Читать книгу Erna geht zu Fuss - Dirk Bausch - Страница 7
Hansi
ОглавлениеHansi wohnte in dem Vorwerk eines Dorfes. Es gab nur eine befestigte Straße dorthin. Wobei befestigt ein sehr dehnbarer Begriff ist. Die zweite Zuwegung war völlig ausgefahrener Feldweg. Dieser, war selbst mit meinem Geländewagen, nur bei trockenem Wetter befahrbar. In diesem Vorwerk gab es etwa drei Häuser mit Feld drum herum. Eines davon gehörte Hansi und seiner Frau. Hansi war ein Mensch, den man einfach lieben musste. Er war ein kumpelhafter, immer freundlicher Kerl. Hansi war etwa zwei Meter groß und wog bestimmt drei Zentner. Sein Kopf war kugelrund und haarlos. Er schien immer zu lächeln. Hansi hörte schwer und sprach donnernd laut. Er war eine Seele von Mensch. Anfangs arbeitete er auf dem Schlachthof als Abträger, später als Hilfsarbeiter bei einer Baufirma in Berlin. Nebenbei führte er seinen landwirtschaftlichen Hof. Er hatte Schweine, allerlei Geflügel und ein Pferd. Das war sein ganzer Stolz. Es war eine Stute und sie bekam jedes Jahr ein Fohlen. Diese Fohlen konnte er immer gut verkaufen. Hansi war immer gelassen und ihn konnte nichts irgendwie in Rage bringen. Selbst, als einmal bei der Arbeit in einer Baugrube verschüttet wurde, erzählte er mir davon als ob er sagt: „habe dieses Jahr eine gute Ernte gehabt“. Nur wenn seine geliebte Stute gefohlt hatte, geriet er in Rage. Als einmal am gleichen Tage seine Frau erkrankt war, rief er zuerst mich an und dann den Arzt für seine Frau. Am Telefon brüllte er so laut, dass ich ihn in meinem zehn Kilometer entfernten Haus auch ohne Telephonhörer verstanden hätte. Ich musste immer gleich kommen. Einen Aufschub, selbst von Stunden, hätte er niemals akzeptiert. Jedenfalls nicht bei seinem Pferd. Die neugeborenen Fohlen müssen möglichst schnell mit Fohlenlähmeserum geimpft werden. Das ist nicht immer ganz einfach. Die Stuten sind so sehr auf den Schutz ihres Nachwuchses aus, dass es oft schwer ist, an das Fohlen ran zu kommen. Aber bei dieser Stute war es ein Kampf um Leben und Tod. Die Stute gebärdete sich fürchterlich, wenn nur jemand den Stall betrat. Selbst der riesige Hansi hatte Respekt vor ihr. Mit fürchterlichem Gebrüll betrat er den Stall. Ich musste draußen warten und war sehr froh darüber. Irgendwann erlosch das Geschrei im Stall und ich war schon in Sorge um Hansi. Da ertönte ein Schrei, der mich aufforderte in den Stall zu kommen und das Fohlen zu impfen. Irgendwie gelang das dann auch, denn das Fohlen war auch nicht begeistert von meiner Aktion. Ich verließ den Stall fluchtartig. Nur Sekunden später hatte Hansi die Box verlassen. Für mich war es erstaunlich, wie schnell sich ein so fülliger Mann bewegen kann. Dann griff er tief in die Futterkiste und brachte eine Flasche Klaren zum Vorschein. Nun musste ich mit ihm erst mal auf das Fohlen anstoßen. Es war fünf Uhr morgens und ich hatte noch nichts gefrühstückt. Wie Feuer brannte der Schnaps in meinem leeren Magen. Zwischenzeitlich hatte seine Frau ein üppiges Frühstück zubereitet. Eigentlich esse ich morgens nur süßes aber nach dem Genus zweier riesiger Schlucke von dem Schnaps war die selbstgemachte Wurst genau das Richtige. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es mir besser und ich verabschiedete mich. Zum Schluss bekam ich noch zwei Packungen Eier mit. Diese wurden mir mit den Worten: „Da kannst du dir erstmal 12 Eier in die Pfanne hauen zum Frühstück.“ Ich nahm diese Bemerkung kommentarlos hin. Aber seine Frau sagt jetzt: „Hansi, meinst du jeder isst so viel wie du?“ Worauf er donnernd antwortete: „ Mensch der frisst viel mehr als ich, guck mal wie viel der arbeitet!“ Ich stieg ins Auto und holperte nach Hause um mich den anderen Patienten zu widmen.