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3. Inhalt 3.1 Gedankengang

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Bonhoeffer selbst hat die „Nachfolge“ in zwei Teile gegliedert. In einem ersten Teil wird gezeigt, wie sich der irdische Jesus von Nazareth Nachfolge gedacht hat: dass von Anfang an Glaube und Gehorsam zusammengehört haben; dass ein Glaube ohne Nachfolge eine Unmöglichkeit darstellt. Darum Bonhoeffers Polemik gegen die „billige Gnade“ des Luthertums seiner Zeit. Im zweiten Teil entfaltet Bonhoeffer, wie Nachfolge heute, also nach Kreuzigung und Auferstehung Jesu, in der Gemeinschaft der Kirche aussieht.

Bei genauerem Hinsehen lassen sich drei ungefähr gleich große Teile erkennen, denen eine Art Präludium vorangestellt ist. Das Präludium hat die „Nachfolge“ bekannt gemacht. In diesem kritisiert Bonhoeffer, wie wir schon sahen, mit schneidenden Worten das Missverständnis einer billigen Gnade und fordert die Kirche seiner Zeit an diesem entscheidenden Punkt zum radikalen Umdenken auf.

Im ersten Hauptteil beschreibt Bonhoeffer die Konstitutionsbedingungen für die Nachfolge der ersten Jünger Jesu. An ihnen wird deutlich, dass Nachfolge teure Gnade war. Hier werden vor allem Texte aus den synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas ausgelegt. Bonhoeffer entfaltet die Bedingungen der Nachfolge unter den folgenden vier Stichworten: der Ruf in die Nachfolge, der einfältige Gehorsam, die Nachfolge und das Kreuz, die Nachfolge und der Einzelne. Die vier Stichworte markieren wie vier eherne Pflöcke die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn ein Mensch Jesus nachfolgen will: keine Nachfolge Jesu, ohne dessen persönlichen Ruf gehört zu haben, keine Nachfolge ohne die Bereitschaft zum einfältigen Gehorsam, keine Nachfolge ohne Bejahung des Kreuzes, keine Nachfolge, ohne ein Einzelner geworden zu sein. Was sich zunächst ziemlich traditionell anhört, wird in der Auslegung Bonhoeffers zur bedrängenden Herausforderung, ja Infragestellung eines bürgerlichen Glaubensverständnisses. Jesus ruft in seine Nachfolge, weil er der Christus, der Messias ist, den Gott seinem Volk gesandt hat. Die Nachfolge beinhaltet die Bindung an eine Person, eben an Jesus, und darf nicht mit dem Fürwahrhalten einer Idee oder eines Mythos verwechselt werden. Ziel der Nachfolge Jesu Christi ist es, Gott glauben zu lernen.30 Die Nachfolge konkretisiert sich im einfältigen Gehorsam. Jesus fordert von seinen Jüngern nicht mehr – aber auch nicht weniger –, als sich allein auf sein Wort zu verlassen. Weil die Nachfolge der Jünger Nachfolge Jesu Christi ist, gehört zur Nachfolge von Anfang an auch das Leiden. Bonhoeffer spricht sogar vom „Gesetz des Leidens“.31 Am Anfang der Nachfolge steht das Sterben, die Bereitschaft der Nachfolgenden, am Tod Jesu Christi teilzuhaben. Auch wenn nur das Leiden Jesu selbst Versöhnungsqualität besitzt, werden Christen als Nachfolger Jesu wie dieser zu Trägern von Sünde und Schuld für andere Menschen. „Gott ist ein Gott des Tragens“, schreibt Bonhoeffer.32 Zur Nachfolge gehört schließlich die Bereitschaft, ein Einzelner zu werden. Indem Jesus Christus einen Menschen in seine Nachfolge ruft, wird er aus allen weltlichen Unmittelbarkeiten herausgelöst und allein in die Unmittelbarkeit zu ihm selbst gestellt. Jesus macht den Menschen einsam, damit dieser allein ihn sieht. Die politische Brisanz der „Nachfolge“ zeigt sich in diesem Zusammenhang daran, dass Bonhoeffer nüchtern feststellt, dass dort, wo eine Gemeinschaft Menschen hindert, vor Christus Einzelne zu sein, d. h., wo sie einen Anspruch auf Unmittelbarkeit erhebt, Christen von dieser Gemeinschaft um Christi willen gehasst werden müssen.

Der zweite Hauptteil stellt eine Auslegung der Bergpredigt (Mt 5–7) und der Aussendungsrede Jesu an seine Jünger dar (Mt 10). Bonhoeffer stellt die einzelnen Kapitel des Matthäusevangeliums dabei unter markante Überschriften. Mt 5: Vom „Außerordentlichen“ des christlichen Lebens. Hier wird noch einmal betont, dass mit dem Gebot der Feindesliebe klar ist, dass das Sonderliche des Christlichen im Kreuz besteht: „Die passio in der Liebe des Gekreuzigten – das ist das ‚Außerordentliche‘ in der christlichen Existenz.“33 Mt 6: Von der Verborgenheit des christlichen Lebens. Dazu gehört die eigene Gerechtigkeit des Christen, sein Gebet, ja seine frommen Übungen überhaupt, genauso wie die Einfalt eines sorglosen Lebens, das sich ausschließlich an die Zusage Jesu hält und keine weiteren Sicherungen will. Mt 7: Die Aussonderung der Jüngergemeinde. Allein eine Person, Jesus Christus, macht den Menschen zum Jünger. Bonhoeffer betont hier die Grenzen des Auftrags der Jünger. Ihr Wort ist schwach, weil es das Wort Gottes ist, der wollte, dass Menschen es verachten und verwerfen können. „Es wird ihnen gesagt, dass kein anderer Weg zum Nächsten führt als das Gebet zu Gott.“34 Wiederum wird die politische Dimension der „Nachfolge“ erkennbar, wenn Bonhoeffer das Wort Gottes mit der Idee kontrastiert, die keinen Widerstand zulassen will. „So sind auch die Zeugen des Wortes mit dem Wort schwächer als die Propagandisten einer Idee.“35 Mt 9,35–10,42: Die Boten. Hier geht Bonhoeffer speziell auf die Arbeit der Apostel ein: ihren Auftrag und dessen Grenze.

Der abschließende dritte Hauptteil des Buches beschreibt mithilfe der Auslegung vor allem von Texten aus den Paulus-briefen, wie die Nachfolge nach Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi aussieht. Bonhoeffer geht davon aus, dass die synoptischen Evangelien keinen anderen Jesus als die Paulusbriefe bezeugen. Es zeigt sich in diesem Teil, dass Bonhoeffer an die reformatorische Lehre anknüpft: Jesus Christus ist auch heute gegenwärtig – leiblich und in seinem Wort. Bonhoeffer formuliert in Anlehnung an den 7. Artikel des Bekenntnisses von Augsburg von 1530: „Der Ruf Jesu Christi ergeht in der Kirche durch sein Wort und Sakrament.“36 Bonhoeffer macht deutlich, dass der Ruf und der Eintritt in die Nachfolge, die wir in den Evangelien finden, in den Paulus-briefen ihre Entsprechung in der Taufe haben. Die Kirche ist der gegenwärtige leibliche Christus selbst. Nur als Ganze ist die christliche Gemeinde der neue Mensch, der Leib Christi, Christus.37 Damit wird noch einmal erkennbar, dass für Bonhoeffer Nachfolge immer nur inmitten der Kirche möglich ist. Weil der Leib Jesu Christi in seinen Gliedern Raum auf Erden einnimmt, ist er sichtbar. Der leibgewordene Christus ruft Menschen in die leibliche Gemeinschaft mit sich, die sichtbar ist. Als Jüngergemeinde ist die Kirche ein eigener Herrschaftsbereich in der Welt und damit deren Herrschaft entrissen. „Wie ein versiegelter Zug im fremden Lande, so geht die Gemeinde durch die Welt.“38 Bonhoeffer betont, dass weder die Welt Kirche noch die Kirche Welt sein soll.

Ziel der Nachfolge ist die Gleichgestaltung des Nachfolgenden mit dem Bild Christi. Es geht dabei um die Einwohnung Jesu Christi im Herzen. „Es ist die heilige Dreieinigkeit selbst, die in dem Christen Wohnung gemacht hat, ihn erfüllt und ihn zu ihrem Ebenbilde macht.“39 Die Einwohnung Gottes im Menschen ist die Voraussetzung dafür, dass Bonhoeffer schreiben kann: „Das Leben Jesu Christi ist auf dieser Erde noch nicht zu Ende gebracht. Christus lebt es weiter in dem Leben seiner Nachfolger.“40 Im Martyrium erweist das Leben eines Jüngers die tiefste Gleichheit mit der Todesgestalt Jesu Christi.

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