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Kapitel 7

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»Jetzt nicht!«, ermahnte Berger seine Sekretärin, die gerade in sein Büro kam. »Ich muss mich konzentrieren und brauche mal eine halbe Stunde meine Ruhe. Ist das so schwer zu verstehen?«

Sie verließ wieder einmal kopfschüttelnd das Büro und schloss leise die Tür hinter sich.

Hauptkommissar Berger überflog gerade zum dritten Mal die Gästeliste des Galaabends vom vergangenen Mittwoch, auf der 256 Namen standen. Er hatte sich dafür aus dem Internet einen Plan des Theaters vergrößert, ausgedruckt und auf seinem Schreibtisch ausgebreitet. 550 Zuschauer fasste das Große Haus. Auf diesem Schema markierte er ganz genau, in welcher Reihe und auf welchem Sitz die jeweilige Person gesessen hatte. Die ersten fünf Reihen waren für Politiker und Prominente reserviert worden. Für die restlichen etwa 300 Sitzplätze gab es an dem Abend freie Platzwahl.

Berger trank seinen kalten Kaffee aus. Plötzlich entdeckte er, dass der für den Architekten Jan Wilke reservierte Platz genau derjenige war, unter dem der Sprengstoff detoniert war. Es handelte sich also um den Sessel, in dem die junge Frau gesessen hatte, die durch die Explosion ums Leben gekommen und deren Identität bisher ungeklärt war. Scheinbar vermisste sie niemand. »Aber wo saß dann Jan Wilke an dem Abend?«, murmelte Berger, während er sich mit seinem Kugelschreiber am Kinn kratzte. ›Warum ist er nach der geplatzten Gala nicht nach Hause gekommen? Wo ist Jan Wilke jetzt?‹, grübelte der Kommissar. Die zwei verletzten Männer neben der jungen Frau gehörten dem Welterbe-Verein in Schwerin an. Sie schwebten nicht mehr in Lebensgefahr und waren auf dem Weg der Besserung. Er nahm sich vor, sie in Kürze noch im Klinikum zu befragen.

Der Polizist griff zum Telefon und rief die Frau des Architekten an. »Kripo Schwerin, Berger am Apparat. Frau Wilke, hat sich Ihr Mann gemeldet? Ist er wieder zu Hause?«, fragte er ohne eine Pause zwischen den Fragen.

»Nein, Herr Hauptkommissar. Ich hätte Sie doch sonst gleich angerufen. Ich habe im Büro meines Mannes schon mehrmals angerufen. Dort meldet sich auch niemand.«

Bei Berger ratterten die Gedanken durch den Kopf. Er stand auf, um sich noch einen starken Kaffee aus seinem Vorzimmer zu holen.

Seine Sekretärin guckte stur in eine andere Richtung, als er an ihrem Schreibtisch vorbei zur kleinen Küchenzeile rechts neben der Tür ging. Vor einer halben Stunde hätte sie ihm den Kaffee noch mit einer Schokowaffel, die er so gern mochte, serviert. Jetzt überließ sie Berger die Bedienung des komplizierten Kaffeeautomaten. Sie war wütend und hoffte insgeheim, das Gerät würde jetzt Entkalken oder Reinigen anzeigen.

Berger bemerkte seine Sekretärin nicht einmal und war in Gedanken schon wieder im Schweriner Theater. Wieder zurück in seinem Büro notierte er die offenen Fragen:

- Wer ist die tote Frau?

- Wo ist Jan Wilke?

- War er vielleicht gar nicht im Theater?

- Hat Wilke etwas mit dem Tod der Frau zu tun?

- Warum gab es eine Explosion in der Herrentoilette? Ist der mutmaßliche Täter ein Mann? ›Eine Frau hätte den Sprengstoff wahrscheinlich in der Damentoilette platziert‹, dachte er, während er schrieb.

- Warum haben die Sprengstoffsuchhunde vor der Gala nichts gefunden? ›Jemand hat abgewartet, bis die Suchhunde durch das Theater gelaufen sind‹, dachte der Kommissar ein ums andere Mal. ›Zwischen dem Einsatz der Hunde und dem Einlass der Gäste liegt eine Stunde. Genügend Zeit, um Sprengstoff in der Herrentoilette und im Zuschauerraum zu verstecken. Aber es muss doch irgendjemand etwas bemerkt haben!‹

- Wer hat die Geldforderung an die LED-Wand gestrahlt?, war eine weitere Frage, die er auf seinem Notizblock festhielt. Berger lehnte sich auf seinem Bürostuhl zurück und streckte seinen Rücken mit einem lauten Stöhnen durch, als sein Kollege Lars Paulsen in seinem Arbeitszimmer erschien. »Na, hast du was Neues? Weißt du schon, wer die tote Frau ist?«

»Nein, bisher nicht«, antwortete Paulsen. »Der ganze Fall ist mysteriös. Ich bin gerade dabei, aufzulisten, wer von den Gästen der Gala das geforderte Geld überwiesen hat. Es wird schwierig, herauszubekommen, wer hinter dem angegebenen Konto steckt. Es ist ein Nummernkonto in der Schweiz. Eine Rückbuchung der eingezahlten Gelder war bisher nicht möglich«, erläuterte Bergers Kollege.

Berger schaute Paulsen fragend an: »Dieses Verbrechen kann nicht nur eine Person begangen haben. Die Geldforderung, die Sprengungen, die ganze Logistik dieser aufeinanderfolgenden Taten kann nicht nur eine Person geplant haben. Da waren Profis am Werk. Das wird kompliziert! Ich vermute, wir haben es hier mit einem organisierten Kapitalverbrechen zu tun.«

»Da gebe ich dir recht. Ich habe schon Europol eingeschaltet. Wir brauchen Unterstützung. Den Fall lösen wir nur mit professioneller Amtshilfe!«

»Gut gemacht, Lars! Das sehe ich auch so. Wir müssen auch an die Schweizer Bank ran. Wenn wir es hier mit einem derartigen Verbrechen zu tun haben, dann können die sich nicht hinter ihrem berühmt-berüchtigten Bankkundengeheimnis verstecken. Die Privatsphäre der Kunden scheint denen heilig zu sein.«

»Nein, Thomas. Wir haben in diesem Fall Glück. Ich habe mich mal sachkundig gemacht. Seit Mai 2014 ist die Schweiz der Erklärung der OECD beigetreten«, er las nun von einem Zettel ab. »… über den künftigen automatischen Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten

»Und was heißt das für uns? Bitte eine verständliche Erklärung, Lars!«, forderte Berger ungeduldig.

»Das heißt, dass die Banken verpflichtet werden können, Auskünfte zu erteilen, wenn die Polizei oder eine richterliche Behörde bei Kenntnis eines Straftatbestandes die Eröffnung einer Strafverfolgung anstreben. Sie müssen uns also mitteilen, wer Kontoinhaber ist und an wen das Geld überwiesen wurde. Wir haben es hier nicht mit einem lapidaren Steuervergehen zu tun. In unserem Fall geht es um Erpressung, um Freiheitsberaubung, um Mord, um zwei schwerverletzte Personen, um eine vermisste Person und um Sachbeschädigung eines historischen Gebäudes«, fasste Paulsen die relevanten Tatsachen zusammen. »Das muss doch wohl ausreichen, um weitere Auskünfte zu erzwingen!«

Berger blätterte erneut die Gästeliste durch. »Ich bin äußerst gespannt. Meines Wissens nach ist ein Schweizer Nummernkonto ein Bankkonto, bei dem der Name des Bankkunden durch ein Kennwort ersetzt wird.«

»Es muss doch trotzdem eine Identifizierung des Kunden zu einem bestimmten Konto geben«, widersprach Paulsen. »Irgendjemand muss doch wissen, wem welches Konto gehört. Mir ist schon klar, dass auf Bankbelegen und Kontoauszügen keine Namen stehen, sondern nur Nummern. Am besten wir überweisen auch eine kleine Summe auf das Konto, das wird am einfachsten sein. Zehn Euro privat auf das Schweizer Nummernkonto und dann schauen wir mal weiter«, schlug Paulsen seinem Kollegen vor.

»Ja, sehr gute Idee. Wie das alles funktioniert, musst du herausfinden, Lars. In Deutschland sind Nummernkonten ja verboten. Ich habe den Eindruck, du steckst schon gut in der Materie drin. Du bekommst das bestimmt heraus.« Berger lachte und wusste natürlich, was für eine schwere Aufgabe er seinem Kollegen aufgebürdet hatte. »Wenn noch nicht veranlasst, geben wir eine Fahndung nach Jan Wilke raus. Wir müssen auch unbedingt erfahren, wer die tote Frau ist. Zahnstatus, DNA und so weiter. Das kann doch nicht so schwer sein! Die ist doch nicht namenlos vom Himmel gefallen und saß plötzlich in Reihe fünf auf Jan Wilkes Sessel«, erklärte Berger seinem Kollegen mit einem sarkastischen Unterton. »Machen wir uns an die Arbeit!«

Mörderisches Schwerin

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