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Unerwartete Entwicklungen

Die Atmosphäre im Penthouse des Tamagi Tower war angespannt. Die Stimmung von Yamagata Aritomo hatte sich seit dem Morgen völlig verändert, zum Leidwesen der beiden Personen, die in devoter Haltung und respektvoller Entfernung vor ihm standen und sich seine Vorwürfe ohne ein Wort des Widerspruchs anhörten. Hinter Yamagata stand mit versteinertem Gesicht ein Hüne von Mann, sein persönlicher Leibwächter. Die Stimme von Yamagata war anfangs beherrscht, dann schneidend und eindringlich und steigerte sich schließlich zu einem dröhnenden Stakkato. Er redete schon mehrere Minuten auf sie ein und ließ seinem Ärger freien Lauf.

»Wenn ich das alles zusammenfasse, muss ich konstatieren: Ihr haltet mich für einen verblödeten Narren, der seine Anweisungen unpräzise und unüberlegt erteilt. Ihr glaubt, bei einer derartigen Angelegenheit sei es euch erlaubt, nachlässig und unsauber vorzugehen. Was interessiert euch irgendein ausländischer Wissenschaftler in irgendeiner Behörde, die nichts mit unseren Geschäften zu tun hat! Und wieso zahle ich für meine Nachrichtendienste eigentlich fast eine Milliarde Dollar jedes Jahr, um dann Bildmaterial zu erhalten, auf dem nichts zu erkennen ist?«

Genau eine Stunde nachdem das Wissenschaftler-Team im UNTACH seine Sitzung an diesem Nachmittag beendet hatte, war Yamagatas persönliche Assistentin Naomi in sein Privatbüro getreten und hatte ihm mit sehr leiser Stimme mitgeteilt, dass es leider unangenehme Nachrichten gäbe. In Sachen Doktor Renke. Den Leiter des Tamagi-Sicherheitsdienstes und die Leiterin der IT-Abteilung hätte sie bereits herbeigerufen, Herr Abe Tomoji und Frau Michiko Keiko würden im Vorzimmer warten, für den Fall, dass er sie zu sprechen wünsche. Ein Briefing zu den unerquicklichen neuesten Entwicklungen sei auf seinem Wandbildschirm präsentationsbereit.

Auf sein Nicken hin startete sie eine kurze, nur drei Minuten dauernde Präsentation mit Audio-Ausschnitten des Vortrags von Doktor Renke und einigen völlig unscharfen Fotos, auf denen eine Projektionswand mit unzähligen kleinen Bild- und Textelementen zu erahnen war. Abschließend wurden die zwei entscheidenden Aussagen nochmals als Text in japanischen Schriftzeichen wiedergegeben und gleichzeitig im englischen Originalton abgespielt. Es waren jene beiden Passagen, in denen auf die Schatulle eingegangen wurde und der Vortragende seine Vermutung äußerte, dass das Netsuke eine versteckte Botschaft enthalten könnte.

Yamagata sprach während der Ausführungen von Naomi kein Wort und blieb auch anschließend eine Weile still. Er fixierte die Texte auf dem Bildschirm und dachte nach. Dann blickte er seine Assistentin gefasst und nicht unfreundlich an und gab seine Anweisungen: »Danke, Naomi. Warum kann man sich eigentlich heutzutage nicht mehr auf seine Leute verlassen? Nun gut, bitte lass meine beiden so erfolgreichen Führungskräfte hereinkommen. Ich hätte gerne Masato dabei.«

Naomi zog sich dezent zurück, bat Abe Tomoji und Michiko Keiko ins Chefbüro und nickte dem Leibwächter Masato Saito kurz zu, so dass dieser ebenfalls eintrat und die Tür hinter sich schloss. Yamagata gab den beiden ›Versagern‹, wie er sich mehrfach ausdrückte, keine Gelegenheit zu antworten, bis er seine Verärgerung wieder unter Kontrolle hatte.

»Michiko, wie können Sie mir diese Schlamperei erklären?«

Weiterhin in einer ergebenen Verbeugung verharrend, versuchte die IT-Leiterin, die technologisch für alle Abhöraktivitäten verantwortlich war, ihrem Chef mit zitternder Stimme das Problem zu erläutern: »Verehrter Herr Yamagata, verzeihen Sie mir mein natürlich unentschuldbares Versagen, wir werden dieses Problem umgehend lösen und Ihre Vorgaben künftig zu Ihrer vollen Zufriedenheit erfüllen. Wir haben uns wie gewünscht in die Kommunikations- und Datennetze des UNTACH erfolgreich eingeklinkt. Wie Sie aus der Audio-Kopie des Vortrags von Doktor Renke wissen, auch in eigentlich unzugänglichen Sicherheitsbereichen wie dem mit sehr spezieller Technik ausgestatteten Sitzungsraum, in dem diese heutige Besprechung stattfand. Leider übersteigt die gigantische Datenmenge, mit der die von Professor Wang konzipierte Visualisierungstechnologie arbeitet, unsere technischen Möglichkeiten vor Ort. Rein elektronisch können wir die Inhalte der 3-D-Projektionen nicht anzapfen. Wir müssten also Zusatzinstallationen dort vornehmen, mit allen in Anbetracht der außerordentlichen Sicherheitsstandards verbundenen Risiken.«

Yamagata antwortete mit einem höhnischen Lachen: »Ahhh, also zuerst versprechen Sie mir, dieses Problem zu lösen, und dann räumen Sie ein, dass dies technisch unmöglich sei … das hebt mein Vertrauen in Ihre Kompetenz natürlich ganz ungemein! Doch nun zu den eigentlichen Kernpunkten dieses unsäglichen Versagens: Abe, wie konnte deinen Leuten entgehen, dass im UNTACH ein solcher Koffer mit Dokumenten über das Netsuke existiert? Wieso kenne ich dieses wichtige Quellenmaterial nicht, obwohl ich in den letzten Jahren eine Unsumme Geld eingesetzt habe, um an jede relevante Information zu diesem Netsuke zu gelangen? Woher stammt dieses Material, gibt es dort weitere wichtige Unterlagen? Und vor allem: Wo ist das Leck in unserem System, durch das Renke auf die Idee kam, dass das Netsuke Träger einer wichtigen Botschaft sein könnte und dass es einen Bezug zu meinen Vorfahren gibt? Ich bin sehr darauf gespannt, ob deine Ausrede genauso läppisch ist wie die unserer Frau Keiko!«

Der Sicherheitschef war an sich eine stattliche Erscheinung und überragte seinen Chef deutlich, machte aber im Moment eine erbarmungswürdige Figur. Er hatte eine lange, harte Zeit bei Tamagi hinter sich und sowohl seine Loyalität als auch seine Kompetenz über viele Jahre unter Beweis gestellt. Er genoss bislang volles Vertrauen und fühlte sich elend, derart in Ungnade zu fallen. Denn genau dies sah er als unausweichliche Konsequenz der heutigen Ereignisse. Ihm war die besondere, persönliche Bedeutung der Operation im UNTACH für den Konzern-Chef bewusst.

»Verehrter Herr Yamagata, ich würde mir meine rechte Hand abschneiden, wenn ich mein Versagen dadurch wiedergutmachen könnte«, fiel entsprechend verzweifelt die Antwort von Abe Tomoji aus. »Es ist mir unerklärlich, wie eine so wichtige Dokumentation im UNTACH existieren kann, ohne dass wir dies bei unseren umfassenden Recherchen erfahren hatten. Hinsichtlich einer undichten Stelle bei unseren Mitarbeitern bin ich fest davon überzeugt, dass es eine solche nicht gibt und dieser Wissenschaftler auf anderen Wegen zu seinen Spekulationen kam. Wenn Sie mich noch einmal mit Ihrem Vertrauen ehren, schwöre ich Ihnen, diese Fragen zu klären oder nie wieder vor Ihre Augen zu treten, bei meinem Leben.«

Yamagata blickte eine kurze, den beiden Mitarbeitern endlos erscheinende Weile auf deren tief geneigte Köpfe, wandte sich ab und trat an die Fensterfront. Er sah in der Ferne das UNTACH-Gelände, diesmal ohne dass ein Lächeln aufkam. Seine Stimme klang sanft und dennoch einschüchternd: »Geht mir aus den Augen. Ich erwarte morgen eine befriedigende Auskunft über die offenen Punkte und einen Vorschlag, wie wir die bestehenden Hindernisse überwinden können. Masato, schick mir Naomi herein, wenn du die beiden hinausbegleitet hast.«

Der Masanao Adler

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