich bestimmt auch vertrauliche Dinge erzählt, nicht wahr?«

»Ja.«

»Ist Frau Holm Ihre Lebensgefährtin?«

»Nein.«

»Könnte es sein, dass Ihre Freundin ein Verhältnis mit ihrem Chef, dem Architekten Jan Wilke, hatte?«

»Warum fragen Sie mich das? Sie können ihn doch selbst fragen. Ich möchte nichts Falsches sagen.«

»Herr Wilke ist leider spurlos verschwunden«, erklärte Berger.

»Was? Der Wilke ist weg?«, fragte die Frau sichtlich überrascht.

»Ja.«

»Nein, ich glaube nicht, dass die beiden ein Verhältnis hatten. Er ist verheiratet. Ich glaube aber, dass Caro ihn angehimmelt hat. Er war immer sehr nett und zuvorkommend zu ihr. Und attraktiv ist er auch. Ich habe ihn einmal gesehen, als ich Caro zur Mittagspause aus ihrem Büro abgeholt habe. Vielleicht hat er ja am Mittwoch angerufen und sie ins Theater eingeladen?«, kombinierte sie das aufgeregte Verhalten ihrer Freundin nach dem mitgehörten Anruf.

»Mag sein«, antwortete Berger. »Lars, würdest du bitte Frau Rethel nach Hause fahren, das Handtuch mitbringen und gleich bei den Kollegen der Spurensicherung abgeben? Wir benötigen dringend einen DNA-Abgleich. Ich bin zu neunundneunzig Prozent sicher, dass das Opfer Caroline Holm ist. Ich mache mich jetzt auf den Weg zu Frau Wilke.« Berger stand auf. »Vielen Dank, Frau Rethel, Sie haben uns sehr geholfen und uns wichtige Hinweise geliefert. Ganz lieben Dank und mein herzliches Beileid, dass Sie vermutlich Ihre beste Freundin auf so tragische Weise verloren haben. Wenn wir die absolute Gewissheit haben, melden wir uns bei Ihnen noch einmal.«

Sandra Rethel und Lars Paulsen verließen gemeinsam das Büro.

Thomas Berger machte sich auf den Weg zu Verena Wilke. Die Neuigkeiten wollte er ihr persönlich mitteilen, um ihre Reaktion von Angesicht zu Angesicht mitzubekommen.

Mörderisches Schwerin

Подняться наверх