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4. Kapitel

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„Zunächst interessiert mich, was die CIA bisher in dieser Angelegenheit unternommen hat“, sagte Winston. „Wenn die CIA auch viel von ihrem einstigen Glanz verloren hat – euer Chef hat offenbar zu viele James-Bond-Filme gesehen – so kann man doch nicht leugnen, dass ihr euch immer sehr viel Mühe gebt.“

„Ihre Kritik an unserer Organisation ist unberechtigt, Ihr Lob hingegen angebracht“, stellte der Agent fest. „Als wir von Davis’ Kandidatur erfuhren, setzten wir vier unserer besten Agenten auf den Fall an. Sie hatten den Auftrag, sich in Chinchillas Organisation einzuschleichen, um Beweise dafür zu beschaffen, dass Davis immer noch in Chinchillas Diensten steht.“

„Und?“

„Sie alle starben bei mysteriösen Unfällen. Den ersten fand man gebacken im Ofen eines Hostienbäckers, den zweiten erfroren in seiner eigenen Tiefkühltruhe, den dritten gegrillt auf seinem eigenen Gartengrill und den vierten...“

„Frittiert in seiner eigenen Friteuse?“

„Mit so etwas macht man keine Scherze, Mr. Winston. Schließlich geht es hier nicht um Äpfel oder Birnen, sondern um Menschen.“

„Natürlich. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, Äpfel oder Birnen in einer Friteuse zuzubereiten. Also, was war mit dem vierten?“

„Man fand ihn als Inhalt von hundertfünfzig Dosen Hundefutter.

Das war für uns der endgültige Beweis, dass es sich in allen vier Fällen um Mord handeln musste, denn erstens hielt sich der Agent gar keinen Hund, und zweitens hätte er die Dosen ja wohl kaum selbst verschließen können, oder?

Somit haben wir innerhalb kürzester Zeit vier unserer besten Agenten verloren. Sie starben für das Vaterland...“

„Sie starben für einen Scheißdreck“, erwiderte Winston. „Wie konntet ihr bloß auf die hirnrissige Idee kommen, dass es möglich ist, sich in die Organisation Chinchillas einzuschleichen, ohne entlarvt zu werden?“

„Entschuldigen Sie, Mr. Winston, aber meine Idee war das nicht.“

„Nein, natürlich nicht. Aber wie, bitte schön, wolltet ihr das denn anstellen? Vielleicht unter einem anderen Namen, mit gefälschten Papieren?“

„Nein, eigentlich...“

„Euer Chef sieht offenbar wirklich zu viele James-Bond-Filme.

Aber ich will Ihnen mal eines sagen, 003:

Chinchilla wäre nie so mächtig geworden, wenn er nicht dafür gesorgt hätte, dass jeder Neuzugang gründlich überprüft wird.

Mit einer falschen Identität könnt ihr ihn nicht hinters Licht führen, so was kriegt er schon bei den ersten Nachforschungen raus.

Bei erfundenen Namen: Ein Blick ins Geburtenregister, und schon ist der Mann entlarvt.

Nimmt der Agent den Namen eines Verstorbenen an, so genügt ein Blick ins Sterberegister, und wenn der wahre Namensträger noch lebt...“

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, Mr. Winston, aber wir haben nichts dergleichen getan.“

„Ach so? Sondern?“

„Jeder CIA-Agent hat doch ohnehin einen Tarnberuf. Beispielsweise bin ich offiziell ein biederer Versicherungsvertreter. Sehen Sie, und deshalb war es in diesem Fall auch gar nicht nötig, irgendwelche falschen Identitäten zu erfinden...“

„Moment. Soll das etwa heißen, dass eure Agenten unter ihren richtigen Namen versucht haben, der Organisation beizutreten?“

„Ja. Doch. Eigentlich schon...“

„Ja, Kind Gottes, seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?

Habt ihr euch denn noch nie überlegt, dass die Organisation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einige ihrer Leute bei euch in der CIA sitzen hat?

Genauso gut hättet ihr eure Leute gleich an die Wand stellen können. Oder meinetwegen auch frittieren.“

„Wie schon gesagt, meine Idee war’s nicht.“

„Das will ich auch schwer hoffen. Aber euer Chef sollte sich was schämen, Wer vier seiner Leute so leichtfertig in den sicheren Tod schickt, der ist eigentlich rücktrittsreif.

Außerdem habt ihr offensichtlich nicht bedacht, dass die Agenten, selbst wenn sie anstandslos aufgenommen worden wären, in dem einen Jahr bis zur Wahl so gut wie gar nichts hätten erreichen können.“

„Wieso denn nicht?“

„Weil keiner von ihnen auch nur in die Nähe Chinchillas gekommen wäre. Sagen Sie, 003: Was wissen Sie eigentlich über den Aufbau dieser Verbrecherorganisation?“

„Nun ja, also, ganz oben stehen Chinchilla und sein Stellvertreter Bucher. Dann gibt es einige Generaldirektoren...“

„Zehn an der Zahl.“

„Gut. Zehn. Namen sind uns leider keine bekannt, wir kennen nur einen, der vermutlich dazuzählen dürfte, die anderen sind nach wie vor UP’s, wie wir in unserem Fachjargon sagen...“

„Yuppies?“

„Nein, unbekannte Personen, unidentified persons, also U.P.’s.

Jeder dieser Generaldirektoren hat wieder einige Untergebene...“

„Zehn.“

„Von diesen Untergebenen hat wieder jeder einige Untergebene...“

„Zehn. Auf jeden Vorgesetzten kommen bei Chinchilla zehn Untergebene.“

„Tja, und so geht das weiter bis zur Basis.“

„Eben. Eure Agenten hätten natürlich ebenfalls an der Basis anfangen

müssen und ihre Befehle nur von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten erhalten. Bestenfalls hätten sie noch dessen Vorgesetzten kennen gelernt, aber mehr hätten sie in diesem Jahr keinesfalls in Erfahrung bringen können.

Ihr habt vermutlich gehofft, dass eure Agenten irgendwelche Belege in die Finger bekommen, die beweisen, dass Davis von Chinchilla bezahlt wird, oder?“

„Ja, genau das.“

„Habt ihr euch wirklich eingebildet, dass so eine wichtige Sache von einer basisnahen Gruppe durchgeführt wird?

Nein, das wird von ganz oben her organisiert, und ich gehe jede Wette ein, dass Chinchilla sich höchstpersönlich mit der Durchführung dieses Planes befasst. Schließlich ist es keine Kleinigkeit, einen seiner Strohmänner auf den Stuhl des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu hieven.

Ich hoffe, Sie sehen wenigstens jetzt ein, dass sich die CIA in dieser Angelegenheit unendlich dumm verhalten hat. Genauer gesagt habt ihr euch wie Vollidioten benommen. Oder wie Oligophrene, wenn Ihnen das lieber ist. Für nichts und wieder nichts haben vier von euch ihr Leben opfern müssen.“

„Ich fürchte, Sie haben recht“, sagte 003 kleinlaut. „Wir haben da Scheiße gebaut. Aber, wie schon gesagt, meine Idee war’s nicht...“

„Ist schon gut“, sagte Winston begütigend. „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist. Ihr seid eben, um ein treffendes Gleichnis zu gebrauchen, mit Fliegenklatschen auf Löwenjagd gegangen.

Trotz eurer jahrelangen Bemühungen ist es euch nur gelungen, einen der zehn Generaldirektoren zu entlarven, und nicht mal bei dem seid ihr euch ganz sicher.

Schon das hätte euch von eurem wahnwitzigen Plan abbringen müssen. Ohne mich wüsstet ihr ja nicht einmal, wer der Boss dieser größten Verbrecherorganisation unseres Planeten ist.

Und selbst wenn es euch gelungen wäre, zu beweisen, dass Davis von Chinchilla finanziert wird – das ist natürlich völlig unmöglich, aber nehmen wir es rein theoretisch einmal an - was hätte euch das genützt?

Gar nichts.

Zwar hat es sich unter vorgehaltener Hand in Chikago herumgesprochen, dass Claudio Verona, den man in Verbrecherkreisen Chinchilla nennt, im Verdacht steht, ein skrupelloser Gangsterboss zu sein, aber in der amerikanischen Öffentlichkeit gilt er als einer der größten Wohltäter der Menschheit.

An die zehn Millionen Dollar gibt er jährlich für wohltätige Zwecke aus, und die von ihm gegründete Organisation zur Unterstützung der armen afroafrikanischen Kinder in Afrika wurde sogar vor zwei Jahren für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Es würde Davis also nicht einmal sonderlich schaden, wenn herauskäme, dass er von Chinchilla bezahlt wird, und Chinchillas Kommentar dazu wäre, dass er als amerikanischer Staatsbürger ja schließlich das Recht hat, einen Politiker, der ihm zusagt, finanziell zu unterstützen.“

„Wie haben Sie herausgefunden, dass Chinchilla der Boss dieser Organisation ist?“, fragte der Agent.

„Warum ist die Banane krumm?“

„Keine Ahnung. Warum denn?“

„Ich weiß es nicht. Deshalb frage ich Sie ja.“

„Also, ich glaube eher, dass Sie versuchen, meiner Frage auszuweichen.“

„Ganz recht“, bestätigte Winston. „Weil Sie das nämlich zufällig einen verdammten Scheißdreck angeht.“

***

Der Strohmann

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