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Die Geburtsstunde des Schillings

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Es dürfte nur wenige österreichische Haushalte geben, in denen nicht irgendwo in einem stillen Winkel eine SchillingMünze aufbewahrt wird (oder auch mehr). Die per 1. Jänner 1998 in Kraft gesetzte Währungsumstellung gab dem scheidenden Alpendollar noch einmal einen letzten kräftigen Popularitätsschub, und selbst heute, beinah zehn Jahre nach der Einführung des Euro, sind es nicht wenige, die beim täglichen Geldverkehr nach wie vor auf der Basis des guten alten Schillings »umrechnen«. Da ist es nur recht und billig, der Geburtsstunde dieses identitätsstiftenden Zahlungsmittels zu gedenken, das, nur durch die Reichsmark-Ära 1938–1945 unterbrochen, 67 Jahre lang Herrn und Frau Österreicher vorzügliche Dienste geleistet hat.

Schon der Abschied von Krone und Heller anno 1924 war vielen Bürgern der Ersten Republik nicht leicht gefallen, obwohl sich in der damit einhergehenden Inauguration des Schillings das allseits herbeigesehnte Ende der Nachkriegsinflation ausdrückte. Es war das dritte Regierungsjahr des christlich-sozialen Bundeskanzlers Ignaz Seipel, überschattet nicht nur von der katastrophal abgefallenen alten Währung, die im europäischen Vergleich auf dem unrühmlichen letzten Platz gelandet war, sondern auch von dem am 1. Juni 1924 auf den Regierungschef verübten Attentat. Immerhin hatte Seipel, bevor er schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, alles Nötige unternommen, um die Stabilisierung der zerrütteten Staatsfinanzen einzuleiten, und noch im selben Monat gab die Nationalbank die erste auf Schilling lautende Scheidemünze aus.

Auf 10 000,– Kronen belief sich der Wert des neuen Zahlungsmittels, das in den Varianten Halbschilling, Schilling und Doppelschilling in den Verkehr kam, und während beim Papiergeld zunächst noch auf die alten 10 000-Kronen-Scheine zurückgegriffen wurde und lediglich der Aufdruck »Ein Schilling« die »neue Zeit« einläutete, ging man beim Hartgeld »radikal« vor und kreierte eine nagelneue Silbermünze.

Das gute Stück, aus einer Legierung von acht Zehnteln Silber und zwei Zehnteln Kupfer geprägt, hatte einen Durchmesser von 26 Millimeter und ein Gewicht von sieben Gramm; die Vorderseite zeigte neben der Aufschrift »Republik Österreich« und der Jahreszahl der Ausmünzung eine stilisierte Ansicht vom Mitteltrakt des Parlamentsgebäudes und eine Roßbändigergruppe; für die Rückseite wählte man einen Ölbaumzweig mit dem Brustschild aus dem österreichischen Staatswappen sowie die Aufschrift »Ein Schilling«. Uneinigkeit bestand lediglich bezüglich der Unterteilung in die kleineren Werte: Der ursprünglich vorgesehene »Stüber« mußte dem »Groschen« weichen.

Um die allgemeine Verwirrung, die die Währungsreform sowohl in der öffentlichen wie in der privaten Buchhaltung zur Folge hatte, einigermaßen in Grenzen zu halten, ließ man sich bei der Umstellung Zeit: Erst per 31. Dezember 1926 mußte sie abgeschlossen sein. Und auch erst dann, nämlich ab 1927, kam beim Druck der Banknoten das seit langem geplante neue Design zum Zuge, das erstmals Landschafts- und Architekturmotive einschloß.

Worüber in der Bevölkerung Unklarheit bestand, war die Frage nach der Herkunft der neuen Währungsbezeichnung. Zwar kannte man bereits seit dem Mittelalter den in mehreren europäischen Ländern gebräuchlichen »Schilling«, doch wovon er sich etymologisch ableitete, darüber gingen die Meinungen der Experten auseinander. Die einen verwiesen auf das altdeutsche Wort »scellon«, das so viel wie »schallen« bedeutete und somit auf die traditionelle Praxis der Geldprüfer anspielte, die betreffende Münze zu Boden fallen zu lassen und aus dem Klang des Aufpralls auf deren Echtheit zu schließen. Andere leiteten die Bezeichnung »Schilling« vom lateinischen »solidus«, also vom Attribut des Soliden und Wertbeständigen ab. Dem sogenannten kleinen Mann von der Straße waren derlei Spitzfindigkeiten freilich herzlich egal: Ihm kam es nur darauf an, daß er von dem neuen Zahlungsmittel möglichst viel in der Tasche hatte und daß es möglichst wenig von seinem Wert verlor.

Tatsächlich wurde der Schilling populär – und zwar so sehr, daß man sich nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands, das der »Ostmark« für die Dauer von sieben Jahren die deutsche Reichsmark aufgezwungen hatte, ohne alle Diskussionen einig war, auf der Stelle zur alten Währung zurückzukehren. Noch im Mai 1945 gaben die Besatzungsmächte sogenannte Militärschilling-Noten aus, denen sieben Monate später die ersten »eigenen« folgten. Auch mit dem, was man in seinem Geldbörsel bei sich trug, erhielt Österreich also einen Teil seiner Souveränität zurück, ja einen Teil seiner Identität. Die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik konnte ihren Anfang nehmen.

Der erste Walzer

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