Читать книгу Die vielen Aspekte unserer Persönlichkeit - Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter - Страница 13
Das Überbewusste
ОглавлениеDas Überbewusste besteht aus höheren Ebenen des Bewusstseins, die über dem gewöhnlichen Verstand liegen, von denen das höhere Bewusstsein in die niederen Ebenen des Wesens herabkommt. „Die Aufgabe des Überbewussten ist es, aus dem mentalen Menschen, der halb Tier war, den spirituellen Menschen zu entwickeln.“13 Das Überbewusste umfasst die höheren Ebenen des Verstandes – den höheren Verstand, den erleuchteten Verstand, die Intuition und das Übermental – sowie das, was jenseits des Verstandes liegt, den Supermind und die höchste Wirklichkeit, Sachchidananda (Sein, Bewusstsein, höchste Freude). Die überbewussten Einteilungen des Bewusstseins werden hier kurz von Sri Aurobindo beschrieben.
Höherer Verstand
„Ich bezeichne mit dem höheren Verstand eine erste Ebene des spirituellen Bewusstseins, auf der man dauerhaft und nah das Selbst erkennt, das Eine überall und die Dinge konstant mit dieser Wahrnehmung sieht und versteht. Das spielt sich jedoch noch immer sehr stark auf der Ebene des Denkens ab, obwohl die Wahrnehmung in ihrer Essenz spirituell ist; eine erhöhte Gedankenkraft sowie eine alles umfassende mentale Schau ist das Instrument dafür – sie wird nicht durch eine der intensiveren höher gelegenen Lichter der Erkenntnis erleuchtet, sondern strahlt wie in einem hellen, starken, klaren Tageslicht. Der höhere Verstand ist ein Zustand der Erkenntnis zwischen dem menschlichen Geist und dem Wahrheitslicht darüber. Er kommuniziert das höhere Wissen in einer Form, die der erweiterte, intensivierte, spirituell subtiler gewordene Verstand empfangen kann ohne durch das Licht einer Wahrheit, die jenseits von ihm liegt, geblendet oder gar blind zu werden.“14
Erleuchteter Verstand
„... Dieser Verstand besteht nicht mehr aus höheren Gedanken, sondern aus spirituellem Licht. Die Klarheit der spirituellen Intelligenz, ihr ruhiges Tageslicht, unterwirft sich oder wird ersetzt durch den intensiven Glanz, das Strahlen und die Erleuchtung des spirituellen Geistes: ein Zusammenspiel von Blitzen spiritueller Wahrheit und Macht bricht von oben in das Bewusstsein herein und ergänzt die stille, weite Erleuchtung und die grenzenlose Herabkunft eines Friedens, welche die Aktion des größeren konzeptionell-spirituellen Prinzips charakterisieren oder begleiten, eine feurige Glut der Realisation spiritueller Verwirklichung und eine höchst glücklich machende Ekstase des Wissens.“15
Intuition
Anmerkung zur Intuition: Normalerweise versteht man unter Intuition die Fähigkeit, Dinge direkt zu erkennen, ohne dass Überlegungen nötig sind. In diesem Sinn kann die Intuition sich auf ein Gefühl gründen oder ein schneller „unterbewusster Gedankengang“ sein, der auf unterschwelligen Hinweisen basiert, die nicht bewusst wahrgenommen werden. Aber Sri Aurobindo verwendet den Begriff Intuition, indem er sich auf die überbewusste Ebene über dem erleuchteten Verstand bezieht, und dadurch erhält er eine viel tiefere Bedeutung.
„Intuition ist eine Kraft des Bewusstseins, die dem ursprünglichen Wissen durch Einssein vertrauter ist und ihm näher steht, denn sie entspringt immer direkt aus dem Wissen einer verborgenen Identität mit allem. Wenn das Bewusstsein des Subjekts auf das Bewusstsein des Objekts trifft, es durchdringt und die Wahrheit dieses Kontakts fühlt und mit ihr vibriert, springt die Intuition durch den Schock dieses Zusammentreffens wie ein Funke oder Blitz hervor; oder wenn das Bewusstsein, sogar ohne so ein zusammentreffen, in sich selbst hineinschaut und dort direkt und intim eine oder mehrere Wahrheiten fühlt oder wenn das Bewusstsein die verborgenen Kräfte hinter den äußeren Erscheinungen kontaktiert, dann führt auch das zu einem Ausbruch von intuitivem Licht; oder wenn das Bewusstsein auf die höchste Realität oder die spirituelle Realität der Dinge und Geschöpfe trifft und damit die Einheit eines Kontakts spürt, dann wird in ihren Tiefen der Funke, der Strahl oder die Glut einer intimen Wahrheits-Wahrnehmung entzündet.“16
Über dem Verstand, das Übermental (Overmind)
„Das Übermental weiß, dass das Eine die Unterstützung, die Essenz, die grundlegende Kraft aller Dinge der Schöpfung ist, aber in dem ihm eigenen dynamischen Spiel der Kräfte betont das Übermental seine unterscheidende Kraft der Vielfalt und gibt jeder individuellen Kraft, jedem Aspekt der Schöpfung die volle Chance, sich zu manifestieren, indem es auf die allem zugrunde liegende Einheit vertraut, um Disharmonie und Konflikte zu vermeiden. Jede Gottheit kreiert sozusagen ihre eigene Welt, ohne in Konflikt mit anderen zu geraten; im Übermental kann jeder Aspekt, jede Idee, jede Kraft der Dinge in ihrer ganz separaten eigenen Energie oder ihrem Glanz gefühlt werden und kann ihre entsprechenden Wertvorstellung ausarbeiten, ohne dass daraus eine Disharmonie entsteht. Denn das Übermental besitzt die Wahrnehmung der Unendlichkeit der Schöpfung und in der wahren (nicht räumlichen) Unendlichkeit sind viele Ausdrucksformen der Unendlichkeit möglich, die miteinander übereinstimmen.“17
„In seiner Natur und in seinem Gesetz ist das Übermental ein Delegierter des Bewusstseins des Supramentalen, sein Abgesandter für die Unwissenheit der Schöpfung. Oder wir könnten es als einen beschützenden Doppelgänger bezeichnen, eine Leinwand, durch die das Supramental indirekt auf die Unwissenheit der Schöpfung einwirken kann, deren Dunkelheit den direkten Einfluss eines höchsten Lichts nicht empfangen oder ertragen könnte. Es ist sogar so, dass durch die Projektion dieser leuchtenden Korona des Übermentals die Verbreitung eines abgeschwächten Lichts in der Unwissenheit der Schöpfung und durch den gegensätzlichen Schatten, den es warf, der in sich alles Licht verschluckte, die Unbewusstheit der Schöpfung überhaupt erst möglich wurde. Denn das Supramental übermittelt dem Übermental all seine Realitäten, überlässt es ihm aber, diese in einem Akt von Schöpfung und entsprechend einer Wahrnehmung umzusetzen, die zwar immer noch eine Vision der Wahrheit beinhaltet, doch gleichzeitig den ersten Ursprung der Unwissenheit der Schöpfung bildet.“18
Das Supramental (der Supermind)
Anmerkung zum Supermind: Der Begriff „Supermind“ könnte im Sinne eines „super-hervorragenden Verstandes“ aufgefasst werden, dessen Kapazität die eines normalen Verstandes bei weitem übertrifft. Sri Aurobindo versteht darunter jedoch eine überbewusste Ebene der Existenz, die nicht nur über dem Verstand, sondern auch außerhalb von ihm liegt, und sich grundlegend vom Verstand unterscheidet. Sie befindet sich nicht nur in Beziehung zum gewöhnlichen Verstand außerhalb und darüber, sondern auch im Vergleich mit den überbewussten Ebenen des Verstandes, und zwar dem Höheren Verstand, dem Erleuchteten Verstand, der Intuition, und dem Übermental. Denn während all diese überbewussten Ebenen des Verstandes Mischungen von Licht und Dunkelheit, von Wissen und Unwissenheit beinhalten, ist das Supramental, der Supermind, das Wahrheitsbewusstsein, das von jeglicher Unwissenheit vollkommen frei ist.
„Der Supermind ist in seinem Innersten Kern ein Wahrheitsbewusstsein, ein Bewusstsein, das immer frei von der Unwissenheit ist, die das Fundament unserer gegenwärtigen natürlichen evolutionären Existenz bildet, von der aus die Natur in uns versucht, zu einem Selbst-Wissen und einem Welt-Wissen, einem wirklichen Bewusstsein und der richtigen Nutzung unseres Lebens im Kosmos zu gelangen. Dem Supramental ist dieses Wissen und diese Macht des wahren Daseins innewohnend, weil es ein Wahrheits-Bewusstsein ist; sein Weg verläuft gerade und führt direkt zum Ziel, sein Bereich ist weit und kann unermesslich ausgedehnt werden. Das ist deshalb so, weil seine eigene Natur Wissen ist: er braucht das Wissen nicht zu erlangen, sondern erlangt es aus sich selbst heraus. Seine Schritte der Entwicklung beginnen nicht vom Nichtwissen oder der Unbewusstheit aus hinein in ein unzulängliches Licht, sondern führen von einer Wahrheit in eine größere Wahrheit, von der richtigen geistigen Wahrnehmung hin zu tieferer Erkenntnis, von Intuition zu Intuition, von Erleuchtung zu völligem und grenzenlosem Glanz, von zunehmender Weite zu riesigen Ausdehnungen, bis hin zur eigentlichen Unendlichkeit. Auf seinen Gipfeln besitzt er die göttliche Allwissenheit und Allmacht, aber sogar in der evolutionären Bewegung einer stufenweisen Selbst-Manifestation, durch die er schließlich seine eigenen höchsten Höhen offenbaren würde, ist er in seiner ureigenen Natur im Grunde frei von Ignoranz und Irrtum: er beginnt mit der Wahrheit und dem Licht und handelt immer in der Wahrheit und im Licht.“19
Sachchidananda (Sein-Bewusstsein-höchste Freude)
„Sachchidananda ist das ewige Sein, das auch wir sind, ein ewiges Bewusstsein, das seine eigenen Werke in uns und anderen erkennt, ein ewiger Wille oder eine ewige Kraft dieses Bewusstseins, das sich selbst in unendlichen Tätigkeiten darstellt, eine grenzenlose Freude, die sich an sich selbst und all ihrem Wirken unbeschränkt erfreut. Es ist in sich selbstsicher, unveränderlich, zeitlos, unbegrenzt, das Höchste über allem, in sich selbst still ruhend, in der Unendlichkeit seiner Tätigkeiten der Gestaltung seiner Schöpfungen nicht veränderbar durch deren Abweichungen, nicht geteilt durch ihre Vielfalt, nicht erhöht oder vermindert durch ihr Zuströmen und Verebben in den Meeren von Zeit und Raum, nicht verwirrt durch ihre scheinbaren Gegensätze oder gebunden durch ihre gottgewollten Begrenzungen. Sachchidananda ist die Einheit der Vielseitigkeit der manifestierten Schöpfung, die ewig währende Harmonie all ihrer Unterschiede und Gegensätze, die unendliche Perfektion, die ihre Begrenzungen rechtfertigt, und Sachchidananda ist das Ziel ihrer Unvollkommenheit.“20
Der traditionelle Weg des Wissens (Jnana-Yoga) in Indien zielt darauf ab, nacheinander den Körper, das Leben und den Verstand aufzulösen und sich mit einem direkten Sprung in die suprakosmische Realität von Sachchidananda zu stürzen und damit zu verschmelzen. Für ein integrales Selbst-Wissen jedoch, sagt Sri Aurobindo, ist es notwendig, in der Passage zum Sachchidananda durch jede der überbewussten Ebenen einschließlich des Supramentals aufzusteigen.
„Die Methode des traditionellen Weg des Wissens, all diese Dinge, (Körper, Leben, Verstand) zu eliminieren, gelangt zu der Auffassung und zur Verwirklichung einer reinen bewussten Existenz, sich seines höchsten Selbst bewusst, glückselig, unbeeinträchtigt durch Verstand, Leben und Körper, zu einer endgültigen positiven Erfahrung des Atman, des höchsten Selbst, der ursprünglichen und wesentlichen Natur unseres Daseins. Hier haben wir endlich etwas im Kern Wahres, aber in ihrer blinden Hast dorthin zu gelangen, geht diese Lehre davon aus, dass zwischen dem denkenden Verstand und dem Höchsten, budde paratshtu sah – das Höchste über Buddhi ist Er – nichts existiert, und indem es im Samadhi seine Augen dafür verschließt, versucht es, durch all diese Ebenen, die tatsächlich dazwischenliegen, hindurch zu eilen, ohne diese großen leuchtenden Königreiche des Geistes auch nur zu sehen. Vielleicht erreicht das Wissen sein Ziel, aber nur, um im Unendlichen einzuschlafen. Oder, wenn der Verstand wach bleibt, ist es die höchste Erfahrung der höchsten Realität, in die der sich selbst auslöschende Verstand vordringen kann, er gelangt jedoch nicht in das höchste Bewusstsein des Allerhöchsten, paratpara. Der Verstand kann das höchste Selbst nur in einer gedanklichen spirituellen Verdünnung aufnehmen, nur ein durch den Verstand widergespiegeltes Sachchidananda. Die höchste Wahrheit, die integrale Selbst-Erkenntnis wird nicht erreicht durch diesen selbst verneinenden Sprung in das Absolute, sondern durch ein geduldiges Durchgehen über den Verstand hinaus in das Wahrheits-Bewusstsein, wo das Unendliche erkannt, gefühlt und in der ganzen Fülle seiner unerschöpflichen Reichtümer erfahren werden kann.“21